BRIGITTE ÄRGERT SICH GRÜN UND SCHWARZ
DVAG und AachenMünchener wollen ihre Kosten nicht offenlegen
Der Blogbeitrag vor zwei Wochen über Brigittes von der Dubiosen Vertriebs AG vermittelten Vertrag hat die LeserInnen erschüttert. Ein so extrem unvorteilhafter, langfristiger Vorsorgevertrag, der doch eigentlich Brigitte eine schöne Zusatzrente verschaffen sollte, machte viele sprachlos.
Andere berichteten von ihren schlimmen Erfahrungen. Gute Erfahrungen wurden mir übrigens nicht zugetragen. Und – na klar – jede Menge unqualifizierte Äußerungen von DVAG-Söldnern gab es auch.
Lesen Sie den aktuellen Stand der Dinge und ziehen Sie wertvolle Schlussfolgerungen für Ihre eigenen Vorsorgeverträge.
Was bisher geschah
Brigitte, hatte das Bedürfnis, ihre erkannte Rentenlücke zu verringern. Sie ist jedoch hierbei einem DVAG-Strukki in die Fänge geraten. Der sie vor allem mit angeblichen Steuervorteilen der privaten Rentenversicherung der AachenMünchener zu einem Abschluss überredete.
Brigitte wollte gar keinen Risikoschutz. Jedoch wurde ihr ein minimaler Todesfallschutz als „unabdingbar zur Erzielung des Steuervorteils“ aufgeschwatzt.
Die vergleichsweise geringen Kosten, nämlich 104,45 Euro für diesen Todesfallschutz (die entsprechende Leistung ist nämlich auch homöopathisch) wurden von mir korrekt ausgewiesen, jedoch nicht weiter problematisiert, da wenig relevant.
Als Reaktion auf meinen Blogbeitrag, die Berechnungen darin sowie den Schlussfolgerungen daraus erfolgte ein – durchaus erwarteter – Shitstorm von DVAG-Söldnern. Auch in den Kommentaren dieses Finanzblogs.
Soweit die Kommentare sich von Ausdruck und Niveau oberhalb der Gürtellinie befanden, wurden sie komplett freigeschaltet.
Auf der Sachebene
Auf der Sachebene lassen sich folgende Kritikpunkte und Forderungen der DVAG-Söldner zusammentragen:
1. Brigittes Vertrag enthalte ggfs. hohe Risikokosten, da vielleicht weitreichende Risiken abgesichert seien. Die Kosten für diese „Gegenleistung“ müssten ja fairerweise mit betrachtet werden.
2. Die RENTE-PLUS der AachenMünchener besitze weitere Vorteile, die ich unfairer Weise nicht erwähnt hätte.
3. Man benötige die konkreten individuellen Daten von Brigitte und ihrem Tarif, um diesen exakt bewerten zu können.
4. Mein Vergleich sei unfair, da er Äpfel mit Birnen vergleiche. Nämlich eine Anlage vor Kosten (Entwicklung von DAX oder MDAX) mit einer Anlage nach Ich solle doch die konkreten ETFs oder Fonds benennen, dann werde man schon sehen.
Als Wissenschaftler bin ich stets an Aufklärung, Erkenntnis und daher konstruktiver Kritik interessiert. Deshalb lassen Sie uns die DVAG-Einlassungen mal näher anschauen:
1. noch hohe Risikokosten zu berücksichtigen
Nein, Brigittes Vertrag enthält keinerlei weitere Versicherungsleistungen. Auch keine vermutete Berufsunfähigkeitsversicherung oder ähnliches. Nichts.
Dass dies so ist, sollten auch ausgewiesene Fans der RENTE-PLUS glauben. Denn sonst hätte die AachenMünchener bei ihrer Endabrechnung diese schon zu ihren Gunsten mit reingerechnet. Und nicht nur 104,45 Euro Risikokosten.
Die Lücke zwischen dem Endwert von Brigittes RENTE-PLUS und dem Ergebnis einer bedürfnisgerechten alternativen Anlage zur Altersvorsorge, lässt sich also nicht durch angebliche Risikokosten erklären. Sondern leider tatsächlich lediglich durch Abschluss- und Verwaltungskosten der AachenMünchener.
Diese Kosten mit all ihren kreativen Unterarten schmälern Brigittes Vorsorgeleistungen.
2. angeblich weitere Vorteile der RENTE-PLUS
Wirklich gerne würde ich über die behaupteten „weiteren Vorteile“ der AachenMünchener RENTE-PLUS berichten. Tja, sofern mir diese seitens der AachenMünchener oder ihrer DVAG-Strukkis erläutert werden.
Dass das Steuerargument sich als reiner Köder erwies, habe ich bereits dargelegt.
Und dass die Vorteile bitte solche für Brigitte sein sollten. Und nicht Vorteile für die AachenMünchener oder DVAG, das sollte ja eigentlich selbstverständlich sein.
Meine Aufforderung an die Kommentatoren, mir die Vorteile doch zu benennen, blieb bislang ungehört. Wahrscheinlich ist die Liste der Vorteile so lang, dass die Zusammenstellung eben auch viel Zeit benötigt…
3. exakte Daten von Brigitte und ihrem Tarif
Hier stehe ich bei Brigitte im Wort, keine so intimen oder individuellen Daten zu veröffentlichen, dass ein Rückschluss auf ihre Identität möglich wird.
Brigitte mag nämlich gar keine weiteren Hausbesuche mehr. Und bekommt sehr schnell Nasenbluten. Und das braucht sie nach dem ganzen Ärger nun wirklich nicht mehr.
Jedoch hat sie – wie viele andere Geschädigte – um eine Offenlegung der Kostenstruktur und Kostenhöhe bei der AachenMünchener gebeten.
Und wurde geradezu verhöhnt. Sie erinnern sich: „Zur einer Offenlegung unserer detaillierten Berechnungen sind wir nicht verpflichtet.“ O-Ton AachenMünchener
Brigittes Beschwerde bei der BaFin ist (wie viele andere) aktuell anhängig. Wahrscheinlich werden dort gerade neue MitarbeiterInnen eingestellt, um die Bugwelle diesbezüglicher Anfragen abzubauen. Also üben wir uns noch in Geduld.
4. Anlage vor Kosten gegen Anlage nach Kosten
Es bleibt der Vorwurf eines „Äpfel mit Birnen“-Vergleichs. Ich solle doch die konkreten ETFs oder Fonds meiner Alternativanlage benennen, dann werde man schon sehen.
Nämlich, dass die von mir zum Vergleich genutzte Alternativanlage nicht die Fondskosten enthalten würde, also vor Kosten beschrieben sei. Während ja der Endwert von Brigittes „RENTE-MINUS“ nach Kosten berechnet sei.
Hier kann geholfen werden: Gerne liefere ich die exakte Gegenrechnung. Besser wird das für die DVAG-Nörgler freilich nicht.
Brigitte ist zwar nicht damit einverstanden, dass ich die von ihr konkret ausgewählten Fonds benenne (Sie wissen schon: Hausbesuche und Nasenbluten und so).
Aber ich habe einfach einen entsprechenden aktiven Investmentfonds mit vergleichbarem Anlageschwerpunkt und vergleichbarer Wertentwicklung gewählt.
Und stelle somit nun Brigittes RENTE-MINUS gegen einen Fonds, der ebenfalls 5% Ausgabeaufschlag und zusätzlich jährliche Kosten von 1,45% hat. Er heißt DWS Akkumula und steckt in vielen Fondspolicen.
Bitte richtig verstehen: Keineswegs rate ich meinen BlogleserInnen zur Anlage in den DWS Akkumula! Und würde auch selbst diesen teuren aktiven Fonds nicht erwerben! Also bitte nicht nachmachen, Kinder.
Ich habe ihn nur ausgewählt, um einen fairen Vergleich zu haben. Und zu zeigen, welcher Endwert heute zur Verfügung stünde, wenn Brigitte auf all die „Vorteile“ der RENTE-MINUS verzichtet hätte. Und einfach nur stoisch ihre Sparbeiträge in den teuren DWS Akkumula einbezahlt hätte
Zur Bequemlichkeit für die BlogleserInnen hier nochmals der Verlauf der von Brigitte geleisteten Zahlungen.
Ende März 2020 hätte Brigitte trotz Ausgabeaufschlägen und jährlichen Gebühren beim DWS Akkumula immerhin 11.209,20 Euro angesammelt. [1]
Der Corona-Rückschlag ist spürbar, aber vergleichsweise gering. Ende Februar 2020 wären es noch 800 Euro mehr für Brigitte gewesen. Und Ende April schon wieder 1.100 Euro mehr.
Aber bleiben wir beim ungünstigsten Wert vom März 2020, dem Beendigungszeitpunkt von Brigittes Vertrag. Also den 11.209,20 Euro.
Da bleibt die große Lücke von 4.385,13 Euro zu dem von der AachenMünchener bewilligten Ausgleichsanspruch von 6.824,07 Euro nach Brigittes erfolgreichem Widerruf (vgl. Scan der Originalunterlage aus Teil 1)
Die Berechnung wurde übrigens auf Monatsbasis und mit öffentlich zugänglichen Daten des DWS Akkumula erstellt. Sie sollte folglich für jeden nachvollziehbar sein (der rechnen kann).
Zum Verständnis
Die 4.385,13 Euro Differenz sind nun nicht die Kosten des intransparenten AachenMünchener-Vertrages RENTE-PLUS. Diese sind in Wahrheit noch erheblich höher und werden – falls die BaFin, der Europäische Gerichtshof oder wer auch immer nicht intervenieren – von der AachenMünchener mit ins Grab genommen.
Der Betrag stellt also lediglich die Mehrkosten gegenüber der Anlage in einen selbst schon teuren aktiven Investmentfonds dar.
Sie lassen sich, ich wiederhole es ungern, lediglich durch Vertriebs- und Verwaltungskosten bei DVAG und AachenMünchener erklären.
Oder natürlich dadurch, dass im Versicherungsmantel zusätzlich versteckte Kosten oder Kick-backs zu Lasten von Brigitte berechnet werden, die es bei der von mir verwendeten Vergleichsanlage (DWS Akkumula) so nicht gibt.
Es bleibt ein Trauerspiel!
Leider bleiben also die Schlussfolgerungen für Brigitte exakt bestehen.
Sie hat – offenbar durch behauptete steuerliche Vorteile getrieben – einen extrem unvorteilhaften, überteuerten und maximal intransparenten Vertrag unterschrieben.
Und viel Geld verloren.
Die gesamte Kapitalmarktrendite eines sehr schönen Börsenzyklus in dieser Zeit wurde ihr durch diesen Vertrag legal geraubt.
Ausblick
Brigittes Zurückhaltung hinsichtlich einer Veröffentlichung ihrer konkreten individuellen Vertragsdaten kann ich gut verstehen.
Von anderen DVAG-Geschädigten habe ich bereits reichlich Belege für meine Asservatenkammer gesammelt. Ich zögere jedoch noch, diese für künftige Blogbeiträge zu verwenden.
Erstens müssen auch die zunächst hoch motivierten EinsenderInnen erst einmal noch in Ruhe ihre Furcht vor Hausbesuchen und Nasenbluten überdenken.
Zweitens hat dieser Finanzblog ja noch andere spannende Themen.
Drittens wollen wir ja auch nicht zu sehr nur von einem Strukturvertrieb berichten. Sondern unsere Aufmerksamkeit gerecht auf die schlechtesten Produkte und Anbieter im Markt verteilen.
Daher wird der nächste Gastbeitrag die insbesondere von Strukturvertrieben intensiv an junge Menschen verkaufte unselige Produktkombination von BU- und Rürup-Rente zerpflücken.
Ich verspreche Ihnen
Auch das wird eine absolut lesenswerte Beerdigung erster Klasse!
Nun bitte noch diesen Blogbeitrag weiter empfehlen, vor allem – Sie wissen schon – an die, die das unbedingt verstehen (und bleiben lassen) sollten. [2]
Herzliche Grüße
Hartmut Walz
Sei kein LeO!
[1] Da Brigitte eine kostenbewusste Frau ist, bin ich in der Rechnung davon ausgegangen, dass sie die Fonds über einen Fondsvermittler oder eine Direktbank erworben hat, welche ihr ermöglichen, den vollen Ausgabeaufschlag zu sparen (das wäre ja mal bei Gelegenheit einen eigenen Blogbeitrag wert). Müsste sie jedoch den halben Ausgabeaufschlag bezahlen, würde sich das Ergebnis um ca. 300 Euro verringern.
[2] Söldner von DVAG, AachenMünchener, GENERALI usw.
Erschienen am 19. Juni 2020.
Der Hartmut Walz Finanzblog ist unabhängig, kosten- und werbefrei. Ich erhalte für Links und Empfehlungen keinerlei Honorar, Kick-back, Beteiligung o. ä.
Lieber Prof. Walz,
mich würde einmal interessieren, ob im Fall “Brigitte” die BaFin tatsächlich weiterhelfen konnte. Angesichts der jüngsten Erfahrungen mit der Kompetenz dieser Behörde (Stichwort Wirecard) befürchte ich hier wenig Gutes.
Viele Grüße, Martin Schneider
Lieber Martin Schneider, Danke für Ihre Nachfrage!
Ihre Frage kommt viel zu schnell… Der Fall liegt doch noch nicht mal ein Jahr beim BaFin… und da kann man doch noch keine Antwort erwarten. Das verstehen Sie sicher 😉
Sobald es relevante Neuigkeiten gibt, werde ich alle Blogleser gerne informieren.
Herzliche Grüße, Hartmut Walz – Sei kein LeO!
Hallo Herr Prof. Walz,
das stimmt natürlich. Mein Fehler. Ich hatte nicht bedacht, dass die BaFin die letzten Monate viel zu sehr damit beschäftigt war, sich von den Herren Braun und Marsalek einseifen zu lassen und Ermittlungen gegen die “böse” FT und die britisch israelischen shortseller anzustrengen. Wenn es nicht so traurig wäre, man könnte sich fast amüsieren.
Viele Grüße, Martin Schneider