Gastbeitrag von RA Patrick Lau, Freiburg
Ausstieg aus Rürup-Verträgen
Rückabwicklung nach Widerruf als Möglichkeit
Basis-Rentenversicherungsverträge (sogenannte Rürup-Renten) sind intransparent, teuer und unflexibel. Viele wollen daher raus aus ihrem Rürup-Vertrag. Viele Wege gibt es da nicht. Die nahezu einzige Möglichkeit ist der Widerruf[1] des Vertrages.
Das haben wir allein in den letzten Monaten mehrfach bewiesen – mehrere, auch höchstrichterliche Urteile zugunsten der Versicherungsnehmer haben wir erstritten:
- BGH bestätigt Fehlerhaftigkeit der Widerrufsbelehrung und Fortbestand des Widerrufsrechts bei einer Generali Rürup-Rente (Aachen Münchener Lebensversicherung) nach Widerruf (BGH-Urteil vom 24.01.2024 – IV ZR 306/22)
- BGH bestätigt Rückabwicklung einer Allianz-Rürup-Rente nach Widerruf (BGH-Urteil vom 11.10.2023 – IV ZR 41/22)
- OLG Köln, Urteil vom 12.05.2023: Widerruf einer Basisrente der HDI-Lebensversicherung
- Widerspruch nicht nur bei fehlerhafter Widerspruchsbelehrung möglich: erfolgreicher Widerspruch und Rückabwicklung auch bei unvollständigen Verbraucherinformationen (OLG Karlsruhe verurteilt Nürnberger Lebensversicherung)
- OLG Köln, Beschluss vom 30.09.2022: fortbestehendes Widerspruchsrecht bei unvollständigen Verbraucherinformationen
Eine solche Auflistung ließe sich noch um viele weitere Fälle ergänzen.
Zuerst: Warum ein Ausstieg aus dem Rürup-Vertrag sinnvoll sein kann
Rürup-Rente (Basisrente) – Unterschiede zur „normalen“ Rentenversicherung:
- Kurz zusammengefasst: Im Unterschied zu „herkömmlichen“ Lebens- und Rentenversicherungen sind Ansprüche aus Rürup-Verträgen nicht vererblich, nicht übertragbar, nicht beleihbar, nicht veräußerbar und nicht kapitalisierbar (§ 10 Abs.1 Nr. 2b EStG).
- Das Argument „Steuersparen“ in der Beitragsphase wird durch die Versteuerung der Rentenbezüge stark relativiert. Es findet keine Steuervermeidung („Steuersparen“) sondern lediglich eine zeitliche Steuerverschiebung statt!
- Es gibt keinen Rückkaufswert wie bei einer „normalen“ Rentenversicherung. Das in einen Rürup-Vertrag einbezahlte Kapital ist nicht mehr verfügbar – genauso, wie wenn es in die staatliche Rentenversicherung einbezahlt worden wäre. Dies gilt auch für Notsituationen (Arbeitslosigkeit, schwere Krankheit u.a.). Rürup-Verträge können nur beitragsfrei gestellt werden. Es gibt auch kein Kapitalwahlrecht bei Rentenbeginn.
Für weiterführende Informationen zur Struktur der Rürup-Rente (die hier nur kurz umrissen werden kann) verweise ich auf den Blogbeitrag von Jürgen Schäflein (mit sehr lesenswerter Anmerkung von Gabriel Hopmeier vom 01.12.2017).
Rürup-Versicherungsnehmer kommen nicht an ihr Geld
Einmal abgeschlossen, kommt man nicht mehr an sein Geld heran. Rürup ist ein sehr unflexibles und dazu noch teures Instrument der Altersvorsorge. Doch was tun?
Die allein mögliche Beitragsfreistellung erscheint auch nicht attraktiv, denn dann laufen der Vertrag und damit die Kosten weiter. Die Kosten können sogar bis zum Renteneintritt u.U. die Rente (bzw. das Kapital) aufzehren. Am Ende bleibt dann noch nicht einmal eine Rente.
So kommen Sie wieder an Ihr Geld!
Widerruf als Mittel zum Ausstieg aus Rürup-Verträgen
Welche Verträge kommen in Betracht?
- Vom Grundsatz her sind alle Rürup-Verträge potentiell rückabwickelbar (mit wenigen Ausnahmen).
- Jede Vertragsgestaltung für Renten- und Lebensversicherungsverträge kommt in Betracht. Egal, ob steuerlich gefördert (Riester oder Rürup) oder mit Zusatzversicherungen (BUZ) versehen.
- Die Rückabwicklung geht grundsätzlich immer. Das Widerrufsrecht besteht im Regelfall „ewig“.
- Die Rückabwicklung kann auch für Verträge erfolgen, die bereits seit langem gekündigt oder beitragsfrei gestellt sind, oder vor langer Zeit schon abgeschlossen wurden.
Was kommt für den Versicherungsnehmer dabei heraus?
- Rürup-Verträge können auf diesem Weg überhaupt erst beendet („gekündigt“) und aufgelöst werden. Der Rürup-Sparer gewinnt neue Liquidität und neue Anlagemöglichkeiten für sich.
- Im Rahmen der Rückabwicklung (die in Einzelheiten in den verschiedenen Gesetzesphasen unterschiedlich geregelt ist) kann dem Grunde nach zusätzlich zum „Rückkaufswert“ vom Versicherungsunternehmen die Rückzahlung der Abschluss- und Vertriebskosten sowie – je nach Konstellation auch – der Verwaltungskosten verlangt werden. Regelmäßig müssen Teile dieser Kosten von dem Versicherungsunternehmen verzinst werden (sog. „Nutzungs[wert]ersatz“).
- Beispiel: Unsere Mandantin hat vor dem Oberlandesgericht Karlsruhe bei Rückabwicklung einer fondsgebundenen Rürup-Rente der Nürnberger folgendes Ergebnis erzielt: Die Fondsanteile waren bei Widerruf 3.464,85 EUR wert. Zusätzlich erhielt sie die Abschluss- und Verwaltungskosten sowie Nutzungszinsen darauf in Höhe von 2.155,90 EUR, ein Plus von über 60% vor Steuern (OLG Karlsruhe, Urteil vom 28.06.2019, Az. 12 U 134/17, VuR 9/2019, Seite 342 ff.)[2]
Aber fallen dann nicht die „Steuervorteile“ weg?
- Die Auflösung des Rürup-Vertrages führt nach herrschender Meinung zum Verlust der steuerlichen Förderung der gezahlten Beiträge. Der Versicherungsnehmer muss damit rechnen, dass er die ersparte Einkommenssteuer auf die geleisteten Beiträge nachentrichten muss, eventuell auch mit der im Steuerrecht geltenden Verzinsung von 0,5% pro Monat, also 6% pro Jahr, rückwirkend ab jeweiliger Fälligkeit der Steuerschuld. Entscheidungen der Finanzgerichte sind uns hierzu nicht bekannt. Sicherheitshalber sollte damit gerechnet werden, dass diese Rückabwicklungsfolge eintritt. Aber ist das ein gravierender Nachteil?
- Vor dem Hintergrund, dass bei Rürup die Renten als Einkommen zu versteuern sind, relativiert sich dieser Nachteil. Die Auszahlungen aus der Rürup-Rente sind grundsätzlich ohnehin nie steuerfrei.
- Der Nutzungsersatz, den das Versicherungsunternehmen im Rahmen der Rückabwicklung leisten muss, unterfällt unseres Erachtens beim Versicherungsnehmer der Kapitalertragsteuer.
Warum geht der Widerruf noch heute?
Stark vereinfachend kann die juristisch im Einzelfall komplexe Materie auf folgendes Grundgerüst reduziert werden: Die Widerrufsfrist beginnt erst dann zu laufen, wenn
– die Policen-Bedingungen übergeben,
– die Verbraucherinformationen vollständig und in vorgeschriebener Form erteilt und
– der Versicherungsnehmer bei Aushändigung des Versicherungsscheins in drucktechnisch deutlicher Form sowie inhaltlich ordnungsgemäß über das Widerrufsrecht belehrt wurde.
Diese gesetzlichen Regelungen müssen streng von den Versicherungsunternehmen beachtet werden, weil die „Erteilung lediglich von Teilinformationen dem Sinn und Zweck der zweiten und dritten europäischen Richtlinie Lebensversicherung und dem Schutz der Versicherungsnehmer nicht gerecht“ werde, so der Bundesgerichtshof (BGH, Urt. v. 23.9.2015, Az. IV ZR 179/14).
An diesen Anforderungen an die Richtigkeit und Vollständigkeit
der Belehrungsinhalte und der Pflichtinformationen
sind in der Vergangenheit sehr viele Versicherungsunternehmen
gescheitert.
Meine dringende Empfehlung: Einzelfallprüfung durch Anwalt!
In diesem Beitrag können nur die groben Grundzüge des rechtlich komplexen Themas aufgezeigt werden. Unsere Kanzlei empfiehlt immer, den Einzelfall genau anwaltlich prüfen zu lassen.
So können im Einzelfall z.B. die Unpfändbarkeit und damit Insolvenzfestigkeit des Vertragsguthabens oder eine Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung gegen eine Auflösung sprechen. Auch können Einzelfallumstände einem auf den ersten Blick noch möglichen Widerruf ausnahmsweise entgegenstehen und dessen Wirksamkeit verhindern.
Mayer & Mayer Rechtsanwälte
Mayer & Mayer Rechtsanwälte bieten für 80 Euro zzgl. Mehrwertsteuer eine erste Einschätzung der Erfolgsaussichten eines Widerrufs für alle Lebens- und Rentenversicherungsverträge, einschließlich der staatlich geförderten Rürup- und Riester-Renten an.
Anwaltskooperation Verein für Verbraucherrechte e.V.
Die Anwältinnen und Anwälte des Vereins für Verbraucherrechte e.V. sind Spezialisten im Bank- und Kapitalmarktrecht, die auf Seiten der Verbraucher stehen, Ihre kompetenten Ansprechpartner , wenn es um Ihre Probleme mit Geldanlagen, Banken oder Versicherungen geht.
Der Verein für Verbraucherrechte e.V. ist ein Zusammenschluss von mittelständischen Anwaltskanzleien, der den Verbraucherzentralen nahe steht und sich der Stärkung der Rechte von Verbrauchern, insb. Bankkunden und Kapitalanlegern verschrieben hat.
[1] Widerruf und Widerspruch können sicher synonym verwendet werden. Seit der Reform des VVG 2008 spricht das Gesetz nur noch vom „Widerrufsrecht des Versicherungsnehmers“.
[2] Zum vorgestellten Urteil: „Unsere“ Rürup Entscheidung des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 28. Juni 2019, Az. 12 U 134/17 (Vorinstanz Landgericht Karlsruhe), veröffentlicht in der VuR 9/2019, Seite 342 ff., erstritten und für die VuR bearbeitet durch RA Patrick Lau, Mayer & Mayer Rechtsanwälte, Freiburg.
Erschienen am 06. Dezember 2019. Aktualisiert am 09. Februar 2024.
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Moin moin
aus dem Norden
Darf ich mal vorsichtig eine Frage in den Raum stellen : meine Basis Vorsorge Allianz Abschluss 10/2007 bereits länger beitragsfrei gestellt. Gelingt der Widerruf auch ohne anwaltliche Hilfe da es nur um einen eher geringen Beitragswert ü 5.000 ginge ?
Liebe Gabi, eine qualifizierte Antwort traue ich mir als Nichtjurist nicht zu. Bitte bedenken Sie jedoch, dass Versicherer einen von einer Privatperson formulierten Widerspruch wahrscheinlich nicht ernst nehmen – und mit einer 0815-Ablehnung darauf reagieren werden. Vielleicht ist Ihnen mit einer kostengünstigen Erstauskunft durch eine Verbraucherzentrale oder einen Fachanwalt besser geholfen…
Herzliche Grüße, Hartmut Walz – Sei kein LeO!
Gibt es auch schon Verträge der Hannoverschen Leben, die aufgelöst beziehungsweise rück abgewickelt werden mussten? Ich habe da seit 2007 pro Jahr immer zwischen 20 und 30.000 € eingezahlt (Fonds Police). Im Laufe der letzten Jahre hat der Versicherer aber deutlich den Rentenfaktor reduziert. Dazu gibt es ja auch schon Rechtsprechung.
Lieber Elmar Sittner, zu konkreten Rückabwicklungen der Hannoverschen Leben liegen mir keine Informationen vor.
Herzliche Grüße, Hartmut Walz – Sei kein LeO!
Gratulation zu diesem tollen Urteil! Wir haben auch sehr positive Erfahrungen mit der Rückabwicklung von Basisrenten gemacht. Es gibt inzwischen Rechtsprechung zur steuerlichen Behandlung, zum Beispiel dieses Urteil des Finanzgerichts, das ich sehr positiv finde. https://www.justiz.nrw.de/nrwe/fgs/duesseldorf/j2021/1_K_292_19_E_Urteil_20210611.html
Danke, lieber Achim Teske. Was sagt das Urteil des Finanzgericht Düsseldorf – ganz kurz zusammengefasst?
Herzliche Grüße, Hartmut Walz – Sei kein LeO!
Kurze Zusammenfassung (keine Steuerberatung): Es wurde eine Basisrente rückabgewickelt. Es kam zum Streit, ob bzw. welche Steuervorteile rückerstattet werden müssen. Die Versicherungskundin wollte alle Steuervorteile behalten. Das Finanzamt wollte die Steuervorteile der vergangenen 4 Jahre zurück (Stichwort: Festsetzungsverjährung). Das Finanzamt hat gewonnen. Die Kundin durfte also „nur“ die Steuervorteile der ersten Jahre der Vertragslaufzeit behalten. Falls sich diese Rechtsprechung durchsetzt, wäre es, denke ich, sehr vorteilhaft für „Altverträge“, die schon lange laufen. Die Kunden dürften dann ev. einen großen Teil der Steuervorteile behalten. So weit ich weiß gibt es aber noch kein höchstrichterliches Urteil.
Lieber Achim Teske, ah… interessant! Vielen Dank!
Herzliche Grüße, Hartmut Walz – Sei kein LeO!
Hallo Herr Teske,
vielen Dank für Ihre wertvolle Zusammenfassung des Urteils des Finanzgerichtes Düsseldorf.
Da ich innerhalb meiner Familie die Rückabwicklung einer in 2007 abgeschlossenen Basisrente begleite, habe ich mich mit der Festsetzungsverjährung näher auseinander gesetzt. Die Entscheidung, dass die Steuererstattungen innerhalb der 4-jährigen Festsetzungsfrist zurückgefordert wurden, kann ich insoweit nachvollziehen.
Für mich stellt sich allerdings die Frage, warum das Finanzamt nicht spitzfindig genug war, den § 175 Abs. 1 Satz 2 der Abgabenordnung anzuwenden. Demnach beginnt die Festsetzungsfrist im Falle eines rückwirkenden Ereignisses mit steuerlicher Wirkung für die Vergangenheit (was meines Erachtens die Rückabwicklung darstellt) erst mit Ablauf des Jahres, in welchem das Ereignis eintritt. Das würde die Möglichkeit eröffnen, sämtliche Steuererstattungen seit Beginn der Beitragszahlung zur Basisrente zurückzufordern (und dem Betroffenen einen ganzen Karton voller Bescheide zuzusenden😁).
Sehen Sie auch ein gewisses Risiko, dass andere Finanzämter bzw. Finanzgerichte eine solche Entscheidung treffen könnten? Leider habe ich bei meiner Recherche keine relevanten Informationen dazu gefunden.
Ich bin recht zuversichtlich, dass die Rückabwicklung in unserem Fall erfolgreich sein wird. Mir geht es in erster Linie darum, ob rein prophylaktisch eine (nicht unerhebliche) Rücklage für das Finanzamt gebildet werden sollte.
Herzliche Grüße
Martin Neubert
Hallo Herr Neubert, ob sich die Rechtsprechung des FG Düsseldorf durchsetzen wird, ist leider noch nicht klar. Meine (anekdotische, nicht empirische) Erfahrung ist, dass die weit überwiegende Mehrheit von Richtern und Finanzbeamten keine Unmenschen sind und niemandem etwas Böses wollen. Einen Rentenversicherung ist grundsätzlich ein Vertrag der in gutem Glauben zur Altersvorsorge abgeschlossen wurde. Nach vielen Jahren (die Basisrente gibt es seit 2005) stellt sich heraus, dass der Vertrag ein finanzielles Desaster ist (das ist sehr oft der Fall). Der Kunde hat Glück und der Vertrag kann rückabgewickelt werden. Das ist hilfreich, allerdings hat der Kunde viele Jahre bei der Vorsorge verloren und fängt nach der Rückabwicklung neu an. Die Richter und Finanzbeamten verstehen das, wenn es gut vorgetragen wird. In der Praxis habe ich noch keinen Fall erlebt, wo sämtliche Steuerbescheide geöffnet worden sind. Das ist aber natürlich keine Garantie. Für diese Eventualität eine Rücklage zu bilden, halte ich für eine gute Idee.
Sehr geehrter Herr Walz.
Ich besitze eine Rürup Rente abgeschlossen im Jahr 2005. In diesem Vertrag steht das Rücktrittsrecht sowie die Widerrufsbelehrung jeweils mit einem Kästchen davor. Das Rücktrittsrecht ist angekreuzt, das Widerrufsrecht nicht. Reicht dies ihrer Meinung nach als Bestand zur erfolgreichen Rückabwicklung?
Mal abgesehen davon, das ich wirklich nicht über die Widerrufsmöglichkeit aufgeklärt worden bin.
Freundlichste Grüße
Liebe Janine, danke für Ihre Frage, die ja sehr individuell ist. Eine juristische Bewertung des Sachverhalts ist hier nicht möglich, da ich keine Rechtsberatung vornehme.
Zur kompetenten und rechtsverbindlichen Beantwortung Ihrer Frage empfehle ich stattdessen, sich entweder mit einem auf Widerspruchsverfahren spezialisierten Anwalt (Sie finden z.B. welche in diesem Finanzblog) oder aber mit einem Versicherungsberater (schauen Sie hierfür vielleicht mal auf die Seite des BVVB = Bundesverband der Versicherungsberater) in Verbindung zu setzen.
Dort erhalten Sie wahrscheinlich im Erstkontakt schon mal eine kostenlose Orientierung und – falls erfolgsversprechend – weitere professionelle Hilfe, die ich hier nicht geben kann und darf 😉
Viel Erfolg und herzliche Grüße, Hartmut Walz – Sei kein LeO!
Guten Tag,
ich habe einen Rürup Vertrag aus 2007 – die Widerrufsbelehrung (Helvetia) wurde geprüft (von mehreren Anwälten) und als in Ordnung, bzw. nicht fehlerhaft, eingestuft.
Somit bleibt mir wohl nur der Weg, den Vermittler zu verklagen. Jedoch ist diese Option (da >10 Jahre) verjährt.
Jetzt habe ich von einem Fall gelesen, dass der Versicherte nach 12 Jahren versucht hat, seine Versicherungssummer auszuzahlen und erst DANN gemerkt hat, dass dies nicht möglich ist. Das Gericht hat entschieden, dass in diesem Fall die Verjährungsfrist erst mit Beginn dieses Vorfalls startete und er konnte erfolgreich klagen.
Wie sieht es mit dieser Möglichkeit aus? Ist das realistisch?
Liebe/r G. R., danke für Ihren Kommentar. Zu dem ich nur leider nichts beitragen kann, als ihn hier freizuschalten. Vielleicht erhalten Sie von einer anderen Seite eine Information dazu.
In jedem Falle alles Gute für Sie!
Herzliche Grüße, Hartmut Walz – Sei kein LeO!
Ich melde mich nochmal weil ich gerade ein gutes Beispiel habe, warum Rürup keine gute Idee ist.
Kunde ist schwer erkrankt und wartet auf ein Spenderherz. Er hat insgesamt 3 Rürup-Verträge (warum auch immer? Provisionsmaximierung!) aus den Jahren 2006 und 2009 mit einer eingezahlten Summe von über 20.000 EUR. Widerruf wurde geprüft, keine Chance. Falschberatung hätte wahrscheinlich geklappt, nur sind die 10 Jahre schon rum. Leider für das Jahr 2009 einen Monat zu spät.
Im Moment fehlt das Geld an allen Ecken und Enden und er hat keine Möglichkeit, an seine eingezahlten Beiträge zu gelangen. Daher bitte mein Appell an Alle. Rürup lohnt sich nicht, selbst in einem Nettotarif nicht, die Nachteile überwiegen. Wer noch keine hat gut so, wer bereits eine hat bitte Widerruf oder Falschberatung prüfen.
Lieber Schaaf, was für ein eindringliches Beispiel! Vielen Dank und alles alles Gute.
Herzliche Grüße, Hartmut Walz – Sei kein LeO!
Ich habe nach zweijähriger Klage meinen Ausstieg aus der Rürup Rente geschafft und alle eingezahlten Beiträge zurückgezahlt bekommen. Was jetzt mit den Steuerersparnissen passiert, bleibt abzuwarten. So richtig weiß anscheinend keiner wie damit umzugehen ist. Weder Steuerberater noch Finanzamt.
Ich kann nur wirklich jedem Raten, der einen Rürup Vertrag abgeschlossen hat, diesen von einem Anwalt überprüfen zulassen, gerade wenn er über einen Strukturvertrieb abgeschlossen wurde. Bei mir stimmten z.B. auch die Versicherungsunterlagen nicht mit dem abgeschlossenen Vertrag überein.
Lieber Erfolgreicher Aussteiger 😉
ganz herzlichen Dank für diese Info zu Ihren Erfahrungen. Die sind nützlich und wertvoll. Und wenn irgendwann einmal jemand Erfahrungen mit der steuerlichen Behandlung hat, dann auch gerne hier notieren.
Inhaltlich kann ich da ansonsten wenig beitragen. Nochmals herzlichen Dank!
Herzliche Grüße, Hartmut Walz – Sei kein LeO!
Hallo Herr Walz,
da Sie ja auch just über mein Urteil gestolpert waren, berichte ich Ihnen gerne, sobald es Neuigkeiten bezüglich der Steuerersparnisse gibt. 🙂
Bis dahin verbleibe ich mit freundlichen Grüßen und bin kein LeO mehr!
Lieber Erfolgreicher Aussteiger, solches „Zusammenfinden“ von Entwicklungen, Ereignissen und den Menschen dahinter finde ich immer sehr spannend. Und sie zaubern mir ein Lächeln ins Gesicht. Toll, wenn wir diese Informationen als Nachtrag für die BlogleserInnen zur Verfügung stellen können… Alles Gute Ihnen!
Herzliche Grüße, Hartmut Walz – Sei kein LeO!
Sehr geehrter Herr Walz,
Hier mal ein kleines Update zu meinem erfolgreichen Rürup Ausstieg.
Nach sorgfältiger Prüfung meiner Steuerunterlagen der letzten Jahre durch meinen Steuerberater, in denen ich in meinen damaligen rürup eingezahlt hatte, ist jetzt klar, dass mein ehemaliger rürup nie geltend gemacht wurde.
Es hat sich also alles zum guten für mich gewendet. Ich hoffe, dass noch viele weitere diesen Schritt gehen und Schadensersatzansprüche geltend machen.
Nach reichlicher Investition in finanzielle Bildung in den letzten drei Jahren, unter anderen in einfach genial entscheiden in Geld und finanzfragen, denke ich, dass ich auf einem guten Weg bin. Mittlerweile bin ich aus allen Verträgen von der Dubiosen Vertriebs Ag raus und bin kein Leo mehr.
Bleiben Sie Gesund.
Lieber Erfolgreicher Aussteiger, mit dieser Entwicklung machen Sie also Ihrem Namen alle Ehre 😉
Vielen Dank für das Update!
Herzliche Grüße, Hartmut Walz – Sei kein LeO!
Sehr geehrter Herr Mayer, wieder einmal hat Herr Professor Walz eine hervorragende Auswahl getroffen!
Auch ich halte die Rürup-Rente für misslungen, in den meisten Fällen unrentabel und intransparent. Nichtsdestotrotz bewertet das IVFP (Institut für Vorsorge und Finanzplanung) die Rürup-Rente als lukrative Altersvorsorge. Zahlreiche Tarife sind dort „Excellent“ ausgezeichnet. Ein Schelm wer Böses dabei denkt, nicht wahr, Herr Walz;-)
Bei dem Punkt Widerruf für Abschlüsse ab 2008 muss ich aber nochmals nachhaken. Meines Wissens geht der „normale“ Widerruf nur bei Verträgen nach dem Policen-Modell, die Kunden zwischen 29.07.1994 und 31.12.2007 abgeschlossen haben. Und selbst da gibt es Gesellschaften, wo man keine Chance hat, weil der Versicherer alles dokumentiert hat und auch keine fehlerhafte Belehrung hatte. Für Abschlüsse ab 2008 gab es nur noch Antrags- und Invitatio-Modell.
Viel interessanter allerdings finde ich den Schadensersatzanspruch wegen Falschberatung, weil der dürfte bei >90 % aller Fälle von Erfolg gekrönt sein. Neben den bereits erwähnten Urteilen OLG Celle vom 02.10.2019 und OLG Köln vom 26.07.2019 sei noch OLG Saarbrücken vom 26.02.2014 sowie OLG Stuttgart aus 2007 erwähnt.
Gerade bei Verträgen aus der Ausschließlichkeit oder bei Strukturvertrieben wurde die Beratungsdokumentation eher schlampig bearbeitet, aber auch Makler haben seltenst alle Nachteile in der Dokumentation aufgeführt. Denn es müssen alle Nachteile angegeben werden:
– Bei einer Kündigung wird die Rürup-Rente nicht ausgezahlt. Sie wird nur beitragsfrei gestellt werden. Da zum Renteneintrittsalter nur eine Rentenzahlung geleistet wird, ist der Rückkaufswert beziehungsweise das Kapitalwahlrecht ausgeschlossen.
– Die Rürup-Rente ist nicht vererbbar. Ehepartner und kindergeldberechtigte Kinder erhalten im Todesfall des Versicherungsnehmers eine Hinterbliebenenrente. Dadurch sind Fallkonstellationen möglich, auf derer es passieren kann, dass das angesparte Kapital mit dem Tod des Versicherungsnehmers ersatzlos beim Versicherer verbleibt und nicht weitervererbt werden kann.
– Die Rürup-Rente kann nicht übertragen, nicht veräußert oder beliehen werden. Dadurch ist der Versicherungsnehmer bis zu seinem Tod an den Versicherer gebunden. Da ein Verkauf oder eine Abtretung ausgeschlossen ist, kann die Versicherung, zum Beispiel bei einer Finanzierung einer Immobilie nicht als Sicherungsmittel eingesetzt werden.
– Die Abschluss- und Verwaltungskosten des Versicherungsvertrages schmälern die Rendite der Versicherungsnehmer und der Ertrag kann auch rückläufig sein. Pro 10.000 Euro Vertragsguthaben wird oftmals eine monatliche Rente von lediglich 20 bis 30 Euro gezahlt.
Die 3-Jahresfrist kann der Kunde auch dahingehend gut umgehen, in dem er z.B. wie beim Fall OLG Köln eine Kündigung mit der Bitte um Auszahlung des RKW an den Versicherer schickt und die Antwort abwartet. In dem Fall hat der Kunde dann erst bei Antwort des Versicherers Kenntnis von der Unkündbarkeit seines Rürup-Vertrages und die 3-Jahresfrist beginnt erst dann an zu laufen. Nur die 10-Jahresfrist gilt dann.
In dem Fall wären die meisten Rürup-Verträge mit Beginn ab 2010 wegen Falschberatung anfechtbar.
Viele Grüße
Stefan Schaaf
Lieber Herr Mayer, just heute bin ich über ein Urteil des OLG Celle (vom 02.10.2019 Az.: 8 U 26/19) gestolpert: erfolgreiche Klage auf Schadensersatz eines Versicherten gegen den Vermittler wegen fehlender Aufklärung bei Rürup-Vertrag. Der Kunde wurde vom Versicherungsvertreter nicht darüber aufgeklärt, dass die Rürup-Rente nicht vorzeitig auszahlbar und nicht beliebig vererbbar ist.
Mir sind sehr viele Fälle in meinem persönlichen Umfeld bekannt, in denen über die obigen Punkte auch nicht aufgeklärt wurde. Insbesondere Strukturvertriebe nutzen offenbar die falsche Vorstellung der Kunden aus, dass Rürup-Verträge beliebig vererbar seien. Und erwecken – offenbar aus Eigeninteresse – den Eindruck, dass es ein Produkt ähnlich einer privaten Lebens- oder Rentenversicherung, nur eben kombiniert mit „Steuervorteilen“ sei. Und damit ködern sie leider erfolgreich LeOs.
Vielen Dank für Ihr Engagement und herzliche Grüße, Hartmut Walz
Sehr geehrter Herr Prof. Walz, vielen Dank für diesen Beitrag aber viel mehr noch für Ihren Blog überhaupt, Ihre Video Seminare und Podiumsdiskussionen und noch mehr für Ihr „Einfach genial“ Buch, das ich seit Tagen regelrecht auffresse. Ich bin seit 30 Jahren verdammter LeO und mir ist durch Eintragung aller meiner Daten in Excel, das mir meine Söhne beigebracht haben, erstmals die Erleuchtung gekommen, das da was nicht stimmt; es war vorher nur so ein Gefühl. Über viele andere Autoren, besonders Prof. Martin Weber, bin ich jetzt bei Ihnen gelandet und da bin ich genau richtig. – Jetzt zu Ihrem Kommentar: Es wurde also der Vermittler (der FPV) verklagt, nicht die Gesellschaft, was ich schade finde. Es kommt noch hinzu, dass, wie auch in meinem Fall, der FPV ein guter Freund ist, gegen den man ungerne klagen würde, weil auch der, wie schon im Prolog Ihres Buches zu lesen, auch eine zum Großteil unwissende Marionette des Systems ist. Wie schätzen Sie denn die Möglichkeiten einer Rückabwicklung des Vertrages ein. (Ich schreibe mal mit Pseudonym, weiss ja nicht, wer hier alles reinschaut) Viele Grüße AB
Lieber Herr Professor Walz,
vielen Dank für Ihre wichtige Anmerkung. In der Tat ist es auch möglich, einen „Ausstieg“ aus der Rürup-Rente über die Geltendmachung eines Schadenersatzanspruches wegen fehlerhafter Aufklärung und Beratung beim Abschluss zu erreichen. Die von Ihnen angesprochenen (auch negativen) Eigenschaften der Rürup-Rente sind natürlich in der Beratung und Aufklärung zum Produkt anzusprechen. Im Einzelnen hier die Rechtslage und die Fallstricke für die Geltendmachung von Schadensersatz darzustellen, würde wahrscheinlich den Umfang eines weiteren Blog-Beitrages annehmen. Deshalb in aller Kürze: Der Schadensersatzanspruch führt zu einer Rückerstattung der geleisteten Beiträge (negatives Interesse). Als Anspruchsgegner kommen der Versicherungsmakler und die Versicherungsgesellschaft infrage.
Die zentrale Problematik besteht dabei darin, dass Schadensersatzansprüche schon innerhalb von drei Jahren ab Ende des Jahres, in dem der Geschädigte von „Schaden und Schädiger“ Kenntnis hat – oder grob fahrlässige Unkenntnis – verjähren. Ohne diese Kenntnis verjähren Schadensersatzansprüche innerhalb von zehn Jahren ab Abschluss des Vertrages taggenau (§§ 195, 199 Abs. 1, 3 BGB). Die Verjährung kann also prinzipiell schon im Jahr des Abschlusses des Vertrages beginnen und drei Jahre später zum Jahresende enden. Die kenntnisabhängige „Verjährungshürde“ ist ein großes Problem und führt zu Unwägbarkeiten in der Beurteilung der Erfolgsaussichten, auch wenn der Nachweis der Kenntnis dem Anspruchsgegner obliegt. Es sollte also immer zuerst der Inhalt des Beratungsprotokolls genau analysiert werden. Die sehr kurzen Verjährungsfristen des deutschen BGB sind im Übrigen meines Wissens die kürzesten in ganz Europa – so sind z. B. in der Schweiz oder Österreich die Verjährungsfristen deutlich länger.
Vor der Schuldrechtsmodernisierung im BGB mit Beginn 2002 betrug die Verjährung solcher Ansprüche auch bei uns 30 Jahre!!! Bis heute hat sich der Gesetzgeber keine Gedanken darüber gemacht, dass durch diese Regelung die effektive Durchsetzung des Verbraucherschutzes im Bereich von Beratungs- und Aufklärungspflichten nahezu abgeschafft wurde. Denn welcher Kunde merkt schon in den ersten 3 Jahren nach Abschluss, dass etwas mit seiner Beratung nicht stimmte? Dies betrifft natürlich nicht nur die Versicherungsberatung, sondern jede Art von Kapitalanlageberatung.
Der von mir skizzierte Weg über den Widerruf ist dagegen grundsätzlich ohne zeitliche Einschränkung möglich und einfacher („smarter“) durchzusetzen, weil die Versicherungsgesellschaften die erforderlichen Informationen in Textform dem Kunden zur Verfügung stellen müssen.
Mit herzlichen Grüßen
Ihr Andreas Mayer
Zitat: „Vor der Schuldrechtsmodernisierung im BGB mit Beginn 2002 betrug die Verjährung solcher Ansprüche auch bei uns 30 Jahre!!! Bis heute hat sich der Gesetzgeber keine Gedanken darüber gemacht, dass durch diese Regelung die effektive Durchsetzung des Verbraucherschutzes im Bereich von Beratungs- und Aufklärungspflichten nahezu abgeschafft wurde.“
Das sich der Gestzgeber KEINE Gedanken darüber gemacht hat, stimmt sicher nicht. Ein großer Beamtenapparat auf Bundes- und Länderebene hat sich darüber Gedanken gemacht. Unzählige Banken- und Versicherungslobbygruppen haben sich dazu Gedanken gemacht. NGOs und Verbraucherschutzorganisationen haben sich dazu Gedanken gemacht. Das Gesetz ging durch Fachausschüsse, in denen alle diese Gruppen zur freien Meinungsäußerung für und gegen die Kürzung kamen. Dann hat die Bundesregierung, geführt von Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) und unterstützt von Joska Fischer (DIE GRÜNEN), ganz bewusst gegen die Interessen weiter Bevölkerungsschichten entschieden. Im Vermittlungsauschuss zwischen Bund- und Ländern hat sich auf Länderebene auch niemand daran gestört.
Übrigens: Bundeskanzler Gerhard Schröder war es auch, dem von einem anderen Hannoveraner – dem Gründer des Versicherungsvertrieblers AWD Carsten Maschmeyer – seine Meomoiren für EUR 2 mio, abgekauft wurden.
Sehr geehrter Herr Mayer, danke für Ihren Beitrag. Bislang war ich der Meinung, dass sich nur Verträge bis 2007 für einen Widerruf eignen und bisher wurden auch nur Lebensversicherungen, aber keine Rürup Rentenversicherungen erwähnt. Sind also auch Rürup Verträge nach 2007 rückabwickelbar?
Ich danke Ihnen im voraus für Ihre Antwort. MfG Jens Martienssen
Sehr geehrter Herr Martienssen,
ja, Rürup-Rentenversicherungen sind auch nach Abschlussdatum 2007, also unter Geltung des neuen VVG 2008 abgeschlossen, grundsätzlich widerruflich. Dabei ist natürlich zu beachten, dass für die ab 2008 abgeschlossenen Verträge noch nicht so viel Rechtsprechung veröffentlicht ist wie für die davor geltende Rechtslage.
Mit freundlichen Grüßen
Andreas Mayer
Sehr geehrter Herr Mayer,
besten Dank für diesen wichtigen Beitrag. Erwähnt werden sollte, dass Betroffene sich möglichst schnell um eine Rückabwicklung ihrer Verträge kümmern sollten. So wie die Bundesregierung die Rückabwicklung fehlerhafter Darlehensverträge zugunsten der Boni der deutschen Bankvorstände und -aktionäre und gegen das Altersvorsorgeinteresse breiter Bevölkerungsteile unterbunden hat, wird sie mit Sicherheit auch die Altersvorsorge deutscher Versicherungsvorstände und -aktionäre gegen die Altersvorsorgeinteressen breiter Bevölkerungsschichten vertreten, indem sie diese Widerrufsmöglichkeit ziemlich schnell unterbinden wird. Der frühe Vogel fängt den Wurm.
@Herr Grebe: Rürup-Verträge stellen in der Regel eine Enteignung Ihrer Besitzer und insbesondere auch von deren Kindern und Erben dar. Die Wette auf ein so langes Leben, dass sich ein Rürup-Vertrag trotz evtl. Vorteilen durch die Steuerverschiebung ins Rentenalter (aus Sicht der Bundesregierung macht es offenbar durchaus Sinn, Rentner zu besteuern…) wirklich für einen Rürup-Eigentümer jemals positiv rechnen wird, ist minimal. Sehr, sehr weit weg selbst von einer 50:50-Chance. Sie haben mit dieser Wette auf ein sehr, sehr langes Leben auf jeden Fall schon einen finanziellen Nachteil extrem teuer bezahlt (siehe die Vertriebskosten im Beispiel von Herrn Mayer). Hier sind m.E. selbst die von der Bundesregierung gewünschten Strafzinsen von 6% p.a. für Rürup-Abbrecher immer noch von Vorteil, wenn Sie den Zugriff auf Ihr eigenes, hart erarbeitetes Geld wieder erreichen wollen.
Gabriel Hopmeier
Sehr geehrter Herr Mayer, danke für Ihren Beitrag und Ihre kurze und knackige Einschätzung. Auch ich sehe die Rürup-Rente als höchst kritisch an; wer bezahlt freiwillig sein privates Geld in eine Rentenversicherung und kommt dann ausschließlich in Form einer lebenslagen Rente wieder an sein Geld ran? In der alltäglichen Praxis stelle ich fest, dass die „Besitzer“ derartigen Produkte hierüber meist nicht vernünftig informiert sind.
Folgende Frage: Gehen wir davon aus die Rückabwicklung war erfolgreich. Das Finanzamt wird dann rückwirkend die Steuervorteile revidieren, das haben Sie soweit ausgeführt. Kann das Finanzamt im unünstigsten Fall zusätzlich die 6% Strafzinsen in „Rechnung“ stellen. Damit könnte der erfolgreiche Widerruf zu einem finanziellen Nachteil werden. Wie schätzen Sie dieses Risiko ein.
Herzlichen Dank und Grüße
Steffen Grebe
Sehr geehrter Herr Grebe, herzlichen Dank für Ihre Rückmeldung zu meinem Beitrag. Ich bin kein Steuerexperte, weshalb ich meine Stellungnahme zu den Steuerfragen im Blogbeitrag auf die Beschreibung des potentiellen Risikos beschränkt habe. Dieses besteht meines Erachtens jedenfalls dem Grunde nach auch insoweit, als eine Verzinsung auf die nach Rückabwicklung des Rürup-Rentenvertrags anfallenden – nacherhobenen – Steuern anfällt. Quantifizieren kann ich dieses Risiko aber nicht. Mir sind noch keine Erfahrungen aus der Praxis hierzu bekannt.
Ihre Befürchtung aber, dass sich der Widerruf deshalb am Ende nicht lohnen könnte, teile ich nicht! Denn der Rürup-Sparer erhält, wie an dem im Beitrag aufgeführten Beispiel ersichtlich, nicht nur das angesparte Kapital (Rückkaufswert) heraus, sondern auch die bei Fortführung des Vertrages in jedem Fall verlorenen Abschluss-, Vertriebs- und Verwaltungskosten. Im Beispiel war dies ein Aufschlag von 60% auf den Rückkaufswert. Die Verzinsung der Steuerschuld wird solche Beträge meiner Meinung nach im Regelfall nicht erreichen. Meines Erachtens dürfte sich also die Rückabwicklung unter dem Strich auch dann vermutlich rechnen.
Zentral ist meines Erachtens aber nicht so sehr die Frage, ob der Widerruf per Saldo einen wirtschaftlichen Vorteil bringt. Es geht meines Erachtens hauptsächlich darum, dass der Rürup-Sparer für die Zukunft wieder Liquidität gewinnt, sein Kapital zurückerhält und mit diesem nach freiem Belieben verfahren kann. So kann er es z.B. dann auch vererben. Er kann es auch einfach in eine kostengünstige Anlage einbringen. Der Blick sollte sich also nicht so sehr nach hinten – in die Vergangenheit – richten, sondern hauptsächlich nach vorne auf die Frage, was der Rürup-Sparer also nach dem Widerruf mit seinem Kapital erreichen will und kann.
Mit freundlichen Grüßen
Andreas Mayer, RA