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Ist Honorarberatung unsozial? – Provisionsberatung schadet Ihrem Vermögen

Ist Honorarberatung unsozial? – Provisionsberatung schadet Ihrem Vermögen
Gastbeitrag von Stefan Heringer, München

Die Finanzlobby hat es mal wieder geschafft! Was man im Herbst 2021 über die Verhandlungen in der neuen Koalition las, hat zunächst Mut gemacht, dass sich die neue Regierung endlich traut, den Unsinn des Provisionsvertriebs einzuschränken oder sogar komplett abzuschaffen.

Leider ist im Koalitionsvertrag davon nichts mehr zu lesen gewesen.

 

Einen wesentlichen Beitrag zum Erhalt des Provisionsvertriebs hat wohl auch eine Studie von KPMG geleistet, in der vor Honorarberatung gewarnt wurde und der vorherrschende Provisionsverkauf für den Großteil der Verbraucher als die sozialere Variante angepriesen wurde. Man muss wohl nicht weiter erwähnen, dass die Studie von der Bankenlobby in Auftrag gegeben wurde. Sie erinnern sich an die „unabhängigen Studien“ in Auftrag von Philipp Morris und anderen großen Tabakkonzernen, dass Rauchen die Gesundheit nicht wesentlich gefährdet?

Die KPMG-Studie ist in mehrfacher Hinsicht manipulativ, fachlich falsch und unglaubwürdig.

 

    1.    Die Studie behauptet, Transparenzgebote seien ein adäquater Ersatz für ein Provisionsverbot.

 

Die Branche verteidigt sich immer wieder damit, dass alle Kosten und auch Kickbacks offengelegt werden müssen und für den Verbraucher damit Transparenz herrscht. Selten so gelacht. Wir haben in den letzten Jahren Hunderte Gespräche mit Mandanten und Interessenten geführt. Wirklich KEIN EINZIGER – egal ob Arzt, Journalistin oder Unternehmensberater ‒ konnte die Gebührenstruktur ihrer bestehenden Basis-Renten, fondsgebundenen Versicherungen oder ähnlicher Produkte auch nur ansatzweise nachvollziehen. Dasselbe galt für die Höhe der Kickbacks bei Beratungsmandaten ‒ egal bei welcher Bank. Hand aufs Herz: Wie oft haben Sie schon einmal Ihre 70‒100 Seiten lange Versicherungspolice von vorne bis hinten durchgelesen? Und empfanden Sie diese als verständlich?

Die heutigen Regelungen schaffen keine Transparenz, sie sind eine juristisch perfekte Dokumentation eines haarsträubenden Unsinns! In Summe läuft es auf eine Enthaftung des Finanzvertriebs hinaus – nicht auf einen Schutz des Kunden.

Wenn Honorarberater in Gesprächen Menschen die Transparenz über ihre bestehenden Verträge aufzeigen, zu der die Produktverkäufer aus Banken und Versicherungsunternehmen eigentlich gesetzlich verpflichtet wären, ist die Reaktion eigentlich immer gleich: „Hätte ich gewusst, wie teuer das ist, hätte ich es niemals abgeschlossen!“, „Wieso hat mir mein ‚Berater‘ das nicht mitgeteilt?“

In der Praxis wird Ihr Berater, der in Wahrheit ein reiner Verkäufer ist, über das Thema Kosten hinwegschwurbeln und sich bei Rückfragen winden wie ein Aal. Eines wird er nicht: Ihnen vollständige Zahlen nennen – weder in Summe noch in Prozent. Und glauben Sie mir: Er selbst weiß auf die Nachkommastelle genau, wie viel er an einem Vertrag verdient, sowohl einmalig als auch an kontinuierlicher Bestandsvergütung.

 

    2.    Die KPMG-Studie behauptet weiter:
Honorarberatung rechnet sich wegen der üblichen Stundensätze von 200,- Euro nur für Reiche und ist daher unsozial.

 

Wir kennen die in Deutschland (leider sehr kleine) Honorarberater-Szene sehr gut, dazu auch zahlreiche Honorarberater aus UK, den Niederlanden oder den USA. Nur ein verschwindend geringer Anteil von ihnen lässt sich auf Stundenbasis bezahlen. Fast alle lassen sich dagegen ihre Dienstleistung prozentual auf den ihnen anvertrauten Anlagebetrag vergüten.

Der Unterschied zu prozentualen Bepreisungen, die auch bei herkömmlichen Banken und Finanzberatern in vielen Bereichen üblich ist?

Der Honorarberater wird ausschließlich von seinem Kunden bezahlt. Die Bank bereichert sich dagegen zusätzlich durch Bestandsprovisionen – Klartext: Schmiergelder – oder arbeitet beim Trading mit Festpreisgeschäften und anderen Tricks in die eigene Tasche. Was wird Ihnen Ihr Pinocchio-Banker empfehlen: einen schlanken ETF oder den tollen hauseigenen Superfonds mit 2,0 % p.a. Managementkosten, von denen die Hälfte zurück an die Bank fließt? Die Folge für Sie: Kosten, Kosten, Interessenkonflikte, Interessenkonflikte.

Selbst wenn wir von dem von der KPMG unterstellten Stundenhonorar von 200,- Euro ausgehen, ist Honorarberatung für den Kunden meist viel günstiger als das Provisionsgeschäft.

Nur ein Beispiel: Eine fondsgebundene Rentenversicherung mit 150,- € Beitragszahlungen monatlich über 35 Jahre bringt Ihrem Finanzvermittler gut 3.000,- € Provision. Liebe KPMG, holt mal den Taschenrechner raus: Vier Beratungsstunden à 200,- € machen nicht mal ein Drittel der Abschlussprovision aus! Und da reden wir noch gar nicht über die horrenden jährlichen Fonds- und Versicherungskosten, die dem Kunden weit größere Schmerzen verursachen.

 

    3.    Die KPMG-Studie verniedlicht den diametralen Interessenkonflikt zwischen herkömmlichen Banken und ihren Kunden.

 

Würden Sie einen Steuerberater mandatieren, der vor allem vom Finanzamt bezahlt wird? Sie lassen sich scheiden und Ihr Anwalt wird von Ihrem zukünftigen Ex-Partner auf die Malediven eingeladen? Bei Rechtsanwälten ist es ein Straftatbestand – Parteiverrat ‒, Geld von der Gegenseite anzunehmen. Im Finanzbereich hat sich diese völlig absurde Praxis über die Zeit so etabliert, dass sie nicht mehr hinterfragt wird.

Die Folge: Ihnen werden in der Regel überteuerte Produkte, meist von der hauseigenen Fondsschmiede, verkauft. Noch schlimmer ist der Interessenkonflikt bei sogenannten unabhängigen Finanzberatern. Hier kommt einfach stets das ins Portfolio oder in den Versicherungsmantel, was die höchsten intransparenten Bestandsvergütungen verspricht.

Was soll der Vorteil an einem toxischen Finanzprodukt sein, nur weil die Beratung dazu angeblich nichts kostet?? So werden Lebensentwürfe finanziell torpediert und Menschen fallen im Alter auf die sozialen Sicherungssysteme zurück. Gratuliere.

Beim Thema Bestandsprovisionen wird die Studie im Übrigen vollends absurd. Die Bestandsvergütungen werden nicht nur verteidigt, sondern sogar als Vorteil für Verbraucher deklariert, die deren Beratungsqualität verbessern. Ihr Produktverkäufer bekommt also hinter Ihrem Rücken Schmiergeld: hat dadurch einen massiven Interessenkonflikt, weil vor allem die Produkte vertrieben werden, die möglichst hohe Kickbacks versprechen. Und das generiert natürlich für Verbraucher einen Mehrwert?! Schließlich sei das ja gesetzlich vorgeschrieben… Also darauf muss man erst mal kommen. Da hat doch nicht schon einer vor der Legalisierung von Cannabis … zzz…

Im Gegensatz dazu ist Honorarberatung eben weit mehr als ein faires Gebührenmodell.

Sie löst den gravierenden Interessenkonflikt zwischen Finanzberater und Mandant auf und macht so objektive Beratung überhaupt möglich. Denn: „Wer zahlt, schafft an.“

 

    4.    These der KPMG-Studie: Ein Provisionsverbot würde zu einer drastischen Reduktion bei den angebotenen Finanzprodukten führen.

 

Richtig! Natürlich! Und: Gott sei Dank! Ein Berater auf Honorarbasis hat ja auch kein Interesse, Ihnen überteuerte Produkte unterzujubeln. Der ganze Giftmüll, der nur dazu dient, die Verkaufsvertriebe der Finanzbranche zu füttern, verschwindet ‒ und das ist auch gut so!

In Summe ist das nicht nur gut für Ihr Vermögen, sondern im besten Fall auch für Ihre Nerven, weil Ihnen nicht laufend der neueste heiße Trend angedreht wird. Im besten Fall erreichen Sie mit einem Honorarberater eine langfristig strategische Ausrichtung Ihrer finanziellen Planung, die dazu führt, dass Sie mehr Lebensqualität gewinnen. Sie werden als Kunde den vorherrschenden hektischen Aktionismus der Provisionsjäger sicher nicht vermissen.

 

Was ist also zu tun? Provisionsverbot und staatliche Aktienrente – jetzt!

 

Anders als die KPMG-Studie suggeriert, wäre es selbstverständlich möglich, Provisionen in der Anlageberatung und bei Versicherungen ohne Schaden für die Verbraucher abzuschaffen. Mit einer sinnvollen Übergangsphase umgesetzt, würde sich in kürzester Zeit die Beratungsqualität gegenüber dem Status quo verbessern. Wenn ich die heutige „Beratungslandschaft“ vor Augen habe, ist eine Verschlechterung ja ohnehin kaum möglich.

Und auch, wenn das unseren Kollegen vom Finanzvertrieb den Blutdruck noch weiter in die Höhe schnellen lässt: Eine schlanke und intelligente Standardlösung für eine kapitalmarktgedeckte Altersvorsorge könnte am einfachsten der Staat selbst organisieren. In Skandinavien geht das ‒ und wir können das auch.

Insofern ist das vorherrschende Provisionssystem schlicht unsozial. Spätestens seit der Finanzkrise 2008 und den weltweiten Verwerfungen sollte das eigentlich jedem klar sein! Eine Branche bereichert sich systematisch auf Kosten der Allgemeinheit, unterstützt von einer Armada aus Lobbyisten. Was wir brauchen, ist ein Provisionsverbot – und zwar jetzt.

 

Impulse zum Thema, in Gelddingen klug zu entscheiden, gelassen zu bleiben und dadurch mehr Lebensqualität zu gewinnen, finden Sie im Buch meines Sozius Nikolaus Braun: Über Geld nachdenken.

Über Geld nachdenken Dr. Nikolaus Braun

 

Wenn Sie ein vom Autor signiertes Exemplar erwerben wollen, schicken Sie uns eine formlose Mail an: nachdenken@neunundvierzig.com

Gerne abonnieren Sie auch den 14-tägig erscheinenden Blog der Neunundvierzig Honorarberatung.

 

Gastbeitrag Stefan Heringer Honorarberatung Kontakt

Erschienen am 18. Februar 2022.

Der Hartmut Walz Finanzblog ist unabhängig, kosten- und werbefrei. Ich erhalte für Links und Empfehlungen keinerlei Honorar, Kick-back, Beteiligung o. ä.

 

18 Gedanken zu „Ist Honorarberatung unsozial? – Provisionsberatung schadet Ihrem Vermögen“

  1. Hallo Herr Hering,
    danke für Ihre Antwort

    ein spannender Fakt, dass Honorarberater auch die ersten Gespräche kostenlos anbieten. Wusste ich so nicht.

    Mit „verkauft, dass eine Altersvorsorge wichtig ist“ meinte ich jetzt weniger, dass es den Menschen nicht bewusst ist. Eher den Punkt, dass ein Mensch auch den Impuls haben muss, loszugehen und sich damit zu beschäftigen. Natürlich sind Honorarberater bei den Kosten für den Kunden im Vorteil. Die Fragen, die sich mir stellen, ist, ob die Honorarberater bei einer aktiven Aquise deutlich erfolgreicher wären, als Versicherungsvermittler und falls nicht, ob das mit der aktuellen Vergütung noch finanziell vertretbar ist. Ich schätze, dass bei der aktuellen Anzahl von Honorarvermittlern eine aktive Aquise nicht notwendig ist und es von daher auch keine Vergleichsmöglichkeit gibt.

    Beste Grüße

    Antworten
  2. Hallo Stefan,

    man sollte auch bedenken, dass ein Vermittler häufig umsonst und kostenlos arbeitet. Gerade in der Neukundenaquise kauft nicht jeder und auch nicht jeder, der wegen einer KFZ in die Filiale rennt kauft auch eine lukrative Altersvorsorge mit. Würde jeder das tun würden sich die aufgerufenen Abschlusskosten auf Niveau einer Honorarberatung bewegen.

    Honorarberater leben aktuell davon, dass irgendjemand dem Kunden schon verkauft hat, dass Altersvorsorge wichtig ist. Ob Honorarberater Neukundenaquise in dem Maßstab, wie es für Deutschland nötig ist, leisten könnten (wenn es genügend gäbe) ist für mich fraglich.

    Beste Grüße

    Antworten
    • Hallo Herr Müller,
      vielen Dank für Ihren Kommentar.
      Aus meiner Kenntnis über den Markt an Honorarberatern in Deutschland kann ich Ihnen versichern, dass auch Honorarberater häufig „umsonst und kostenlos“ arbeiten. Die meisten Kollegen, die wie wir auf Honorarbasis arbeiten, berechnen für das Erst- oder Kennenlerngespräch und meist auch für das Zweitgespräch kein Honorar. Erst bei einer Zusammenarbeit wird ein (dann i.d.R. dauerhaftes) Honorar fällig.
      Und die Höhe der Abschlusskosten ist in meinen Augen auch nicht der entscheidende Faktor. Das Problem ist die völlige Intransparenz bei Provisionsberatungen und deren Produkte.
      Ja, jeder möchte mit seiner (Beratungs-)Dienstleistung – ob Honorar ob Provision – Geld verdienen. Was ich kritisiert habe ist, dass sich die Banken- und Versicherungslobby mit Händen und Füßen gegen diese Transparenz wehren. Und in meinen Augen auch zu Recht, weil sonst Ihr bisheriges Geschäftsmodell gefährdet wäre.
      Und bei allem Respekt: Die Verbraucher sind nicht so „dumm“, dass Ihnen jemand verkaufen muss, dass Altersvorsorge wichtig ist. Um das zu verstehen, braucht man nun wirklich keinen Provisionsverkäufer.
      Weshalb die Neukundenakquise für Honorarberater schwerer sein soll, kann ich auch nicht verstehen. Wenn völlige Transparenz bzgl. der Gebühren vorhanden wäre, bin ich sicher, dass eher alle herkömmlichen Berater ein großes Problem mit Neukundenakquise hätten.

      Mit besten Grüßen

      Antworten
  3. Eine Anekdote aus dem UK, wo ich schon 4 Jahre lebe. Ich habe mal versucht, mir einen „independent financial adviser“ anzuheuern, um mich mal beraten zu lassen. Zuvor habe ich mir https://www.moneysavingexpert.com/savings/best-financial-advisers/ durchgelesen und mir eine der verlinkten Seiten angeschaut. Mit meinen 20k zum anlegen fiel ich bei vielen Beratern aus dem Raster (wegen prozentueller Beteiligung?), dann fand ich einen, der für ein Erstgespräch zusagte. Er fuhr mit einem SUV vor und versuchte mir, aktiv gemanagte Fonds zu verkaufen. Auf meine nachträglichen Anfragen zu ETFs reagierte er nicht mehr.

    Erstaunlich finde ich das niedrige Niveau finanzieller Bildung hier. Mir ist keine Autorität wie Kommer oder Walz bekannt und auch kein Saidi von Finanztip, Finanzfluss, madame money penny, Finanzwesir o. ä. Die Britische Variante von Stiftung Warentest hat keine kohärenten Investitionsvorschläge wie die deutsche (auch nicht die MSE Seite oben). Auch die Brokerlandschaft ist weniger entwickelt als die deutsche. Dafür sind mit SIPP und ISA die Steuermäntel für Altersversorge und Vermögensaufbau unvergleichlich besser. Hm.

    Antworten
    • Sehr geehrter NW,
      danke für Ihren Beitrag. Ich kenne die Markt in UK zu wenig, um das Niveau finanzieller Bildung im Vergleich zu Dt. einschätzen zu können.
      In einem kann ich Ihnen aber Recht geben: Nur weil jemand auf Honorarbasis bezahlt wird, ist das noch keine Garantie für gute Beratung. Die Tatsache, dass versucht wurde, Ihnen aktive Fonds zu verkaufen belegt dies leider.
      Ich finde auch, dass wir in Deutschland eigentlich viele gute unabhängige Experten und Quellen zum Thema finanzielle Bildung haben.
      Die Menschen müssten nur verstärkt die entsprechenden Quellen nutzen, um sich weiterzubilden.
      Ich finde es immer wieder bemerkenswert, dass man sich tage- oder wochenlang mit dem Kauf eines neuen Autos beschäftigt, Prospekte wälzt und zu mehreren Autohäusern pilgert, bis man sich für ein geeignetes Gefährt entschieden hat. Um beim Thema der finanziellen Weichenstellung für das eigene Leben geht man zum erstbesten … und schließt irgendeinen Vertrag ab, ohne auch nur ansatzweise zu verstehen was man tut.
      MfG
      Stefan Heringer

      Antworten
      • Sehr geehrter Herr Heringer,
        Finanzthemen haben in mir lange Zeit Unbehagen und Verdrängung ausgelöst und ich hoffte, dass die Finanzproduktverkäufer nicht so schlecht sind wie ich immer hörte. Insofern wundert es mich wenig, es ist fast wie Platos Höhle 😉

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  4. Das Positionspapier der KPMG unterstellt m.E. über weite Strecken eine grundsätzliche Unfähigkeit weiter Bevölkerungsteile in Sachen Geldanlage wie auch unzureichend monetärer Mittel und begründet damit auch im Wesentlichen die Notwendigkeit der provisionsorientierten Vergütungsstruktur. Je nach wirtschaftlicher Interessenlage eine mehr oder weniger steile These mit den – am Ende der Nahrungskette – bekannten, negativen Folgen.
    Jeder Verkäufer / Berater vertritt eben seine monetären Interessen, was auch grundsätzlich völlig legitim ist, denn die wenigstens dürften verständlicherweise aus rein altruistischen Motiven unterwegs sein.

    Was für mich im Zuge einer ganzheitlichen Diskussion auch wichtig ist:
    Das Papier greift im Kapitel 4.3.2 u.a. die Punkte „Über- und Unterberatung“ sowie „Mangelnde Kostentransparenz“ bei der Honorarberatung auf. Ich finde es an dieser Stelle berechtigt auch diese Punkte mit in die Gesamtbetrachtung mit einfließen zu lassen, denn je Vergütungsmodell / Konstellation können auch hier m.E. durchaus Interessenskonflikte entstehen.
    Grundsätzlich würde es meiner Meinung nach Sinn machen den Beruf des Honorarberaters in eine ähnliche Rechtsform wie z.B. die eines Steuerberaters oder Rechtsanwaltes zu bringen, um die durchaus sinnvolle Tätigkeit weiter zu etablieren und einheitliche Standards zu schaffen.

    Die staatliche Aktienrente werden wir meiner Meinung nach auch in dieser Legislaturperiode wieder nicht sehen – zu groß sind die lobbygetragenen Widerstände am bestehenden System festzuhalten. Die oft so viel gescholtene Anschubfinanzierung der Aktienrente, könnte man meiner Meinung nach wunderbar aus der konsequenten Rückforderung des CumEx Schadens leisten.

    Freundliche Grüße
    Philipp Hansert

    Antworten
    • Lieber Herr Hansert,
      viele Dank für Ihren Beitrag.
      Ich bin was die Aktienrente angeht deutlich optimistischer als Sie und bin davon überzeugt, dass in dieser Legislaturperiode die Weichen für diesen sinnvollen und wichtigen Baustein gelegt werden und erste Investitionen getätigt werden.
      Ich kann nur hoffen, dass sich die Politik NICHT von der Finanzlobby bei der Gestaltung „unterstützen“ lässt, sondern dies völlig unabhängig von der Finanzindustrie in die Wege leitet und nicht verwässert. Eine Investition aus dem Rückfluss durch Cum-Ex wäre auf jeden Fall eine klasse Idee :-)! Mal schauen…
      Den Beruf des Honorarberaters weiterzuentwickeln halte ich ebenso wie Sie für sinnvoll.
      Und Sie haben Recht: je nach Vergütungsmodell kann es auch bei Honorarberatern Interessenskonflikte geben, bsp. bei Gewinnbeteiligungen, die wir sehr kritisch sehen. Aber die Tatsache, dass jemand ausschließlich auf Honorarbasis vergütet wird, ist die Grundvorraussetzung für dessen Unabhängigkeit.
      Beim Provisionssystem ist der Interessenkonflikt praktisch systemimmanent.
      MfG
      Stefan Heringer

      Antworten
  5. Selten sowas polemisches gelesen…warum gibt sich bei dem Thema niemand die Mühe, mal alle Fakten sauber und ohne lächerliche rhetorische Übertreibungen aufzubereiten?
    Zum Beispiel beim Argument „teuer/unsozial/benachteiligt nicht so wohlhabende“: Klar, 4 mal 200€ (oder eine ähnliche Summe auf prozentualer Basis) sind als Gesamtkosten deutlich weniger als 3.000 verstecke Euro. Aber wenn eine Person nicht bereit (oder in der Lage!) ist, diese 800€ einmalig zu bezahlen und stattdessen also gar nicht für’s Alter vorsorgt oder gegen elementare Risiken versichert ist – wem ist dann wirklich geholfen? Genau das beobachtet man auch in UK. Die Menschen nehmen jetzt einfach weniger Beratung wahr als früher. Schaut man es sich demographisch an, bestätigt sich genau die Befürchtung, dass besonders nicht so wohlhabende jetzt weniger Beratung wahrnehmen. Finde ich persönlich kein gutes Ergebnis.
    Für viele Menschen ist es schlicht nicht möglich, die hohen Gebühren der Honorarberater auf einen Schlag zu zahlen. Die müssten dann schon Ratenzahlung anbieten, das wäre doch mal ein neues Geschäftsmodell 😉

    Antworten
    • Liebe Susanne,
      danke für Ihren Kommentar. Es wird Sie nicht verwundern, dass ich nicht Ihrer Meinung bin. Wenn jemand in der Lage ist 3.000 € versteckte Kosten über die Laufzeit zu bezahlen, warum sollte er / sie dann nicht in der Lage sein einmalig 800 € für eine unabhängige Beratung zu bezahlen – gerne auch gegen Ratenzahlung (was tatsächlich eine ziemlich gute Idee ist; wenn jemand lieber 8 x 100 € zahlt, warum nicht). Das grundsätzliche Problem ist in meinen Augen, dass den Kunden schlicht nicht bewusst ist, dass Sie 3.000 € Provision bezahlen! Wenn Sie dies wüssten – Stichwort Transparenz – würden Sie selbstverständlich auch eher bereit sein 800 € offen zu bezahlen.
      Und wenn ich offen sein darf und jetzt bin ich absolut nicht polemisch: Bei den meisten Vorsorgeprodukten, die wir in den letzten Jahren analysiert haben, wäre es tatsächlich besser gewesen, die Kunden hätten gar nichts gemacht und einfach Ihr Erspartes auf ein Tagesgeld-Konto gepackt und damit vorgesorgt. Verträge die nach 15 Jahren Laufzeit immer noch nominal im Minus sind, sind leider keine Seltenheit. Und vor zehn Jahren war das Zinsniveau noch deutlich höher als heute.
      Und ich finde es auch nicht schlimm, wenn Menschen weniger Beratung in Anspruch nehmen als vorher wie in UK. Wenn die „Beratung“ reiner Produktvertrieb ist, dann ist die Frage, wo der Mehrwert für die Menschen liegt? Wie geschrieben halte ich die Qualität der Beratung in Dt. für – vorsichtig formuliert – ausbaufähig. Es bleibt Ihnen frei dies anders sehen.
      MfG
      Stefan Heringer

      Antworten
      • Hallo Herr Heringer,
        es liegt wohl in der Natur ihres Jobs, dass Sie eher mit wohlhabenden Kunden zu tun haben. Für den Großteil der Deutschen ist es schlicht nicht möglich, solche Summen als Einmalgebühr aufzubringen.
        Zitat aus einer Studie der Hans Boeckler Stiftung: „Rund zwei Drittel haben netto kein oder nur ein geringes Geld- oder Sachvermögen. 27 Prozent aller Erwachsenen besitzen netto gar nichts, oder sie haben unter dem Strich sogar Schulden.“
        Zudem soll ja auch noch Geld übrig bleiben, dass dann monatlich für’s Alter gespart wird. Die durchschnittliche Aktiensparrate beträgt derzeit ca. 180€. Da muss ich also erstmal ein halbes Jahr sparen, bis ich mir eine Honorarberatung leisten kann. Das kann es natürlich wert sein (immerhin geht es ja um die eigene Zukunft!). Aber leider sehen das die wenigsten Menschen so. Da werden die angesparten 800€ lieber für einen Urlaub oder neuen Fernseher ausgegeben.
        Altersvorsorgeverträge haben, genauso wie Hypotheken, eine stark disziplinierende Wirkung. Die Spardisziplin steigt bzw. kommt überhaupt erst durch die Unterschrift des Vertrags zustande. Für die Sondertilgung wird auch mal auf den Urlaub verzichtet oder kleiner geplant. Hätte man diese Verpflichtung nicht, würde das Geld einfach „wegkonsumiert“. Ich bin wirklich kein Fan von Eigenheimen als Investition, aber man kann nicht leugnen, dass diese Menschen häufig erst dazu bringen, überhaupt vorzusorgen. Ich wünschte auch, es wäre anders, aber man kann nicht die Augen vor der Realität verschließen, nur weil man es gerne anders hätte. Also ist die Frage nicht: Versicherung oder aktiver Fonds mit Ausgabeaufschlag & Bestandsgebühr oder Tagesgeld (die richtige Antwort wäre ETF), sondern überhaupt sparen oder ist das Geld sonst weg?

        Antworten
        • Hallo Susanne,
          ich gebe Ihnen Recht. Der größte Vorteil bei Altersvorsorgeverträgen ist – analog einer Baufinanzierung – der disziplinierende Effekt. Wenn die Verträge aber so gestaltet sind, wie das was überwiegend vertrieben wird, ist das leider auch schon der einzige Vorteil!
          Ich denke schon die meisten Menschen sind in der Lage zu erkennen, dass eine finanzielle Vorsorge sinnvoll und wichtig ist und zu einem gewissen Konsumverzicht bereit sind – 180 € monatlich ist doch eine angemessene Sparrate. Wenn jemand nichts sparen kann ist die Frage Honorarberater, Versicherung oder Aktiver Fonds ohnehin obsolet.
          Und ich schätze auch, dass Menschen, die vorsorgen können in der Lage sind einen einmal eingerichteten ETF-Sparplan längere Zeit durchzuhalten. Das Problem ist doch vielmehr, dass die meisten Provisionsberater niemals einen ETF-Sparplan empfehlen, weil Sie schlicht daran zu wenig verdienen. Die These, dass Menschen die keine überteuerten Altersvorsorgeverträge abschliessen, alles verkonsumieren und alternativ überhaupt nicht sparen, finde ich sehr gewagt.
          Gruß
          Stefan Heringer

          Antworten
  6. Lieber Herr Heringer,

    vielen Dank für Ihren Beitrag! Es wurde Zeit, dass die KPMG-Studie mal öffentlich kritisch beleuchtet wird und ich kann Ihnen in den aufgeführten Punkten nur Recht geben.

    Bei einem Punkt bin ich allerdings andere Meinung oder interpretiere Ihre Argumentation vielleicht falsch. Sie schreiben, dass die meisten Honorarberater sich mit einer prozentualen Gebühr auf das angelegte Vermögen vergüten lassen und so wie ich dies interpretiere, sich somit jeder Bürger eine Honorarberatung leisten kann. Interpretiere ich das richtig? Mir ist allerdings kein Honorarberater bekannt, welcher einen Kunden mit bspw. dem Wunsch einer mtl. Anlage von 50 € beraten und betreuen würde, wenn er nur eine Vergütung auf das angelegte Vermögen von bspw. 1% p.a. erhalten würde. Unter anderem arbeiten deshalb ja einige Honorarberater mit Mindestanlagesummen von bspw. +50.000 €. Da auch ein Honorarberater Rechnungen bezahlen und leben muss, ist das natürlich auch verständlich.

    Das bedeutet dann natürlich nicht, dass so ein Kunde dann einfach einen überteuerten Provisionsvertrag abschließen sollte. Sondern das der Kunde in diesem Fall seine Finanzen selbst in die Hand nehmen muss. Mit den Büchern von Herrn Walz oder anderen unabhängigen Informationsquellen ist dies ja sehr gut möglich.

    Dennoch nehme ich es so wahr, dass viele Honorarberater sich auf „vermögende Privatanleger“ fokussieren und dies auch nach außen kommunizieren. Dies kann natürlich dazu führen, dass der durchschnittliche Bürger das Vorurteil hat, dass Honorarberatung nur etwas für Reiche sei.

    Antworten
    • Lieber Herr Kronauer,
      danke für Ihren Beitrag.
      Das Vorurteil, dass Honorarberatung nur etwas für Reiche sei, liegt in meinen Augen schlicht daran, dass die Menschen keinerlei Transparenz über die tatsächlichen Kosten des Provisionsverkauf haben. Wenn alle Kosten offen gelegt werden müssten (und nicht auf Seite 75 im Kleingedruckten), wären auch deutlich mehr Menschen bereit für Beratung zu bezahlen. Dies wollte ich mit dem Beispiel der 3.000 € für die Versicherung deutlich machen. Da relativieren sich die Beratungshonorare sehr schnell.
      Und wenn mehr Menschen bereit wären für Beratung zu bezahlen, würde sich auch ein größerer Markt dafür bilden. Die Nachfrage bestimmt in unserem Wirtschaftssystem nunmal das Angebot.
      Momentan ist es tatsächlich so, wie Sie geschrieben haben. Die meisten Honorarberater haben sich zwangsläufig auf vermögende Anleger spezialisiert, weil man mit Einzelberatungen mangels Masse schlicht monetär nicht überleben kann.
      Ich bin der festen Überzeugung, dass sich dies ändern würde, sobald Provisionen abgeschafft werden und der Markt sich in kürzester Zeit darauf einstellen und das entsprechende Angebot liefern würde.
      Bei einer Beratung zu einem Sparplan von monatlich 50 € wäre im Übrigen in meinen Augen eine Einmalberatung auf Stundenbasis der deutlich sinnvollere Weg.
      MfG
      Stefan Heringer

      Antworten
  7. Wenn wundert es?
    KPMG hat unzählige Mandate bei Versicherungsgesellschaften. Sofern nicht als Auditor und Buchprüfer, dann eben Fachberatungsmandate. Die Tätigkeitsfelder haben ein breites Spektrum.
    Ob der Bundesregierung dieser Interessenkonflikt ersichtlich war 😉
    Schließlich ist der Bund selbst ein gern gesehener langjähriger Kunde
    140 Mio. Auftragsvolumen in 2020.
    Die Big Four unterscheiden sich da alle nicht.

    Antworten
    • Danke für Ihren Kommentar.
      Sie haben natürlich Recht, es ist leider nicht verwunderlich. Es zeigt wieder einmal wie stark die Finanzlobby und wie schwer der Kampf für verbraucherfreundliche Finanz-Beratung ist. Der Weg ist noch lange…

      Antworten
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Prof. Dr. Hartmut Walz
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