NEIN, NEIN, NEIN – sind die drei wichtigsten Worte des Anti-LeO
Bloß kein Jahresendspurt für Lebens- oder Rentenversicherungs-Verträge!
Die Situation für kapitalbildende Versicherungen ist und bleibt schlecht. Egal ob Lebens- oder Rentenversicherung. Egal ob mit oder ohne Garantie. Trennen Sie Versichern und Sparen!
Dringendes Vorwort
Seit Jahren rate ich klar vom Versicherungssparen ab. Von ganz wenigen Ausnahmen (preiswerten Nettofondspolicen) abgesehen ist die Kombination von Risikoschutz und Sparen für Versicherte unvorteilhaft.
Konkret sollten Sie kapitalbildende Lebens- und Rentenversicherungen ebenso meiden, wie Riester– und Rürup-Verträge. Auch vor den Pseudo-Innovationen der Lebensversicherer wie z.B. Indexpolicen wurde in diesem Finanzblog bereits mehrfach gewarnt.
In diesem Beitrag erfahren Sie,
- warum die Situation der Versicherer erheblich schlechter ist, als sie auf den ersten Blick aussieht,
- warum Versicherer ein Eigeninteresse daran haben, Ihnen noch schnell vor Jahresende einen Vertrag mit 0,9% Garantiezins zu verkaufen,
- Sie aber – um kein LeO zu sein – unbedingt dem Vertriebsdruck widerstehen und keinen Vertrag abschließen sollten.
Erinnern Sie sich noch an Ende 2016?
Da wurde der „Garantiezins in der Lebensversicherung“ von 1,25 auf 0,9% gesenkt. Was zu einem Werbefeuerwerk seitens der Versicherer führte. Heerscharen von Garantiezinsrettern waren unterwegs, um noch kurz vor Jahresschluss ihre Lebensversicherungen an die Kundschaft zu verticken.
Besonders absurd war der hier:
Bitte Bild anklicken, dann öffnet sich der ganze Werbeflyer.
So biederte sich der Versicherer bei Vermittlern und Maklern an, damit die wiederum „schlagkräftige Argumente“ im „Einsatz für hohe Umsätze“ mit ihren Kunden hatten. Wörtliches Zitat: „Ein unschlagbares Team: Superheld und Super-Vermittler! Am 01.01.2017 wird der Garantiezins von 1,25% auf 0,9% gesenkt. Doch mit dem „Zinsretter“ und unserem Rettungspaket können Sie noch vielen Kunden den höheren Zins sichern… holen Sie sich jetzt lhre „LiZins zum Geldsichern“!“
Fürchterlich!
Derzeit besteht nun für LeOs erneut die große Gefahr, in die Fänge von selbsternannten Garantiezinsrettern zu gelangen.
Die aktuelle Lage
Gesetzlich vorgegeben ist für die Versicherer der sogenannte Höchstrechnungszins. Dieser wird vom Bundesministerium der Finanzen festgelegt. Aktuell beträgt der Höchstrechnungszins 0,9%.
Einen höheren Garantiezins dürfen Versicherer in den Verträgen an die Kunden als garantierte Leistung nicht zusagen. Einen niedrigeren schon. Und genau das sieht die BaFin derzeit als geboten.
Die BaFin (Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht) rät den Versicherern seit Wochen zur freiwilligen Senkung des Garantiezinses auf 0,5% für Neuverträge.
Insbesondere appelliert die BaFin an die Versicherer, den gesetzlich zulässigen Höchstrechnungszins von 0,9% nicht einfach ungeprüft als „Garantiezins“ an die Kunden zu übernehmen.
Sondern eigenverantwortlich in Hinblick auf die individuellen Unternehmenszahlen den Versicherungskunden für künftige Verträge einen niedrigeren Zinssatz zu garantieren. Die entsprechende Verlautbarung der BaFin finden Sie hier.
Eine verbindliche Senkung des Höchstrechnungszinses durch den Gesetzgeber zum Jahreswechsel 2020/2021 ist jedoch unwahrscheinlich. Da das Finanzministerium mit einer Entscheidung zögerte. Und die Versicherer ihre Rechenwerke nicht von heute auf morgen umstellen können.
Marktbeobachter erwarten die nächste Senkung entweder im Laufe des Jahres 2021 oder sogar erst ab Januar 2022. Eine endgültige offizielle Entscheidung des Finanzministeriums steht jedoch noch bis zum Jahresende aus.
“Daher appellieren wir an die Versicherer, sehr genau die Garantiehöhe abzuwägen, und zwar unabhängig davon, ob und wann der Verordnungsgeber den Höchstrechnungszins ändert“, betonte BaFin-Chef Hufeld noch im Oktober. “Der Höchstrechnungszins ist keine Verpflichtung – auch nicht im Wettbewerb.”
Noch weitergehender ist die Empfehlung der Deutschen Aktuarvereinigung (DAV), eine berufsständische Vertretung der Versicherungs- und FinanzmathematikerInnen mit derzeit über 5.500 Mitgliedern. „Die DAV empfiehlt, den Höchstrechnungszins in der Lebensversicherung zum 1. Januar 2022 auf 0,25 Prozent zu senken.“
Bereits im Herbst 2019 hatte sie die Senkung auf 0,5% empfohlen und nun nochmals halbiert.
Die Historie
Altersvorsorge durch kapitalbildende Lebens- und Rentenversicherungen war schon seit jeher ein bequemes, jedoch wenig flexibles und noch weniger rentables Unterfangen. Jedenfalls für die Versicherungskunden.
Zu hoch waren und sind die Kosten. Zu steif das Korsett einschränkender Regelungen. Insbesondere die Anlage der Sparbeiträge der Kunden im renditearmen Deckungsstock der Versicherer (heute als Sicherungsvermögen bezeichnet), erwies sich als Renditekiller.
Bereits vor Jahrzehnten erstritt sich der Bund der Versicherten das Recht, die klassische Lebensversicherung als „legalen Betrug“ zu bezeichnen.
Leider hat das der Lebensversicherungsbranche nicht allzu sehr geschadet. Es gibt noch immer über 80 Millionen Lebensversicherungsverträge. Jedes Jahr kommen noch immer Millionen hinzu.
Nicht zuletzt hilft den Versicherern das Argument steuerlicher Vorteile beim Versicherungssparen. Und dies, obwohl sich die steuerliche Behandlung für ab 01.01.2005 abgeschlossene Neuverträge aus Sicht der Versicherungskunden verschlechtert hat.
Kapitalbildende Versicherungsprodukte in der Niedrigzinswelt
Mit sinkenden Zinsen auf den Kapitalmärkten sank auch die laufende Verzinsung, welche die Versicherungsgesellschaften durch Anlage ihrer Mittel am Kapitalmarkt erzielen konnten (vgl. grüne Funktion in der folgenden Abbildung 1).
Als Folge hierauf sank auch der gesetzlich festgelegte Höchstrechnungszins, den die Versicherer ihren Kunden zusagen durften (vgl. gelbe Funktion in der folgenden Abbildung 1).
Der vordergründige Vergleich zwischen der laufenden Verzinsung einerseits und den Garantiezinsen andererseits, zeigt grob einen Gleichlauf. Und könnte vordergründig zu der Interpretation führen, dass für die Versicherungsunternehmen alles okay sei.
Wichtige Überlegungen zu Abbildung 1
Erstens
Die Daten der gelben Funktion (Höchstrechnungszins) können aus offiziellen Quellen (z.B. der BaFin) entnommen werden. Sie sind für alle Versicherer identisch. Bisher sagte auch jeder Versicherer seinen Kunden einen Garantiezins auf dem Niveau des Höchstrechnungszinses zu.
Die Daten der grünen Funktion (historische laufende Verzinsung der Versicherer) sind dagegen ein Branchendurchschnittswert (Quelle). Da die Anlagepolitik jedes Versicherers unterschiedlich ist und die Möglichkeiten zur Anlage in risikoreichere und somit auch rentablere Anlagen auch von der Eigenkapitalausstattung des Versicherers abhängen, ergeben sich abweichende Unternehmenswerte.
Zweitens
Der Höchstrechnungszins (maximale Garantiezins) gilt jeweils nur für die Neuverträge.
Hingegen ergibt sich die von einem Versicherer tatsächlich zu erwirtschaftende Rendite aus dem mittleren Garantiezins seines Bestandes. Mit anderen Worten: aus einer Mischung (einem Mittel) von Altverträgen mit hohem Garantiezins einerseits und jüngeren Verträgen mit entsprechend niedrigem Garantiezins anderseits.
Selbst wenn der Garantiezins immer weiter sank und sinkt, gilt das stets nur für die neuen Verträge. Die alten Verträge mit den höheren Garantiezinsen müssen die Versicherer ihren Kunden gegenüber ja weiter erfüllen.
Zu betrachten ist insoweit also die sogenannte gemittelte Verpflichtung der Versicherer aus all ihren Verträgen.
Wichtige Überlegungen zu Abbildung 2
Abbildung 2 zeigt die Gegenüberstellung zwischen Garantiezins im Neugeschäft (gelbe Funktion) und der Entwicklung der gemittelten Verpflichtungen der Versicherer (rote Funktion).
Es ist unverkennbar, dass die rote Funktion zwar auch sinkt, jedoch langsamer und mit deutlicher zeitlichen Verzögerung im Vergleich zur gelben Funktion.
Dabei besonders bedenklich: Die gemittelten Verpflichtungen der Versicherer hinken den gesunkenen Garantiezinsen stets hinterher.
Und sie sinken dann besonders langsam, wenn der Anteil von Altverträgen mit hohem Garantiezins im Bestand des Versicherers schon allein deshalb erheblich bleibt, weil der Vertrieb im Neugeschäft von Verträgen mit niedrigem Garantiezins nur schleppend läuft.
Insoweit ist der sinkende Garantiezins im Neugeschäft zwar ganz interessant. Relevant jedoch ist, wie sich die laufende Verzinsung, welche die Versicherungsgesellschaften durch Anlage ihrer Mittel am Kapitalmarkt erzielen können, im Vergleich zu den gemittelten Verpflichtungen der Versicherer entwickeln.
Mit anderen Worten: Wie halten die Vertragsverpflichtungen der Versicherer aus den kapitalbildenden Versicherungsprodukten gegenüber ihren Kunden mit den sinkenden Erträgen der Niedrigzinswelt mit?
Wichtige Überlegungen zu Abbildung 3
Entscheidend ist also der Vergleich zwischen der laufenden Verzinsung der Versicherer (grüne Funktion) und ihren gemittelten Verpflichtungen (rote Funktion).
Dieser Vergleich ist nun so richtig spannend.
Denn sobald ein Versicherer seine Garantiezusagen nicht mehr aus der laufenden Verzinsung erbringen kann, gerät er in die Verlustzone. Dabei fällt die grüne Funktion unter die rote Funktion. Folglich muss der Versicherer Eigenkapital verzehren bzw. Reserven auflösen (Schlagwort. Zinszusatzreserve), um die Differenz zu finanzieren.
Und das kann natürlich nicht dauerhaft funktionieren.
Die Gegenüberstellung der beiden Funktionen (grün und rot) ist auf jeden Versicherer individuell anzuwenden. Daher hat die obige Abbildung 3 lediglich erklärenden Charakter. Jedoch ist in der Branche bekannt, dass einige Versicherer aktuell bereits mit der grünen Funktion unter die rote geraten sind.
Im Beispiel der Abbildung 3 ist der Versicherer etwa seit 2017 ins Minus geraten und erwirtschaftet über seinen gesamten Vertragsbestand hinweg nicht mehr die gemittelte garantierte Mindestverzinsung.
Das ist kein Einzelfall. Die Situation für kapitalbildende Versicherungen ist und bleibt unter diesen Umständen einfach schlecht.
Im zweiten Teil des Blogbeitrags am nächsten Freitag
- richten wir den Blick nach vorn – und führen die Funktionen weiter in die Zukunft
- dabei landen wir beim Vehikelrisiko von Lebensversicherungsverträgen – einem Risiko, vor dem ich Versicherungskunden seit langem warne
- wir fragen, ob garantiefreie Lebens- oder Rentenversicherungen eine Lösung sind (nein, die Kosten sind viel zu hoch!)
- wir betrachten noch kurz kostengünstige Nettopolicen (ETF-Sparplan im Versicherungsmantel) und
- ich fasse zusammen, was all das für Sie und Ihre Familie bedeutet.
So, nun machen Sie es sich aber erst einmal zum 3. Advent gemütlich. Und verdauen diese gelb-grün-roten Erläuterungen.
Bereits jetzt ist schon eindeutig klar, dass Sie keine Unterschrift unter einen Lebensversicherungsvertrag setzen sollten!
Bei über 80 Millionen Lebensversicherungsverträgen in Deutschland kennen Sie sicher auch jemanden, an den Sie diesen Blogbeitrag weiter empfehlen.
Herzliche Grüße
Hartmut Walz
Sei kein LeO!
Erschienen am 11. Dezember 2020. Link zum 2. Teil ergänzt am 18. Dezember .2020.
Der Hartmut Walz Finanzblog ist unabhängig, kosten- und werbefrei. Ich erhalte für Links und Empfehlungen keinerlei Honorar, Kick-back, Beteiligung o. ä.
Die ständige “Garantiezinsdiskussion”ist doch ein Verblendung. Der Garantiezins ist von je her nicht nachvollziehbar. Die Bezugsgröße gilt ja nach Abzug aller interner (nicht offengelegten ) Kosten. Also meine Einzahlung abzgl. Kosten.
Die echte Berechnung wird auch auf schriftliches Verlangen nicht geliefert(mehrfach getestet). Das war schon immer eine Blackbox.
Bsp:0,5% von Summe “X” = “Garantierter Zins (von was)” , Das war schon immer so!
Schöner Sonntag
B.Heuser
Liebe/r B.Heuser, mit der Blackbox haben Sie völlig Recht. Und mit der Schlußfolgerung auch.
Nachdem es aber mehr Lebens- und Rentenversicherungen gibt, als Bürger, muss man sich mit diesem Vehikel schon ein wenig auseinandersetzen. Und daher habe ich mir die Mühe mit der Analyse gemacht…. 😉
Herzliche Grüße, Hartmut Walz – Sei kein LeO!