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Stimmrechtsausübung durch Aktionäre

Von wegen grenzenlos – Hohe Schranken für die Aktionärsbeteiligung!
Die Umsetzung der 2. Aktionärsrechte-Richtlinie (SRDII)

Das große „G“ (Governance) in ESG, steht nicht von ungefähr ganz oben auf der Agenda der politischen Entscheidungsträger in der Europäischen Union. Im Rahmen der europäischen Kapitalmarktunion aus Brüssel nehmen die Aktionärsrechte einen breiten Raum ein.

Leider bisweilen mit eher mäßigem Erfolg, wenn es darum geht die grenzüberschreitenden Rechte innerhalb der Gemeinschaft auch wirklich und konsequent einheitlich partizipatorisch auszugestalten.

Ein negatives Paradebeispiel ist die Ausübung des Stimmrechts durch die Aktionäre. Hier geht es insbesondere um das Recht, an Hauptversammlungen börsennotierter Unternehmen im europäischen Ausland, also grenzüberschreitend teilzunehmen und/oder dort seine Stimme abzugeben

 

Aktionärsbeteiligung – Katastrophale Studienergebnisse

Seit 2001 hat sich der Anteil der ausländischen EU-Aktionäre an den börsennotierten Aktiengesellschaften in der EU von 42% auf 47% gesteigert. Die internationalen Aktionäre aus anderen EU-Staaten spielen damit eine immer wichtigere Rolle.

Aktionärsbeteiligung Anteil ausländischer EU-AktionäreGrafik: Anteil ausländischer EU-Aktionäre

 

Wollen Sie ihre Rechte als Aktionäre, allen voran das Stimmrecht wirklich wahrnehmen, um Ihr „Engagement“ zu zeigen, dann muss sichergestellt sein, dass Sie Ihre Rechte einfach und kostengünstig wahrnehmen können.

Aber die BetterFinance-Studie[1] zeigt: genau das Gegenteil ist der Fall. Mit der seit September 2020 in Kraft getretenen zweiten Aktionärsrechterichtlinie und ihrer Durchführungsverordnung wollte der EU-Gesetzgeber zwar bestehende Schranken bei der Beteiligung von Aktionären abbauen.

  • So sollte die Ausübung des Stimmrechts unter anderem durch die verbesserte Übermittlung von Informationen an die Aktionäre erleichtert werden – im digitalen Zeitalter eigentlich eine leichte Übung, sollte man meinen.
  • Zudem sollten die neuen europäischen Regeln dafür sorgen, den Weg für ein stärkeres Engagement der Aktionäre zu ebnen.

 

In 2022 haben BETTER FINANCE und die DSW untersucht, ob alle Beteiligten auf der Seite der Intermediäre, also der Banken, wirklich bereit für diese neuen Regeln sind. Der Schwerpunkt lag auf der Frage, ob Aktionäre ihre Stimm- und Teilnahmerechte auf Hauptversammlungen europaweit ausüben können und ob sich die Ausübung der Aktionärsrechte im Vergleich zu 2021 verbessert hat.

Um es kurz zu machen: Die Ergebnisse unserer Untersuchung sind katastrophal. In den meisten Fällen konnten Aktionäre ihre wesentlichen Rechte auf Hauptversammlungen im europäischen Ausland weder vollständig noch teilweise ausüben.

Antworten auf die Frage: Haben Sie einen Stimmzettel erhalten?:

Aktionärsbeteiligung Haben Sie einen Stimmzettel erhaltenGrafik: Haben Sie einen Stimmzettel erhalten?

 

Worin liegen die Gründe für das katastrophale Ergebnis?

So zeigt das Ergebnis der BetterFinance-Studie vor allem im Vergleich zu 2021, dass die Kosten der Aktionäre  für die Ausübung der Stimmrechte erheblich angestiegen sind. Während die Ausübung des Stimmrechtes auf nationaler Ebene in der Regel für den Aktionär kostenfrei ist, stellt sich dies grenzüberschreitend komplett anders dar.

Inzwischen scheinen einige Banken diese Dienstleistung als neues Geschäftsmodell entdeckt zu haben. Nur so ist es zu erklären, dass die Gebühren auch im Vergleich zum Vorjahr teilweise massiv angestiegen sind und bis zu 250 Euro pro Stimmkarte erreichen.

Kosten pro Hauptversammlungs-Teilnahme in 2021 und 2022:

Aktionärsbeteiligung Kosten pro Hauptversammlungs-Teilnahme in 2021 und 2022Grafik: Kosten pro Hauptversammlungs-Teilnahme in 2021 und 2022

 

Antworten auf die Frage: Welche Kosten wurden erhoben?:

Aktionärsbeteiligung Welche Kosten wurden erhobenGrafik: Welche Kosten wurden erhoben?

 

Aktionärsrechte in der EU: Eile mit Weile?

Und auch mit der Eile scheint es auf EU-Seite so eine Sache. Die Einführung von ISO 20022 wurde auf November 2023 verschoben.

Damit fehlt weiterhin ein einheitliches Nachrichtenformat innerhalb der Bankenkette für die Übermittlung hauptversammlungsbezogener Informationen. Hierdurch bleibt deren Verarbeitung bei den Banken für mindestens eine weitere Hauptversammlungssaison fehleranfällig.

Und das hat fatale Folgen: Wir müssen konstatieren, dass die Notwendigkeit, den grenzüberschreitenden Abstimmungsprozess für Aktionäre in der gesamten EU einfacher, effektiver und effizienter zu gestalten mitnichten abgenommen hat.

Je einfacher und kostengünstiger Aktionäre auf den Hauptversammlungen ihrer Unternehmen abstimmen können, desto mehr werden sie ihr Stimmrecht auch im Ausland ausüben und so an der nachhaltigen Ausrichtung europäischer Unternehmen mitwirken können.

Vor dem Hintergrund des Green Deals sehen wir die dringende Notwendigkeit, den Prozess zur Einbindung des Aktionärs deutlich zu verbessern, indem wir Folgendes vorschlagen:

  • Sicherstellung, dass Aktionäre bei der grenzüberschreitenden Stimmrechtsausübung nicht weiter durch höhere Gebühren benachteiligt werden;
  • Transparenterer Kostenausweis durch die Depotbanken vor der Hauptversammlung;
  • Abschaffung von allen Hindernissen, die dem „Engagement“ der Aktionäre im Wege stehen;
  • Bewältigung von Problemen, die sich aus komplexen, fragmentierten und veralteten Prozessketten ergeben;
  • Vereinheitlichung der angeforderten Informationen, z.B. durch die Einführung eines EU-weit einheitlichen Stimmformulars;
  • Beschränkung der angeforderten Informationen auf das Nötigste;
  • Harmonisierung des sog. Record Dates (Stichtag für die Teilnahme an der Hauptversammlung);
  • unverzügliche Einführung einer EU-weiten Definition des Begriffs „Aktionär“.

 

Im 21. Jahrhundert ist es an der Zeit, dass in Europa neue Technologien wie Blockchain/DLT eingesetzt werden, um eine direkte Kommunikation zwischen Emittenten und Aktionären zu ermöglichen und zu fördern.

Zudem soll es den europäischen Bürger/innen ermöglicht werden, ihr Stimmrecht (entweder selbst oder durch Erteilung einer Vollmacht – etwa an unabhängige Aktionärsvereinigungen) als Miteigentümer von EU-Unternehmen direkt auf ihrem Smartphone auszuüben.

 

Wir laden Investoren ein, Ihre Erfahrungen und Anregungen mit uns unter www.dsw-info.de zu teilen.

Jella Benner-Heinacher DWS Profil Autor Gastbeitrag Aktionärsrechte

 

[1] Die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz e.V. (DSW) ist Gründungsmitglied von BetterFinance, der größten Dachorganisation unabhängiger Anleger- und Verbraucherverbände in Europa, die auf Finanzdienstleistungen spezialisiert sind. Durch die Mitgliedschaft bei BetterFinance werden die Interessen von rund 5 Millionen Anlegern und Verbrauchern in Europa vertreten (https://www.dsw-info.de/ueber-uns/partner/ ).

 

Erschienen am 05. Mai 2023.

Der Hartmut Walz Finanzblog ist unabhängig, kosten- und werbefrei. Ich erhalte für Links und Empfehlungen keinerlei Honorar, Kick-back, Beteiligung o. ä.

 

9 Gedanken zu „Stimmrechtsausübung durch Aktionäre“

  1. Schön, dass DSW hier zu Wort kommt. Danke für die Erläuterungen. Folgendes ist mir am Wochenende untergekommen: „Gleich 30 deutsche Unternehmen halten ihre Hauptversammlung am selben Tag ab. Da drängt sich ein Verdacht auf…“ Für eine Aktionärsbeteiligung wird es da ja schwierig, oder? Und selbst eine hybride HV ist da doch keine Lösung, oder?
    Wie sehen Sie das? Ist DSW da dran?

    Antworten
    • Liebe Valentina, das ist in der Tat ein Thema, mit dem wir uns intensiv beschäftigen. Für uns bleibt die Präsenz HV nicht nur ein ganz wichtiger Teil der deutschen Aktienkultur, wir haben auch mit dem Störungsmelder auf unserer Website eine Anlaufstelle geschaffen, auf der alle Interessierten ihre Erfahrungen mit der virtuellen HV mitteilen können. Die Entzerrung des Kalenders ist natürlich ebenso wichtig, um überhaupt in einen strukturierten Dialog treten zu können – und zwar mit allen börsennotierten Unternehmen. Deshalb kommunizieren und diskutieren wir natürlich auch dazu intensiv mit den Gesellschaften.

      Antworten
  2. Vielen Dank für den Beitrag. Ob Sie noch einen Hniweis, am besten Weblink geben können, wo man die von Ihnen angesprochene „zweiten Aktionärsrechterichtlinie und ihrer Durchführungsverordnung“ findet. Auch dafür vielen Dank im Voraus.
    Peter

    Antworten
  3. Sehr geehrte Frau Benner-Heinacher,

    für Ihren hochgradig spannenden Informationsbeitrag möchte ich Ihnen meine Anerkennung aussprechen.

    Sie argumentieren sehr gut und nachvollziehbar aus der Sicht des Direktanlegers. Das kann ich alles bestens nachvollziehen.

    Aufgrund der zunehmenden Verwendung von Anlagevehikeln – insbesondere aktiven Fonds und indextrackenden ETFs kommt es jedoch zu einer stark anwachsenden Anzahl von „vagabundierenden“ Stimmrechten. Dazu nehmen Sie keinerlei Stellung.

    Wie sehen Sie die daraus entstehende Problematik einer Verantwortungslücke? Dürfen sich Ihrer Meinung nach die Kleinanleger mit den Beteuerungen der Fondsgesellschaften bzw. Vermögensverwalter hinsichtlich „Stewardship“ und „Engagement“ beruhigen lassen oder eher nicht?

    Vielen herzlichen Dank für Ihren wertvollen Einsatz und Ihre Mühe
    Thomas M.

    Antworten
    • Zunächst ganz herzlichen Dank für Ihre Anerkennung, das freut mich sehr.
      Sie haben völlig recht mit Ihrem Hinweis.
      Da immer mehr Investoren in ETF anlegen, steigt die „Macht“ der institutionellen Investoren wie Blackrock und Vanguard.
      Als DSW vertreten wir nicht nur Aktionäre, sondern auch andere Anleger. Wir sind daher ein starker Befürworter von aktivem Shareholder Engagement und erwarten von Blackrock und anderen, dass sie sich dieser besonderen Verantwortung auch bewusst sind und diese „Verantwortungslücke“ gar nicht erst entsteht.
      Aus unserer Sicht gehört hierzu, dass diese Fonds transparent und zeitnah gegenüber dem Fondsableger offenlegen, in welchem Umfang, auf welcher Aktionärsversammlung, sie den jeweiligen Tagesordnungspunkten abgestimmt haben.
      Vor diesem Hintergrund unterstützen wir auch Initiativen wie „Voting Choice“ von Blackrock, die Fondsanlegern die Ausübung der Stimmrechte ermöglichen. Aktuell ist dies allerdings nur für Großanleger möglich. Wir plädieren jedoch dafür, dieses Modell auch auf alle Privatanleger weltweit auszuweiten. Das wäre dann ein wichtiger Schritt in Richtung auf mehr Aktionärsdemokratie.

      Antworten
    • Guten Tag Herr M.,
      bitte bedenken Sie, dass es Kleinleger gibt, die ihr Stimmrecht ohnehin nicht wahrnehmen wollen.
      Ich besitze Wertpapiere um die gesetzliche Rente aufzubessern (das Riester und Rürup dazu nicht taugen ist ja zur Genüge bekannt).
      Ich möchte teilhaben an der wirtschaftlichen Entwicklung breiter Aktienmärkte.
      Ich bin nicht daran interessiert mitzubestimmen, wer bei einem taiwanesischem Halbleiterhersteller oder einem Düsseldorfer Waschmittelproduzenten im Vorstand sitzt. Ich traue mir da auch keinen bedeutenden Beitrag zu. Bestenfalls am Würstchenstand könnte ich Erstaunliches leisten.
      Daher denke ich, dass ein ETF für mich goldrichtig ist.
      Gruß
      H.

      Antworten
  4. Sehr geehrte Frau Benner-Heinacher,

    vielen Dank für Ihren interessanten Beitrag. Mich würde interessieren, wie Sie vor dem Hintergrund der Aktionärsbeteiligung den immer stärker werdenden Trend zu passivem Investieren durch ETFs sehen, womit (Klein-)Anleger ihr Stimmrecht bereits quo Produkt aus der Hand geben.

    Viele Grüße,
    Heinz

    Antworten
    • Guten Tag Heinz,
      Gilt das nicht auch für „normale“ Publikumsfonds?
      Als ich noch stolzer Besitzer des UniGlobal war hat mich auch niemand zur Mercedes Hauptversammlung eingeladen.
      Ich sehe da keinen Unterschied zum ETF.
      FG
      H.

      Antworten
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Prof. Dr. Hartmut Walz
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