NACH WIE VOR: FINGER WEG VON INDEXPOLICEN!
Unvorteilhaftigkeit von Indexpolicen und „Fake News“
Von Indexpolicen sollten Sie nach wie vor die Finger lassen. Auch wenn die Branchenlobby sich nach knapp zwei Jahren aus der Schockstarre erholt hat und das Vehikel nun mit dem Hinweis auf angebliche „Fake News“ in meinem Finanzblog schönreden möchte.
Entscheiden Sie selbst, denn Sie sind ja kein LeO!
Was bisher geschah…
Bereits in der ersten Auflage meines Bestsellers „Einfach genial entscheiden in Geld- und Finanzfragen“ im Jahr 2016 habe ich mich klar gegen Indexpolicen ausgesprochen.
Ein vertiefender Beitrag im Hartmut Walz Finanzblog folgte aufgrund zahlreicher Leseranfragen im Jahr 2017. Hier habe ich sachlich und anhand unwiderlegbarer Fakten ausgeführt, warum der Private keine Indexpolicen abschließen sollte.
Und falls er schon einen solchen Vertrag hat, diesen kritisch hinterfragen sollte, da mit höchster Wahrscheinlichkeit eine sofortige Auflösung das kleinste Übel ist.
Sie finden den Blogbeitrag hier.
Die Argumentation im damaligen Blogbeitrag ist nach wie vor gültig. Und muss daher hier nicht nochmals wiederholt werden.
Nach Schmalenbach: Schlendrian mit Schlendrian vergleichen
Ende Juni 2019 veröffentlicht nun ein – nach eigenen Angaben völlig unabhängiges – Institut einen Test von Index-Privatrenten. Komisch, dass beim Anklicken der Internetseite dieses Instituts sofort die Namen und Logos zahlreicher Versicherer auftauchen, darunter auch der doppelte Testsieger.
Wahrscheinlich ist das ein rein technisches Problem. Aber auf meiner Internetseite konnte ich das vermeiden… 😉
Zurück zum Test: Oberfläche erhielt dieser Anfang Juli 2019 durch die Zeitschrift FondsProfessionell.
Ich mache es kurz: Das Institut findet Indexpolicen anscheinend toll. Und findet Bewertungen wie „exzellent“ und „sehr gut“ dafür.
Räumt aber immerhin ein, dass die Transparenz von Indexpolicen „noch sehr zu wünschen übrig lasse“.
Nicht ganz so reflektiert äußert sich ein noch kleineres „Institut“, welches „Marketing und Verkaufsförderung“ für Versicherungsvertriebler am „Point-of-Sale“ anbietet. (Wirklich – das ist kein Scherz – selten hat jemand aus der Branche so ehrlich dazu gestanden, dass die meisten Finanzberater eigentlich Verkäufer sind.)
Wo war ich? Genau: Dieses noch kleinere „Institut“ also kritisiert, dass sich bei Indexpolicen „ein detaillierterer Blick auf die [meine] Argumentation, die von halbrichtig, tendenziös bis hin zu einfach falsch reicht”, lohne.
Und bezeichnet vieles aus meinen Blogbeitrag „Finger weg von Indexpolicen – Ein Paradebeispiel für eine „schiefe Wette“ als “Fake-News“.
Eine harsche, jedoch unzutreffende Kritik
Die Faktenlage ist indies eindeutig und mein Blogbeitrag enthielt keine falschen Angaben.
Aber als bekennender Liebhaber absurden Humors wurde ich bei der Lektüre der Argumentationsversuche des Gutbetens von Indexpolicen doch sehr fündig.
Erstens
Überraschend ist, dass die Befürworter von Indexpolicen auf einen Teil meiner Kritikpunkte überhaupt nicht eingehen (also kampflos aufgeben). Und bei anderen mit einem rührenden „das gilt aber nicht für alle Vertragstypen“ entgegnen.
Beispiele:
Nicht bei allen Indexpolicen würden dem Kunden Ausschüttungen vorenthalten (Beteiligung am Kurs- statt Performanceindex).
Nicht alle Indexpolicen bezögen sich auf intransparente und nicht einsehbare Indizes.
Und nicht bei allen Indexpolicen bestünde eine Asymmetrie der Anrechnung von positiven und negativen Kursentwicklungen.
Na, viel Spaß beim Suchen der wenigen Ausnahmen.
Schlussfolgerung
Hier wird Schlechtes mit noch Schlechterem verglichen. Denn: Ein Fahrradschlauch hält nur dann die Luft, wenn er überhaupt kein Loch hat.
Die infame Logik der Argumentation, dass es Fahrradschläuche gäbe, die kein Loch vom Typ A hätten und welche, die kein Loch vom Typ B hätten, wird der Anlegerproblematik nicht gerecht. Der Anleger hat keine Chance eine Indexpolice ganz ohne „Löcher“ zu finden.
Zweitens
Ebenfalls überraschend ist die stellenweise defensive Wortwahl der Protagonisten von Indexpolicen: Worte wie „unübersichtliches Dickicht der Produkte“ oder „undurchdringliche Produktlandschaft“ hätte ich eigentlich nicht erwartet, wenn jemand Indexpolicen empfehlen möchte.
Aber besten Dank für die Ehrlichkeit an dieser Stelle. Meine Schlussfolgerung: Die ganze Komplexität dieser Vehikel ist völlig unnötig und dient nur der Anlegerverwirrung. Das braucht kein Mensch!
Drittens
So richtig amüsant wird es bei der Selbst- und Fremdeinschätzung der Kenntnisse über Indexpolicen.
Beispielsweise wird eine kritische Äußerung des Versicherungsexperten der Verbraucherzentrale Hamburg, Christian Biernoth damit begründet, „… dass Herr Biernoth offensichtlich die Funktionsweise von Indexpolicen nicht verstanden hat“.
Ja, wirklich, kein Scherz. Das noch kleinere „Institut“ behauptete Anfang des Jahres tatsächlich, dieser Versicherungsexperte habe offensichtlich die Funktionsweise von Indexpolicen nicht verstanden.
Offenbar hat nur der Heilige Gral der Anbieter das Produkt verstanden. Ja, Genialität bleibt oftmals unerkannt.
Die Verbraucherschützer verstehen die Indexpolice nicht. Finanztest und Ökotest auch nicht. Und neutrale Hochschullehrer wie ich natürlich erst recht nicht.
Dummerweise versteht der Versicherungsnehmer, für den das Produkt ja eigentlich gemacht ist, dieses auch nicht. Schlussfolgerung: Finger weg von einem Vehikel, welches so kompliziert ist, dass wir alle zu dumm sind, es zu verstehen.
Viertens
Zum Schönreden von Indexpolicen wird in die alte Trickkiste der Manipulation gegriffen.
So ist die Behauptung, dass bestimmte Indexpolicen im Durchschnitt der letzten Jahre die sichere Rendite klassischer Rentenversicherungen um einen Prozentpunkt übertroffen hätten, völlig wertlos.
Denn diese Renditeangabe bezieht sich lediglich auf den Sparanteil.
Und da die Kosten von Indexpolicen im Schnitt ein Drittel bis zur Hälfte höher sind als diejenigen der klassischen Rentenversicherungen, ist der Sparanteil entsprechend geringer.
Wenn man Wunder ausschließt, wird die höhere Rendite auf den kleineren Sparanteil daher nicht zu einem Kundenmehrwert führen.
Fünftens
Konzeptionelle Unsinnigkeit von Indexpolicen: Indexpolicen sind eine irreführende Mogelpackung, die vom guten Ruf von Indexinvestments wie z.B. Indexfonds oder ETFs profitieren wollen.
Exakt mit diesem Missverständnis werden sie auch verkauft.
Jedoch sind Indexpolicen lediglich Index-Wetten. Und zwar schiefe Wetten – zum Schaden des Privatanlegers.
Sie provozieren die falsche Erwartung, höhere Rendite sei ohne höheres Risiko realisierbar– was jedoch ebenso unmöglich ist, wie die Aufhebung der Schwerkraft.
Das Motiv des Kunden für den Abschluss einer Versicherungspolice ist allein schon aufgrund der steuerlichen Rahmenbedingungen ein langfristiger Spar- oder Vorsorgewunsch.
Die geplante Mindestdauer liegt bei zwölf Jahren – viele Verträge sind auf Laufzeiten von 20 bis 30 Jahren ausgelegt.
Welchen Sinn macht es da, die Wahrnehmung des Kunden auf kurzfristige Kursschwankungen zu lenken und ein Produkt anzubieten, welches dieses um den Preis hoher Opportunitätskosten „wegversichert“?
Hier kurz zur Erinnerung ein Bild von Kursschwankung mit positivem Trend:
Sie erinnern sich an meinen Blogbeitrag: „Die Rückkehr zum Mittelwert bei der Geldanlage“ (Regression to he Mean).
Und was tut hingegen die Indexpolicen-Lobby?
Ihre Verkaufsunterlagen und Verkaufsgespräche fokussieren die Aufmerksamkeit des Kunden auf ein nicht vorhandenes Problem (kurzfristige Kursschwankungen), um dieses anschließend (überteuert) zu „lösen“.
Ein kurzer Blick auf das Renditedreieck des Deutschen Aktieninstitutes bei Anlagezeiträumen zwischen 12 und 30 Jahren zeigt nämlich kein einziges Verlustergebnis.
Sondern selbst in schlechten Fällen Renditen, die über denjenigen von Indexpolicen liegen. Und in guten Fällen gar ein Mehrfaches davon betragen.
Bereits deshalb sind Indexpolicen für langfristige Privatanleger und Vorsorger völlig nutzlos und verfehlt, da sie – wenn man Wunder ausschließt – keinen Mehrwert erbringen.
Relevant würde die Garantie der Versicherung lediglich in einem äußerst extremen Stressszenario wie einer außergewöhnlich langandauernden und sehr schweren Weltwirtschaftskrise… Sie wollen jetzt nicht lesen, wie ich die Überlebenswahrscheinlichkeit der Versicherer in einem solchen Szenario einschätze – oder?
Entscheidungshilfe für Berater und Anti-LeOs
Da dieser Blog mittlerweile nicht nur von vielen Privaten, sondern auch Finanzberatern– und Vermittlern gelesen wird, biete ich zwei leicht nachvollziehbare Entscheidungsbäume an. Anhand derer in Sekundenschnelle ermittelt werden kann, ob eine Indexpolice im konkreten Fall empfehlenswert ist.
Entscheidungsbaum für (verantwortungsvolle) Finanzberater – nicht FPVs
Erläuterung:
1. Bereits die erste Filterfrage sollte nach menschlichem Ermessen – also wenn man Wunder ausschließt – zum roten „Nein-Ast“ führen. Ist Ihr Kunde versicherungsaffin, hat eine stabile Lebensplanung und Sparfähigkeit und legt Wert auf steuerliche Vorteile, können Sie eine kostenarme Fondspolice empfehlen. Idealerweise sollte dies eine Netto-Police sein. Dass die überwiegende Zahl der am Markt erhältlichen Fondspolicen nicht kostenarm sind, hat sich zwischenzeitlich herumgesprochen.
2. Eigentlich sollten Sie gar nicht zum Schritt 2 kommen. Nur zur Vollständigkeit: Falls die Police auf einen Kurs- statt Performanceindex referenziert, geht die jährliche Dividendenrendite an den Versicherer, was zu einem – nicht als Kosten ausgewiesenen – Kundennachteil von 3% bis 4 % p.a. führt.
3. Das sollte selbstverständlich und selbsterklärend sein. Jedoch führt es z.B. zum „Aus“ für einen am Markt führenden Anbieter.
4. Wenn Sie als ehrlicher Berater oder Mittler Ihrem Kunden eine Indexpolice anraten, sollten Sie selbst die Mathematik und Statistik des Regelwerks verstanden haben. Die Schulungen der Produkteanbieter helfen an dieser Stelle übrigens nicht weiter. Vielleicht jedoch ein mehrjähriges Hochschulstudium in Mathe und Statistik? Falls Sie dies nicht aufweisen, sollten Sie hier auf den Nein-Ast wechseln.
5. Um hier mit „Ja“ weiter zu gehen, reicht nun wieder ein juristisches Studium alleine nicht aus. Sie sollten zudem schon noch ein Sabbatical nehmen für die Lektüre des Kleingedruckten und der juristischen Winkelzüge.
6. Wahrscheinlich ist niemand mehr bis zu diesem Schritt gekommen. Trotzdem: Die internationalen Finanzmärkte haben uns über viele Jahrzehnte eine Durchschnittsrendite von 8 – 10% p.a. „geschenkt“. Von der eine durchschnittliche Inflationsrate von ca. 3% abzuziehen ist. Glauben Sie, dass „Ihr Produkt“ die drei Prozent nach allen Kosten und Opportunitätsverlusten erzielen wird? Also ich meine: Wenn man Wunder ausschließt…
Entscheidungsbaum für private Kunden – nicht LeOs
Der Entscheidungsbaum für den cleveren privaten Kunden ist einfach und kurz. Er wird nach menschlichem Ermessen dazu führen, die Finger von Indexpolicen zu lassen.
Und was bedeutet das nun konkret für Sie?
- Falls Sie noch keine Indexpolice abgeschlossen haben ist der Rat klar und einfach: Lassen Sie es! Denn es gilt: Finger weg von Indexpolicen!
- Gleiches gilt grundsätzlich für alle hochkomplexen Vehikel, die Sie nicht verstehen können. Es gibt ähnliche Produkte bzw. Konstruktionen, die nur einen anderen Namen haben (zumal der Begriff „Indexpolice“ nach gerichtlichen Auseinandersetzungen mit schlechtem Ausgang für die Versicherer sowieso etwas gelitten hat).
- Sollten Sie bereits eine solche Police in den letzten Jahren erworben haben, so ist mit höchster Wahrscheinlichkeit eine sofortige Auflösung das kleinste Übel – auch wenn Sie nur einen Teil Ihres Geldes wiedersehen.
- Dies tut natürlich weh. Aber bedenken Sie, dass Sie dem bereits verlorenen Geld nicht noch weiteres hinterher werfen sollten (sunk costs).
- Suchen Sie in diesen Fällen zur Sachverhaltsklärung unbedingt unabhängigen Rat (Unabhängige Honorar-Anlageberater bzw. Honorar-Finanzanlagenberater, Finanzanwälte, Sachverständige). Auch wenn Sie dafür Geld in die Hand nehmen müssen (Ihr Steuerberater arbeitet auch nicht gratis).
- Fragen Sie keinesfalls dort nach, wo man Ihnen die Police verkauft hat. Denn man wird immer (Pseudo-) Argumente finden, um Ihnen zur Fortsetzung des Vertrages zu raten. – Zum Beispiel schon allein, um während der ersten fünf Jahre aus der Storno-Haftung zu kommen. Sie kennen doch den Spruch: „Wenn du den Sumpf trockenlegen willst, dann darfst du nicht die Frösche fragen“.
- Zusammengefasst also leider nochmals:
So, und nun Feuer frei für Kommentare 😉
Und unbedingt den Beitrag weiterempfehlen.
Herzliche Grüße
Hartmut Walz
Sei kein LeO!
Erschienen am 12. Juli 2019.
Der Hartmut Walz Finanzblog ist unabhängig, kosten- und werbefrei. Ich erhalte für Links und Empfehlungen keinerlei Honorar, Kick-back, Beteiligung o. ä.
Ein Fall aus der Praxis:
Ein Mandant erhielt in 2019 eine fondsgebundene LV ausbezahlt. Abgeschlossen Ende 2007 mit EUR 30.000,-.
Auszahlungsbetrag nach 12 Jahren EUR 39.000,-.
Vor dem Hintergrund der mageren Summe habe ich mir daher den “Spaß” gemacht anzunehmen, dass die EUR 30.000,- zum Zeitpunkt Nov. 2007 in einen MSCI World ETF (ishares) investiert worden wären.
Flugs noch die Veränderung des Wechselkurses USD zu EUR mit einbezogen und siehe da: Kurswert des ETF Ende Nov. 2019 ganze EUR 63.000,-.
Habe ich etwas vergessen? Sicher: der ETF ist ausschüttend…
Mal wieder ein erfolgreicher Raubzug der Finanzvertriebsbranche auf Kosten des Kunden.
Lieber Martin Schneider, danke für Ihren Echt-Fall aus dem prallen Leben. Auch wenn Sie von einer Fondspolice und nicht von einer Indexpolice sprechen, ist das ein trauriges, wenn auch typisches Ergebnis. Ob long ob short – das Geld ist fort.
Herzliche Grüße, Hartmut Walz – Sei kein LeO!