GASTBEITRAG ANDREAS MAYER, FREIBURG
Ausstieg aus Rürup-Verträgen
Rückabwicklung nach Widerruf bzw. Widerspruch als Möglichkeit
Rürup-Rentenversicherungsverträge (sogenannte Rürup-Renten) sind intransparent, teuer und unflexibel. Viele wollen daher raus aus ihrem Rürup-Vertrag. Viele Wege gibt es da nicht. Hier ist eine Möglichkeit.
Zuerst: Warum ein Ausstieg aus dem Rürup-Vertrag sinnvoll sein kann
Rürup-Rente (Basisrente) – Unterschiede zur „normalen“ Rentenversicherung
- Kurz zusammengefasst: Im Unterschied zu „herkömmlichen” Lebens- und Rentenversicherungen sind Ansprüche aus Rürup-Verträgen nicht vererblich, nicht übertragbar, nicht beleihbar, nicht veräußerbar und nicht kapitalisierbar (§ 10 Abs 1 Nr. 2 b EStG).
- Das Argument „Steuersparen“ in der Beitragsphase wird durch die Versteuerung der Rentenbezüge stark relativiert. Es findet keine Steuervermeidung („Steuersparen“) sondern lediglich eine zeitliche Steuerverschiebung statt!
- Es gibt keinen Rückkaufswert wie bei einer „normalen“ Rentenversicherung. Das in einen Rürup-Vertrag einbezahlte Kapital ist nicht mehr verfügbar – genauso, wie wenn es in die staatliche Rentenversicherung einbezahlt worden wäre. Dies gilt auch für Notsituationen (Arbeitslosigkeit, schwere Krankheit u.a.). Rürup-Verträge können nur beitragsfrei gestellt werden. Es gibt auch kein Kapitalwahlrecht bei Rentenbeginn.
Für weiterführende Informationen zur Struktur der Rürup-Rente (die hier nur kurz umrissen werden kann) verweise ich auf den Blogbeitrag von Jürgen Schäflein (mit sehr lesenswerter Anmerkung von Gabriel Hopmeier vom 01.12.2017).
Ein konkretes Negativbeispiel:
Garantiefonds ist auch keine Lösung – die Garantiefalle
„Eine einmalige und flexible Kombination aus Sicherheit, Liquidität und Ertrag.“ – so hat die Clerical Medical einen Garantiefonds beworben, der als Anlage für eine fondsgebundenen Rente gewählt werden konnte.
Die Garantie eines Fonds ist aber keine „Versicherung“ gegen Verluste, sondern lediglich eine Umschreibung der Anlagestrategie. Dies bedeutet, dass die Anlage nur zum geringeren Teil in volatile Anlagen fließt, der größere Teil aber in festverzinsliche Papiere – die keine berauschende Rendite abwerfen, aber „sichere“ Erträge versprechen.
Doch als die Kapitalmärkte in Folge der Finanzkrise die volatilen Werte des Fonds immer weiter nach unten ziehen, kam der „cash-out“ des Fonds. Die Fondsverwaltung hatte zur Absicherung der „Garantie“ des Fonds alle volatilen Werte in festverzinsliche umgeschichtet, um so sicher zu gehen, dass die Garantiezahlung gewährleistet ist.
Ab dann gab es aber für den Anleger keine Renditeerwartung mehr – nur noch die in weiter Zukunft liegende Garantiezahlung. Die Kosten des Versicherungsvertrages laufen derweil aber weiter. Die „Garantie-Falle“ hat zugeschnappt.
Rürup-Versicherungsnehmer kommen nicht an ihr Geld
Einmal abgeschlossen, kommt man nicht mehr an sein Geld heran. Rürup ist ein sehr unflexibles und dazu noch teures Instrument der Altersvorsorge. Doch was tun?
Die allein mögliche Beitragsfreistellung erscheint auch nicht attraktiv, denn dann laufen der Vertrag und damit die Kosten weiter. Die Kosten können sogar bis zum Renteneintritt u.U. die Rente (bzw. das Kapital) aufzehren. Am Ende bleibt dann noch nicht einmal eine Rente.
So kommen Sie wieder an Ihr Geld!
Widerruf und Widerspruch als Mittel zum Ausstieg aus Rürup-Verträgen
Welche Verträge kommen in Betracht?
- Vom Grundsatz her sind alle Rürup-Verträge potentiell rückabwickelbar (mit wenigen Ausnahmen).
- Jede Vertragsgestaltung für Renten- und Lebensversicherungsverträge kommt in Betracht. Egal, ob steuerlich gefördert (Riester oder Rürup) oder mit Zusatzversicherungen (BUZ) versehen.
- Die Rückabwicklung geht grundsätzlich immer. Das Widerspruchsrecht bzw. Widerrufsrecht besteht im Regelfalle „ewig“.
- Die Rückabwicklung kann auch für Verträge erfolgen, die bereits seit langem gekündigt oder beitragsfrei gestellt sind, oder vor langer Zeit schon abgeschlossen wurden.
Was kommt für den Versicherungsnehmer dabei heraus?
- Rürup-Verträge können auf diesem Weg überhaupt erst beendet („gekündigt“) und aufgelöst werden. Der Rürup-Sparer gewinnt neue Liquidität und neue Anlagemöglichkeiten für sich.
- Im Rahmen der Rückabwicklung (die in Einzelheiten in den verschiedenen Gesetzesphasen unterschiedlich geregelt ist) kann dem Grunde nach zusätzlich zum „Rückkaufswert“ vom Versicherungsunternehmen die Rückzahlung der Abschluss- und Vertriebskosten sowie der Verwaltungskosten verlangt werden. Regelmäßig müssen Teile dieser Kosten von dem Versicherungsunternehmen verzinst werden (sog. „Nutzungs(wert)ersatz“).
- Beispiel: Unsere Mandantin hat vor dem Oberlandesgericht Karlsruhe bei Rückabwicklung einer fondsgebundenen Rürup-Rente der Nürnberger folgendes Ergebnis erzielt:Die Fondsanteile waren bei Widerruf 3.464,85 EUR wert. Zusätzlich erhielt sie die Abschluss- und Verwaltungskosten sowie Nutzungszinsen darauf in Höhe von 2.155,90 EUR, ein Plus von über 60% vor Steuern (OLG Karlsruhe, Urteil vom 28.06.2019, Az. 12 U 134/17, VuR 9/2019, Seite 342 ff.)*
Aber fallen dann nicht die „Steuervorteile“ weg?
- Die Auflösung des Rürup-Vertrages führt nach herrschender Meinung zum Verlust der steuerlichen Förderung der gezahlten Beiträge. Der Versicherungsnehmer muss damit rechnen, dass er die ersparte Einkommenssteuer auf die geleisteten Beiträge nachentrichten muss, eventuell auch mit der im Steuerrecht geltenden Verzinsung von 0,5% pro Monat, also 6% pro Jahr, rückwirkend ab jeweiliger Fälligkeit der Steuerschuld.Entscheidungen der Finanzgerichte sind uns hierzu nicht bekannt. Sicherheitshalber sollte damit gerechnet werden, dass diese Rückabwicklungsfolge eintritt. Aber ist das ein gravierender Nachteil?
- Vor dem Hintergrund, dass bei Rürup die Renten als Einkommen zu versteuern sind, relativiert sich dieser Nachteil. Die Auszahlungen aus der Rürup-Rente sind grundsätzlich ohnehin nie steuerfrei.
- Der Nutzungsersatz, den das Versicherungsunternehmen im Rahmen der Rückabwicklung leisten muss, unterfällt unseres Erachtens beim Versicherungsnehmer der Kapitalertragsteuer.
Warum geht der Widerruf bzw. Widerspruch noch heute?
Stark vereinfachend kann die juristisch im Einzelfall komplexe Materie auf folgendes Grundgerüst reduziert werden:
Die Widerspruchs- oder Widerrufsfrist beginnt erst dann zu laufen, wenn
– die Policen-Bedingungen übergeben,
– die Verbraucherinformationen vollständig und in vorgeschriebener Form erteilt und
– der Versicherungsnehmer bei Aushändigung des Versicherungsscheins in drucktechnisch deutlicher Form sowie inhaltlich ordnungsgemäß über das Widerspruchs- oder Widerrufsrecht belehrt wurde.
Diese gesetzlichen Regelungen müssen streng von den Versicherungsunternehmen beachtet werden, weil die „Erteilung lediglich von Teilinformationen dem Sinn und Zweck der zweiten und dritten europäischen Richtlinie Lebensversicherung und dem Schutz der Versicherungsnehmer nicht gerecht“ werde, so der Bundesgerichtshof (BGH, Urt. v. 23.9.2015, Az. IV ZR 179/14).
An diesen Anforderungen an die Richtigkeit und Vollständigkeit
der Belehrungsinhalte und der Pflichtinformationen
sind in der Vergangenheit sehr viele Versicherungsunternehmen
gescheitert.
Meine dringende Empfehlung: Einzelfallprüfung durch Anwalt!
In diesem Beitrag können nur die groben Grundzüge des rechtlich komplexen Themas aufgezeigt werden. Unsere Kanzlei empfiehlt immer, den Einzelfall genau anwaltlich prüfen zu lassen.
So können im Einzelfall z.B. die Unpfändbarkeit und damit Insolvenzfestigkeit des Vertragsguthabens oder eine Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung gegen eine Auflösung sprechen.
Mayer & Mayer Rechtsanwälte
Mayer & Mayer Rechtsanwälte bieten eine kostenlose erste Einschätzung der Erfolgsaussichten eines Widerspruchs/Widerrufs für alle Lebens- und Rentenversicherungsverträge, einschließlich der staatlich geförderten Rürup- und Riester-Renten an.
Kooperation Anlegerschutzanwälte e.V.
Die Anwältinnen und Anwälte der Kooperation Anlegerschutzanwälte e.V. sind Spezialisten im Bank- und Kapitalmarktrecht, die auf Seiten der Verbraucher stehen, Ihre kompetenten Ansprechpartner , wenn es um Ihre Probleme mit Geldanlagen, Banken oder Versicherungen geht.
Der Anlegerschutzanwälte e.V. ist ein Zusammenschluss von mittelständischen Anwaltskanzleien, der den Verbraucherzentralen nahe steht und sich der Stärkung der Rechte von Bankkunden und Kapitalanlegern verschrieben hat.
* Zum vorgestellten Urteil:
„Unsere“ Rürup Entscheidung des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 28. Juni 2019, Az. 12 U 134/17 (Vorinstanz Landgericht Karlsruhe), veröffentlicht in der VuR 9/2019, Seite 342 ff., erstritten und für die VuR bearbeitet durch RA Patrick Lau, Mayer & Mayer Rechtsanwälte, Freiburg.
Erschienen am 06. Dezember 2019.
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Guten Tag,
ich habe einen Rürup Vertrag aus 2007 – die Widerrufsbelehrung (Helvetia) wurde geprüft (von mehreren Anwälten) und als in Ordnung, bzw. nicht fehlerhaft, eingestuft.
Somit bleibt mir wohl nur der Weg, den Vermittler zu verklagen. Jedoch ist diese Option (da >10 Jahre) verjährt.
Jetzt habe ich von einem Fall gelesen, dass der Versicherte nach 12 Jahren versucht hat, seine Versicherungssummer auszuzahlen und erst DANN gemerkt hat, dass dies nicht möglich ist. Das Gericht hat entschieden, dass in diesem Fall die Verjährungsfrist erst mit Beginn dieses Vorfalls startete und er konnte erfolgreich klagen.
Wie sieht es mit dieser Möglichkeit aus? Ist das realistisch?
Liebe/r G. R., danke für Ihren Kommentar. Zu dem ich nur leider nichts beitragen kann, als ihn hier freizuschalten. Vielleicht erhalten Sie von einer anderen Seite eine Information dazu.
In jedem Falle alles Gute für Sie!
Herzliche Grüße, Hartmut Walz – Sei kein LeO!