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Versicherungen im Paket

Versicherungen elegant ganz nebenbei mit verkauft –
Versicherungsverkauf im Paket mit Produkten oder Dienstleistungen

Wenn Sie beim Kauf Ihres Handys oder der Buchung Ihrer langersehnten Urlaubsreise so ganz nebenbei eine oder mehrere Versicherungsleistungen angeboten bekommen, erleben Sie am eigenen Leib, was die Fachleute sperrig als „produktakzessorische Versicherungen“[1] bezeichnen.

Dieser Vertrieb von Versicherungen im „Paket“ mit Produkten oder Dienstleistungen hat an Bedeutung gewonnen. Ist das nun für Verbraucher gut oder schlecht? Oder besser gesagt:

Überwiegt Ihr Nutzen oder aber Ihr Schaden, wenn Sie produktspezifische Versicherungen abschließen?

Diese Fragen klären wir im nachfolgenden Interview mit Lars Gatschke[2], einem erfahrenen Experten und Marktbeobachter beim Verbraucherzentrale Bundesverband e.V..

Verbraucherzentrale Bundesverband vzbv Logo

Interview mit Lars Gatschke, vzbv

Walz: Herr Gatschke, in den letzten Jahren hat der Verkauf von speziellen Versicherungen, die unmittelbar an Produkt- oder Leistungskäufe von Verbrauchern gekoppelt sind, stark zugenommen. Können Sie Beispiele nennen?

Gatschke: Der Vertrieb von Versicherungsleistungen rund um Produkt- oder Dienstleistungsverkäufe hat enorm zugenommen und trägt teilweise kuriose Züge.

  • So kann beispielsweise der Verlust eines Kfz-Kennzeichens versichert werden.
  • Oder Kinder erhalten eine Unfallversicherung für einen einzelnen KiTa-Ausflug.
  • Problematisch finde ich eine Versicherung, mit der man sich gegen die Folgen eines Führerscheinentzuges absichern konnte, weil damit die Sanktion von grob verkehrswidrigem Verhalten ausgehebelt wird.

Walz: Die Bezeichnungen für solche Versicherungen sind allesamt sehr sperrig – wollen Sie uns trotzdem erläutern, wie man diese benennt?

Gatschke: Ich würde von einer situativen Ausschnittsdeckung von Risiken sprechen.

Diese Versicherungen sichern nur einen sehr kleinen Teil aus dem großen Universum an Risiken ab, und das teilweise nur für einen begrenzten Zeitraum oder im Extremfall nur einmalig (siehe obiges Beispiel mit dem KiTa-Ausflug).

Dieser sehr spezielle Risikoschutz lenkt die Aufmerksamkeit auf das Versicherungsprodukt und schafft damit den Anlass, die Versicherung abzuschließen. Wenn ich in mitten in den Vorbereitungen meines nächsten Skiurlaubs stecke, bin ich für Werbung einer Skibruchversicherung empfänglicher. Und damit bereit, einen (zu) hohen Preis für den Versicherungsschutz zu bezahlen.

Walz: Aber, dass ich mein neues Handy gleich bei Kauf direkt zusätzlich versichere, ist doch eine gute Sache und zudem sehr bequem – warum sehen Sie das als profilierter Verbraucherschützer kritisch?

Gatschke: Damit sprechen Sie eine Unterart von Versicherungen an, die in Fachkreisen als Embedded Insurance also eingebettete Versicherung bezeichnet.

Walz: Entschuldigung, dass ich Sie unterbreche: Wollten Sie wirklich „Unterart“ sagen oder etwa „Unart“?

Gatschke: (lacht). Ich wollte schon Unterart sagen, aber passend sind beide Worte.

Es handelt sich um ein Koppelprodukt aus einer Ware/Dienstleistung und einer Versicherung.

So kann es mir passieren, dass ich mit dem Bezahlen meiner Urlaubsreise mittels Kreditkarte automatisch mein Reisegepäck auf dieser Urlaubsreise versichert habe. Da hört sich schön an. Aber die Menschen verlieren vielfach den Überblick, was sie wo gegen was versichert haben.

Außerdem kommt es sowohl vor, dass Risiken doppelt versichert werden – jedoch wird im Schadensfall natürlich nur einmal bezahlt. Oder dass der Versicherungsschutz Lücken hat, z.B. wenn im obigen Beispiel mein Koffer auf der Taxifahrt gestohlen wird, die ich dummerweise bar bezahlt habe…

Walz: Das sind schon ernstzunehmende Gegenargumente.

Gatschke: Aber es kommt noch schlimmer. Sehr bedenklich finde ich, dass Verbraucher aus dem Auge verlieren, wozu Versicherungen eigentlich da sind.

Walz: Sie sprechen den eigentlichen Sinn und Zweck von Versicherung an.

Gatschke: Genau! Eine Versicherung verteilt die individuellen Auswirkungen allgemeiner Risiken, also den finanziellen Schaden so auf mehrere Personen, dass der Einzelne von ihnen nicht in existenzbedrohender Weise getroffen wird.

Wozu schließt man eine Hausratversicherung ab? Um sich im Fall eines Wohnungsbrandes die Wohnung wieder einrichten zu können – für die GAU-Risiken!

Walz: Den Begriff GAU, also „Größter Anzunehmender Unfall“ kenne ich bisher nur im Zusammenhang mit Atomkraftwerken. Den Schutz gegen Risiken, die von der Kernkraft ausgehen, meinen damit wohl eher nicht, oder?

Gatschke: Nein. Es geht darum, zunächst einmal die Risiken angemessen abzusichern, die bei einem Schadenseintritt existenzbedrohend sein können. Das Augenmerk liegt dabei auf der potentiellen Schadenshöhe.

Hier ist die private Haftpflichtversicherung ein schönes Beispiel. Ein ehemaliger Kollege von mir begann die fiktive Erzählung vom Schadensverlauf immer mit einem Jugendlichen, der unaufmerksam auf die Straße trat und einem Tanklastwagen zum Ausweichen zwang und danach ließ er seiner Phantasie freien Lauf…

Der potentielle Schaden wurde immer größer und die Eintrittswahrscheinlichkeit des Schadens immer geringer. Das Verhältnis von potentieller Schadenshöhe und Eintrittswahrscheinlichkeit spielt zwar für die Berechnung der Versicherungsprämie eine entscheidende Rolle.

Verbraucher sollten hingegen lediglich auf die Schadenshöhe achten.  Die Eintrittswahrscheinlichkeit des Schadens darf für die Frage, ob ich eine Versicherung benötige keine Rolle spielen. Was hilft es mir in der konkreten Schadenssituation, dass der Schadenseintritt „eigentlich“ relativ unwahrscheinlich war. Er ist eingetreten!

Walz: Warum tun wir uns so schwer, dies auch umzusetzen?

Gatschke: Versicherungen sind nicht körperlich, sondern lediglich abstrakt, also intellektuell, erfassbar.

Im Vordergrund steht ein vor allem finanzieller Schutz vor zukünftigen ungewissen Ereignissen. Gefasst ist dies alles in komplexen, juristisch formulierten und die fachspezifischen Besonderheiten abbildenden Texten, deren Abstraktionsgrad sich kaum noch steigern lässt und von der Lebenswirklichkeit der Kunden zumeist sehr weit weg ist.

Bedeutsam ist insbesondere, dass es für den Kunden keine „spürbare Gegenleistung“ zur Prämienzahlung gibt. Da hilft es mir, wenn ich mir vor meinem geistigen Auge ausmale, wie eine Streitigkeit mit meinem Nachbarn vor Gericht endet. Und schon ist der Wunsch nach einer Rechtsschutzversicherung da.

Versicherungen darfs ein bisschen mehr sein embedded insuranceWalz: Und Handys gehen oft verloren oder kaputt!

Gatschke: Mag sein, aber ich sagte ja gerade, dass es nicht auf die Eintrittswahrscheinlichkeit, sondern die Schadenshöhe ankommt.

Sind Sie – lieber Herr Walz – wirklich in Ihrer Existenz gefährdet, wenn Ihnen Ihr Handy herunterfällt? Wohl eher nicht. Überspitzt formuliert hat es also schon eher etwas von einer Wette, wenn Sie eine Handyversicherung abschließen.

Indem Ihnen beim Handykauf sofort die Versicherung angeboten wird, suggeriert man Ihnen doch geradezu, dass nicht mehr die Frage sei, ob Sie Ihr Handy fallen lassen, sondern lediglich wann. Dieser Versicherungsschutz springt Ihnen ins Auge.

Bei der so genannten Garantieverlängerung, die teilweise mitverkauft wird, sieht es schon anders aus. Nach einer Umfrage des Verbraucherzentrale Bundesverbandes wählten nur 14 Prozent der Befragten den konkreten Versicherungsschutz einer Garantieverlängerung unter den möglichen Antworten aus.

Walz: Eigentlich hätten sie beim Verkauf der Garantieverlängerung beraten werden müssen.

Gatschke: Hier gibt es eine Gesetzeslücke. Verkäufer, die die Versicherungen nur „nebenbei“ anbieten – also das Reisebüro oder der Elektronikmarkt – müssen die Verbraucher nicht beraten.

Sie müssen ihnen nur das Produktinformationsblatt, quasi den Steckbrief der Versicherung, aushändigen. Jetzt stelle ich mir vor, was da beim Verbraucher ankommt, nachdem er sich in einem Möbelhaus für einen größeren Einrichtungsgegenstand mit allen Extras entschieden hat, der Kaufpreis mit einer 0-Prozent-Finanzierung abgedeckt wird und dann das Thema auf die Restschuldversicherung gelenkt wird…

Walz: Sind dann solche Koppelversicherungen zumindest besonders preisgünstig? Schließlich ist doch der Vertrieb sehr einfach, da man dem Kunden den Versicherungsschutz ja geradezu nebenbei beim Kaufprozess „unterjubelt“.

Gatschke: Das Gegenteil ist der Fall: Da der Kunde seine Wahrnehmung im Kaufprozess auf den konkreten Gegenstand lenkt, überschätzt er in dieser Situation dessen Wert, Wichtigkeit und folglich den Nutzen des gerade angebotenen Versicherungsschutzes.

Und folglich zahlt er bereitwillig eine für diesen Ausschnitt viel zu hohen Preis. Denken Sie nur an das funkelnagelneue Handy oder Ihr geliebtes Kind, dass nächste Woche zum KiTa-Ausflug geht.

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„Rechnet man die Prämie von 1,49 Euro für den 24-Stunden-Unfallschutz bei einem KiTa-Ausflug auf das Jahr hoch, würde man fast 550 Euro bezahlen müssen. Bei dieser Summe würden die Meisten erst einmal zusammenzucken. Bei 1,49 Euro denken die Wenigsten nach, ob der Preis angemessen ist.“, so Lars Gatschke
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Walz: Nach diesem kurzen Gespräch mit Ihnen habe ich das Gefühl, dass bei den produktakzessorischen Versicherungen doch einiges im Argen liegt und wir eine klare Regulierungslücke haben. Auch wenn ich ein klarer Gegner von zu viel Regulierung bin – in diesen Fällen handelt es sich ja eindeutig um „Vertrauensgüter“, bei denen die Verbraucher keine Chance haben, die Notwendigkeit und Angemessenheit der nebenbei mit abgeschlossenen Versicherung zu erkennen.  

Gatschke: Für die Versicherer gilt wohl eher der Ausspruch meines Großvaters: „Kleinvieh macht auch Mist!“. Auch wenn die einzelne Versicherung nicht viel kostet, bleibt viel Geld beim Versicherer hängen, weil die tatsächliche Schadensquote wohl geringer als die von den Verbrauchern intuitiv erwartete ist. Umso wichtiger wäre eine gute Beratung.

Aus Verbraucherschutzsicht muss dieses Produktsegment endlich aus dem toten Blickwinkel von Gesetzgebung und Aufsicht kommen:

  • Auch im diesem so genannten produktakzessorischen Vertrieb müsste es eine Beratung geben.
  • Zumindest müsste nach bestehendem Versicherungsschutz gefragt werden, um Doppelabsicherungen zu vermeiden.
  • Vermittler in Nebentätigkeit müssten für die von ihnen Versicherungskategorien eine Sachkunde nachweisen und
  • Sie müssten sich am Schlichtungsverfahren beteiligen.

Danke für das Gespräch Herr Gatschke!

Lars Gatschke Verbraucherzentrale Bundesverband vzbv

[1] Sehr geläufig ist auch der englischsprachige Ausdruck „embedded insurance“ was intuitiv verständlich erklärt, dass ein Versicherungsschutz in den Erwerbsprozess eines Produktes oder einer Dienstleistung eingebettet wird.

[2]  Näheres zur Person von Lars Gatschke finden Sie in der Autorenvorstellung am Ende des Beitrags.

 

Erschienen am 13. Dezember 2024.
Der Hartmut Walz Finanzblog ist unabhängig, kosten- und werbefrei. Ich erhalte für Links und Empfehlungen keinerlei Honorar, Kick-back, Beteiligung o. ä. Mich nährt nur die Anerkennung ehrbarer Menschen. Und die Vision, dass Deutschland ein ehrlicherer Platz für Sparer und Vorsorgende werden wird.

1 Gedanke zu „Versicherungen im Paket“

  1. Grundsätzlich stimme ich der Forderung zu, dass eine Beratungsverpflichtung bestehen sollte. Fraglich bleibt, ob dann trotz gesetzlicher Beratungsverpflichtung eine Beratung auch tatsächlich stattfindet, insbesondere dahingehend, im Einzelfall auch von einer unnötigen Versicherung abzuraten.

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Prof. Dr. Hartmut Walz
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