Liste: §34h GewO Honorar-Finanzanlagenberater
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EU-Kleinanlegerstrategie

Unabhängige Beratung im Sinne der Verbraucher
Ungebundene Vermittlung versus unabhängige Beratung im Versicherungsvertrieb: Streit um die EU-Kleinanlegerstrategie vom Mai 2023

Kürzlich war ich als Vize-Präsident von BETTER FINANCE bei der Anhörung im Europäischen Parlament in Straßburg zur EU-Kleinanlegerstrategie (Unterpunkt: Vergütungen und Interessenkonflikte). BETTER FINANCE ist die größte Dachorganisation von unabhängigen Verbraucherverbänden in den EU-Staaten, die auf Finanzdienstleistungen spezialisiert sind.

 

EU-Kleinanlegerstrategie – eine Einleitung

Der Vorschlag der EU-Kommission zur Kleinanlegerstrategie vom Mai dieses Jahres[1] enthielt die Regelung, dass „unabhängige Beratung“ als Konzept auch für den Versicherungsvertrieb eingeführt werden soll.

Dies soll analog zu der bereits bestehenden Bestimmung in MIFID II für den Wertpapierbereich umgesetzt werden.

Diese Änderung hätte zur Folge, dass ein Versicherungsvermittler, der sich als „unabhängig“ bezeichnet, für ein von ihm verkauftes versicherungsbasiertes Anlageprodukt (d.h. Lebensversicherung mit Sparanteil) keine Provisionen erhalten darf – analog zu einem „unabhängigen“ Finanzvermittler für den Verkauf eines Kleinanlegerprodukts (z.B. Anteile eines Investmentfonds).

unabhängige Beratung - EU-Kleinanlegerstrategie - RIS Retail Investment StrategyHearing beim Europäischen Parlament in Straßburg am 17.10.2023 zur EU-Kleinanlegerstrategie (RIS – Retail Investment Strategy).

 

Unabhängige Beratung – Streit um Rechtsgutachten

Interessanterweise ist es nun durch eine Abweichung der offiziellen deutschen Übersetzung des Vorschlags der EU-Kommission zur EU-Kleinanlegerstrategie im Vergleich zum englischsprachigen Text zu einer öffentlichen Diskussion über die Möglichkeit eines impliziten Provisionsverbotes für Versicherungsmakler gekommen.

Hierzu wurden sogar Rechtsgutachten von unterschiedlichen Maklerverbänden eingeholt, worauf kurz eingegangen werden soll.

Stein des Anstoßes ist die deutsche Übersetzung des novellierten Artikels 30 Absatz 5b. Dort heißt es, dass, wenn ein Versicherungsvermittler oder –unternehmen dem Kunden mitteilt, dass seine Beratung „ungebunden“ erfolge, diese auf einer hinreichenden Zahl von auf dem Markt angebotener Versicherungsprodukte beruhen muss und keine Gebühren, Provisionen oder andere monetäre oder nicht-monetäre Vorteile durch eine dritte Partei dafür annehmen darf.

 

EU-Kleinanlegerstrategie  Rechtsgutachten Brömmelmeyer

Der Vermittlerverband BVK hat sich gegenüber dem europäischen Parlament dafür eingesetzt, dass diese Übersetzung korrigiert wird. Es solle statt „ungebunden“ wie in der englischsprachigen Fassung „unabhängig“ – „independent“ heißen.

Der Vermittlerverband BVK stützt sich dabei auf ein neues Rechtsgutachten, erstellt von Prof. Dr. Christoph Brömmelmeyer. Im Kern geht es darum, dass nach dem BGH-Urteil von 1985 ein Versicherungsmakler zwar ein „treuhänderähnlicher Sachwalter“ sein muss, der im Auftrag des Kunden handelt, er dennoch für seine Dienstleistung eine Provision durch den Versicherer erhalten darf.

Mit anderen Worten: ein Versicherungsmakler kann zwar „ungebunden“ gegenüber den Versicherern sein, d.h. er nimmt seine Vertriebstätigkeit nicht im Auftrag eines Versicherers, sondern eines Kunden wahr, ist aber dennoch nicht gänzlich „unabhängig“, da er seine Vergütung (Courtage) vom Versicherer erhält.

Brömmelmeyer hebt die „persönliche“ Unabhängigkeit des Maklers (Berufsbild als Selbständiger und „treuhänderähnlicher Sachwalter“ des Kunden) ab gegenüber der angebotenen Dienstleistung, für die er eine Vergütung erhält.

Es hängt nun von der Art der Vergütung (Honorar oder Courtage) ab, ob der Makler seine Dienstleistung als „unabhängig“ (Honorar) oder „nicht unabhängig“ (Courtage) gegenüber dem Kunden bezeichnen kann.   

 

EU-Kleinanlegerstrategie  Rechtsgutachten Schwintowski

Im Gegensatz dazu argumentiert Prof. Dr. Hans-Peter Schwintowski in seinem Rechtsgutachten, dass Versicherungsmakler – etwa gemäß §59 Abs.3 VVG – „ihrem Status nach auf unabhängiger Basis beraten“, d.h. er macht keine Unterscheidung von „persönlicher“ Unabhängigkeit (Berufsbild) und „nicht-unabhängiger“ Vergütung wie Brömmelmeyer.

Deshalb würde die mögliche Einführung eines partiellen Provisionsverbots für „unabhängige“ Beratung in die IDD[2] gerade die Versicherungsmakler in Deutschland treffen, aber z.B. nicht die gebundenen Versicherungsvertreter, weil diese (als von einem Versicherer „betraute“ Handelsvertreter) per se nicht eine „unabhängige“ Beratung anbieten können.

 

EU-Kleinanlegerstrategie Unsere Meinung

Wir vom BdV halten die letztgenannte Argumentation nicht für sachgerecht. Unter anderem aus dem Grund, dass es als wenig überzeugend erscheint, warum die EU-Kommission mit der vorgeschlagenen IDD-Novellierung ausgerechnet auf die deutschen Versicherungsmakler abzielen sollte.

In dem Erwägungsgrund zum genannten IDD-Artikel heißt u.a. (vgl. Brömmelmeyer-Gutachten, S. 18):

„Angesichts der Vielfalt der Strukturen für den Versicherungsvertrieb in den Mitgliedstaaten sollten Versicherungsvermittler, die nicht bei einem Versicherungs-unternehmen angestellt oder vertraglich an dieses gebunden sind, aber von diesem Unternehmen Anreize erhalten, durch das Verbot nicht daran gehindert werden, sich als Vermittler zu präsentieren, die nicht vertraglich an ein bestimmtes Versicherungsunternehmen gebunden sind.“

Mit anderen Worten: Versicherungsmakler können sich ggf. als ungebundenbezeichnen, aber nicht als unabhängig“, wenn sie eine Courtage vom Versicherer, aber nicht ein Honorar vom Verbraucher bekommen.

Deshalb halten wir Brömmelmeyers Argumentation für sachgerecht. Denn das Regulierungsanliegen des EU-Richtliniengebers ist hinsichtlich der „unabhängigen“ Beratung eindeutig auf die Art der Vergütung (Honorar versus Courtage) ausgerichtet (neben der „hinreichenden Zahl“ von zu berücksichtigenden Vertragsangeboten). Und zwar parallel zur bereits bestehenden Regulierung nach MiFID II für den Wertpapierbereich, worauf auch Brömmelmeyer verweist.

 

Unabhängige Beratung – jüngste Gerichtsurteile

Unterstützt wird diese Sichtweise auch durch neue Gerichtsurteile, auf die der Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. (vzbv) in Berlin jetzt aufmerksam gemacht.

Darin heißt es in einem Fall, dass eine Firma „Versicherungsberatung ohne Vermittlung angeboten“ hatte, „obwohl sie keine Zulassung als Versicherungsberater“ hatte.

Im anderen Fall wurde es einem Finanzberater untersagt, „online mit ‚unabhängiger Beratung‘ zu werben“, wenn er nur „in Einzelfällen anstatt oder neben einer Provision ein Honorar erhält, so das Gericht“.

Dem vzbv kann nur zugestimmt werden, wenn er schlussfolgert: „Damit solche Fälle künftig vermieden werden, fordert der vzbv eine gesetzliche Klarstellung im Wertpapier- und Versicherungsvertrieb, welche Vermittler sich als unabhängig bezeichnen dürfen. Es braucht einen Bezeichnungsschutz – auch bei werblichen Aussagen der Vermittler.“

 

Unterscheidung von „ungebundener“ Vermittlung versus „unabhängiger“ Beratung

Mit diesen Ausführungen sollte deutlich geworden sein, dass die beabsichtigte IDD-Novellierung zur Einführung einer „unabhängigen“ Beratung im Sinne von Honorarberatung für Versicherungen aus Verbraucherperspektive klar unterstützt werden sollte.

Die Unterscheidung von „ungebundener“ Vermittlung versus „unabhängiger“ Beratung im speziellen Fall der Versicherungsmakler steht dem nicht entgegen.

Im Weiteren muss allerdings gefragt werden, ob diese rein juristische Novellierung wirklich ausreichend sein kann, um im Tagesgeschäft die marktwirtschaftliche Position der Versicherungsberater auf Honorarbasis effektiv zu stärken.

 

Bestandsaufnahme: Zahlen des Vermittlerregisters

Wie schwach die Position der Versicherungsberater gegenüber den provisionsgebundenen Vermittlern aktuell ist, lässt sich anhand der Zahlen des Vermittlerregisters der DIHK nachvollziehen:

Im Oktober 2023 auf Basis des DIHK Versicherungsvermittler-Registers:

  • Versicherungsvermittler (gebundene und ungebundene sowie Makler): ca. 183.000
  • Berater: ca. 326

Ergänzend der Vergleich der auf Honorarbasis arbeitenden Finanzberater im Verhältnis zu Finanzvermittlern:

Im Oktober 2023 auf Basis des DIHK Finanzvermittler-Registers:

  • Finanzanlagen-Vermittler: ca. 40.000
  • Honorar-Finanzanlagenberater: ca. 315 [3]

Offensichtlich ist, dass sowohl Versicherungs- als auch Finanzberater auf Honorarbasis nur eine sehr kleine Minderheit im Gegensatz zu provisionsbasierten Vermittlern zumindest in Deutschland darstellen.

Eine wichtige Frage in diesem Kontext ist deshalb: Gibt es dieses starke Ungleichgewicht auch in anderen EU-Mitgliedstaaten? 

 

Fazit

Die in der EU-Kleinanlegerstrategie vom Mai 2023 enthaltene explizite Einführung der „unabhängigen Beratung“ im Versicherungsvertrieb wird von uns nachdrücklich unterstützt.

Die bisherigen unabhängigen „Versicherungsberater“ auf Honorarbasis sind – zumindest in Deutschland – im Marktgeschehen eindeutig unterrepräsentiert und sollten sich gegenüber dem provisionsbasierten Vertrieb eindeutig abheben können.

Falls die jetzt von der EU-Kommission vorgeschlagenen Maßnahmen dafür nicht ausreichend sind, sollte – neben einem schon jetzt anvisierten nicht nur teilweisen, sondern vollständigen Verbot von Provisionen für Versicherungsanlageprodukte – auch eine weitreichende Veränderung der Legaldefinition von „Beratung“ an sich (und nicht nur von „unabhängiger Beratung“) in Betracht gezogen werden.

Übrigens können Sie hier meinen Beitrag zu diesem Thema auf dem Blog des BdV in englischer Sprache lesen: „Advice“ versus „SalesE: ongoing confusion despite EU Retail Investor Package of May 2023.

 

unabhängige Beratung BdV Dr. Christian Gülich Gastbeitrag Profil

 

[1] Hier geht es zur Initiative der EU-Kommission. Diese soll sicherstellen, „dass Verbraucher, die in Kapitalmärkte investieren, dies mit Zuversicht und Vertrauen tun können, dass die Ergebnisse dieser Anlagen verbessert werden und dass die Verbraucher mehr beteiligt werden“.

[2] Richtlinie über den Versicherungsvertrieb (Insurance Distribution Directive – IDD )

[3] Übrigens noch 18 Unternehmen als unabhängige Honorar-Anlageberater mit zusätzlichen Finanzdienstleistungen von der BaFin registriert.

 

Erschienen am 01. Dezember 2023.
Der Hartmut Walz Finanzblog ist unabhängig, kosten- und werbefrei. Ich erhalte für Links und Empfehlungen keinerlei Honorar, Kick-back, Beteiligung o. ä.

8 Gedanken zu „EU-Kleinanlegerstrategie“

  1. Es ist zwar mehr Beratung statt Vertrieb wünschenswert, aber jeder weiß wie schwer es ist mit ausschließlich Beratung ausreichend Einkommen zu erzielen. Man muss nur aufpassen, dass nicht die Versicherer komplett aus der Verantwortung gelassen werden und zwar in allen Belangen. Dann wird jeder Berater eine Vermögensschaden Deckung benötigen die nicht mehr bezahlt werden kann.

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  2. Vielen Dank für diese Erklärung des Unterschiedes unabhängig – ungebunden! Gut, dass sich Menschen mit dieser Differenzierung beschäftigen. Das dient letztlich uns Verbrauchern. Danke!
    Sie schreiben. Eine wichtige Frage in diesem Kontext ist deshalb: Gibt es dieses starke Ungleichgewicht auch in anderen EU-Mitgliedstaaten?
    Gibt es eine Antwort?
    Vielen Dank, Isolde

    Antworten
    • Vielen Dank für die freundliche Rückmeldung! Ich habe zwar keine konkreten Zahlen vorliegen, weiß aber aus Gesprächen mit Kollegen aus anderen EU-Staaten, z.B. Frankreich, dass dort dieses Ungleichgewicht teilweise ähnlich vorhanden ist.

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  3. Hui, fundierte und gute, leider nicht ganz leicht verdauliche Kost. Ob der Norm–Verbraucher den Unterschied zwischen unabhängig und ungebunden wirklich immer versteht, bleibt abzuwarten. Hier scheinen mir einfachere Systeme wirkungsvoller:
    – Zigarettenschachtel–Prinzip: „Provision macht…“ plus Provisionsbetrag zum aktuellen vermittelten Vertrag,
    – Ampelsystem wie bei Lebensmitteln: Wie hoch sind die Verwaltungskosten bei Ihrem Vertrag? – oder etwa
    – Spritpreis-Vergleich – obligatorische Meldung zur Transparenzstelle beim Bundeskartellamt: Hinweis auf dem Vertrag, über welches Portal man diese Versicherung vergleichen kann.
    Sicher sind hier noch einige konzeptionelle, politische und rechtliche Hürden zu überschreiten.

    Antworten
    • Vielen Dank für Ihre Rückmeldung! Ich stimme uneingeschränkt zu. Der Gegensatz zwischen rechtlicher „Ungebundenheit“ und dennoch ökonomischer „Nicht-Unabhängigkeit“ speziell bei den Versicherungsmaklern ist eine Folge der speziellen deutschen Rechtsprechung, die die Dinge leider häufig verkompliziert. Weitere Anregungen für eine bessere Verständlichkeit dieser Sachlage gegenüber dem „durchschnittlich gebildeten Verbraucher“, wie es meistens heißt, sind sehr willkommen.

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  4. Sehr geehrter Herr Dr. Güllich,
    danke für den tollen Gastbeitrag. Besteht hier Hoffnung, dass es diesmal umgesetzt wird? Eventuell noch im 2 Quartal 2024? Auch wäre wünschenswert das die wenigen „echten“ Honorarberater als auch die Verbraucherschützer mehr zusammenarbeiten. Ich habe manchmal den Eindruck, dass Verbraucherschützer daran kein Interesse haben und entgegen den Grundsätzen der sozialen Marktwirtschaft, nur nach Staatslösungen rufen. Würde hingegen die unabhängige Finanzberatung gestärkt werden, dann würden die Verbraucher auch eine bessere Altersversorgung bekommen.
    Herzliche Grüße
    Lothar Eller
    http://www.ellerconsulting.de

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    • Vielen Dank für Ihre positive Rückmeldung! Nein, leider stehen die Chancen auf eine schnelle Umsetzung schlecht. Zum einen wird es die Europa-Wahlen im Juni 2024 geben, zum anderen liegen sehr viele Änderungsanträge im Europäischen Parlament vor, so dass es lange dauern wird, bis der zuständige Wirtschaftsausschuss sich auf einen Kompromiss einigen wird. Erst danach können die sogenannten Trilog-Verhandlungen zwischen EU-Kommission, EU-Parlament und EU-Ministerrat beginnen, die den endgültigen Kompromisstext für die Änderungsvorschläge der betroffenen Richtlinien festzurren werden. Wegen der EU-Wahlen wird auch die EU-Kommission neu gebildet werden, so dass frühestens im Laufe von 2025 mit der Verabschiedung gerechnet werden kann.

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Prof. Dr. Hartmut Walz
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