STRUKKIS AN HOCHSCHULEN
Wie Finanzvertriebe unsere Kinder ködern
Die Jagdsaison hat wieder begonnen. Finanzstrukturvertriebe suchen an deutschen Hochschulen unter den Erstsemestern junge LeOs – Leicht erreichbare Opfer! Und sie machen „fette Beute“.
Der Sommer geht zu Ende und an den Hochschulen Deutschlands beginnt bald das neue Semester. Über eine halbe Million neu eingeschriebene Studierende werden in den nächsten Wochen an einer deutschen Hochschule ihr Studium aufnehmen. Hoffnungsfroh, aber mit wenig Lebenserfahrung.
Und werden dort nicht nur von Lehrenden und VerwaltungsmitarbeiterInnen freudig empfangen. Sondern auch von den sogenannten „Hochschulteams“ unzähliger Finanzvertriebe, die im Rahmen eines ausgefeilten Hochschulmarketing nach – so ein Brancheninsider wörtlich – „Frischfleisch“ suchen.
Ist das kritikwürdig? Ja, sehr wohl.
Denn die dort vermittelten Finanzdienstleistungen gehören zu den schlechtesten und provisionsintensivsten, die die Branche zu bieten hat. Und durch die Nähe zur Hochschule wird bei den jungen Studierenden das Vertrauen in die Seriosität der öffentlichen Institution auf die Finanzdienstleister übertragen.
Bei den Finanzdienstleistern reden wir hier von MLP, Horbach, Mayflower, Tecis & anderen. Sie akquirieren Kunden nach den Methoden eines Strukturvertriebs. Im Volksmund sind sie daher auch als Strukkis bekannt.
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„Ich dachte, die sind okay, wenn die Hochschule die hier auf den Campus lässt.“
„Ich habe angenommen, die sind besonders vertrauenswürdig, wenn sie offiziell hier
auf dem Campus werben dürfen.“
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Das sind nur zwei von vielen Aussagen, die ich von Studierenden dazu höre.
Auch wenn Sie persönlich aktuell nicht betroffen sind (Sie sind nach dem Studium, noch vor dem Studium oder haben gar keine Veranlassung zum Studium…): Bitte, informieren Sie sich über die Zustände die heute – im Jahr 2019 – an deutschen Hochschulen gang und gäbe sind.
Und offenbar kaum jemanden stören. Obwohl ein gesellschaftlicher Schaden in Milliardenhöhe sowie ein massiver Vertrauensverlust der geschädigten Studierenden die Folge sind.
Erstsemester sind gleich doppelt attraktiv
Die neu immatrikulierten Studierenden stellen gleich in zweifacher Weise eine attraktive Zielgruppe für Finanzstrukturvertriebe dar.
Erstens sind sie wahrscheinlich der erfolgreichere Teil ihrer Jahrgangsgruppe. Und haben gute Chancen, sich nach Abschluss ihres Studiums für die Strukkis zu „Goldfischen“ zu entwickeln. „Goldfische“ sind in der Strukki-Sprache Kunden mit hoher Rentabilität.
Zweitens können die Studierenden neben der Kundenrolle jedoch auch als MitarbeiterInnen gewonnen werden. Natürlich nicht als fest angestellte und sozialversicherte MitarbeiterInnen. Sondern als eine Art (Schein-)Selbständige.
Diese Studierende werden nebenberuflich für die Strukturvertriebe tätig und „beraten“ entweder auf niedrigstem Niveau oder arbeiten als „Kontakter“.
Als „Kontakter“ führen sie dem Strukturvertrieb wiederum ihre Mitstudierenden, Freunde, Familienmitglieder usw. zu. Sie gehen mehr oder weniger naiv für die Strukkis auf LeO-Fang.
Kaum zu glauben, aber wahr
Gerade die weniger Leistungsfähigen und für den Arbeitsmarkt nicht so attraktiven Studierenden sehen in der Zuarbeit für einen Strukturvertrieb eine berufliche Perspektive. Und werden mit Erfolgsstories von FPVs, die es „geschafft“ haben motiviert.
Die Motivation (mancher sagt, Gehirnwäsche) geht sogar so weit, dass mir z. B. ein Erstsemester-Student mit geleaster S-Klasse anbot, sein Mitarbeiter zu werden. Mittlerweile läuft er wieder. Und sein Studium hat er auch nicht abgeschlossen. Offenbar hat er nicht genug LeOs gefangen.
Aus der Trickkiste der Strukki-Hochschulteams
Um an attraktive Akademiker-LeOs zu gelangen, benutzen die Strukturvertriebe eine Menge kreativer Methoden. Wer nicht sensibilisiert ist, verkennt leicht den wahren Grund für Spaß und Kontaktaufnahme hinter den Events. Nämlich Kontakte, Adressen, Daten…
Nachstehend skizziere ich mal kurz die wichtigsten Methoden der Strukkis an deutschen Hochschulen:
Sponsoring ist lediglich ein Ausgangspunkt
Für einen kleinen Sponsorenbetrag erhalten Finanzvertriebe an vielen Hochschulen die ganz offizielle Erlaubnis, einen Stand auf dem Hochschulgelände aufzustellen. Und werden so von jungen Studierenden als ebenso seriös wahrgenommen, wie das Deutsche Rote Kreuz, das mit seinem Stand am Vortrag für Blutspenden warb.
Natürlich sind MitarbeiterInnen von Finanzdienstleistern dann auf dem Campus der Hochschulen präsent. Sie verteilen Nüsse für die gestressten Studierendennerven, Traubenzucker fürs Studierendenhirn oder Büromaterial mit Werbeaufdrucken. Und sie laden zu kostenlosen Seminaren und Bewerbungstrainings ein.
Gewinnspiele aller Arten werden genutzt, um an die Kontaktdaten ahnungsloser Studierenden zu gelangen.
Spiele, Spaß & Fotos
Besonders erfolgreich ist ein Finanzdienstleister, der studierende Basketballspieler sponsert. Diese besuchen dann Hochschule um Hochschule, bauen einen Basketballkorb auf und lassen die Kommilitonen Bälle werfen.
Wer den Korb trifft, erhält ein Werbegeschenk. Und darf an einer Verlosung teilnehmen, für die er natürlich seine Adressdaten überlassen muss. Da jeder so oft werfen darf, bis er trifft, gibt es nur Gewinner. Da bekommt Win-Win doch eine ganz neue Bedeutung!
Hochschulmarketing-Abteilung bei Strukkis
Alles in allem laufen die Campus-Besuche für die Strukkis prächtig. Ein Aussteiger einer Heidelberger Dreibuchstabengesellschaft berichtet, dass dort ein eigenes Vorstandsressort für das Hochschulmarketing mit einem großen Budget besteht. Die zweistellige Anzahl an „Hochschulteamleitern“ berichten wöchentlich.
Spenden gegen Zugang zu Akademikern
Die nachhaltige Sympathie mancher Hochschulen haben sich Finanzstrukturvertrieb durch größere Spenden sowie die Finanzierung von Forschungseinrichtungen oder Kostenübernahme für Infrastruktur erkauft.
Wenn eine Uni gar einen Raum nach einem Finanzdienstleister benennt, kann man über so viel Nähe sicher unterschiedlicher Meinung sein.
Wenn aber in der gleichen Uni Lehrveranstaltungen wegen Spontanverhinderung des Dozenten ebenso spontan durch eine Gastvorlesung des gleichen Strukturvertriebs ersetzt werden, dann hat das schon ein übles „Geschmäckle“.
Nur an wenigen Hochschulen haben die Strukturvertriebe die Toleranz der Hochschulleitung und Lehrenden überstrapaziert. Und ein formales Hausverbot erhalten. Das schadet aber nur wenig. Denn es gibt noch viele andere Möglichkeiten…
Unterwanderung von AStA, StuPa und Studierendeninitiativen
Die nebenberuflich bei einem Strukturvertrieb arbeitenden Studierenden werden angeleitet, eine ehrenamtliche AStA-Tätigkeit zu übernehmen. AStA ist der Allgemeine Studentenausschuss, also die Studierendenvertretung einer Hochschule. Oder sie sollen sich zur Wahl für das Studierendenparlament (StuPa) zur Verfügung zu stellen.
Der Andrang für solche ehrenamtlichen Funktionen ist angesichts hohen Studiendrucks und kurzer Studiendauern sehr überschaubar. So dass die Nebenerwerbs-Strukturvertriebler mit hoher Wahrscheinlichkeit zum Zuge kommen.
Und für Strukturvertriebe ist ein solcher Brückenkopf in die Hochschule wertvoll, da ihre Vermittler bzw. Werber von ganz alleine in Kontakt mit vielen anderen Studierenden, insbesondere ratsuchenden Erstsemestern kommen.
Der Doppelpass zwischen Strukturvertrieben und AstA-Mitgliedern funktioniert so prächtig, dass der schöne Nebenerwerb bei Ausscheiden von AstA-Mitgliedern oft einfach an deren Nachfolger übergeben werden kann.
Ähnlich funktioniert es mit studentischen Initiativen an Hochschulen. Ein ehemaliger Hauptberufler eines Strukturvertriebs berichtet von einer hohen Zahl von „Vertrauensleuten“ in den Fachschaften der Hochschulen.
Unterwanderung der Career Center
Sehr viele Hochschulen verfügen über Career Center. Die bieten jungen Akademikern an der Hochschule Unterstützung, wie Bewerbungstrainings, Beratungsangebote und Workshops zu Selbstentwicklungsthemen usw.
Viele davon verstehen sich auch als „Kontaktbrücke“ zu besonders „engagierten Unternehmen“ (dazu zählen selbstredend auch Strukturvertriebe).
Und so fungieren viele Career Center faktisch als Vermittler von Seminarangeboten der Strukturvertriebe, in denen diese unter dem Motto „Dein Start ins Berufsleben“ ihr Bündel von völlig überteuerten und nicht bedarfsgerechten Finanz- und Vorsorgedienstleistungen verkaufen.
Es gibt Hochschulen, in denen ein Strukturvertrieb das gesamte Career Center finanziert. Oder Mitarbeiter des Finanzdienstleisters „ehrenamtlich“ die Programmgestaltung des Career Centers übernommen haben.
Zweistufiges Vorgehen bei Workshops
Sehr beliebt ist ein zweistufiges Vorgehen bei Workshops durch Finanzdienstleister. Der erste Teil findet in den Räumlichkeiten der Hochschule statt. Und erfüllt inhaltlich weitgehend die Ankündigung (also z. B. Bewerbungstraining, Körpersprache, Selbstorganisation oder Wie manage ich mein Auslandssemester).
Hier werden die Studierenden zur Überlassung ihrer Adressdaten gebeten, z. B. unter dem Vorwand, ihnen ein Fotoprotokoll oder eine Testauswertung zukommen zu lassen.
Zum zweiten Teil werden die Studierenden in Schulungsräumlichkeiten des Finanzdienstleisters eingeladen. Und bei Essen und Trinken von der Vorteilhaftigkeit des Abschlusses überteuerter Finanzdienstleistungen „überzeugt.“
Denn schließlich haben viele Strukturvertriebe eine eigene „Academy“. Zahlreiche Erfahrungsberichte von Studierenden belegen, dass alle Methoden der „psychologischen Kampfführung“ zum Einsatz kommen. Und sie sich massiv unter Druck gesetzt fühlten.
Wer im Nachgang dieser „Schulung“, die in Wahrheit eine reine Verkaufsveranstaltung ist, die 14-tägige Widerspruchsfrist nutzt, um aus seinen Verträgen wieder herauszukommen, wird in der Folgezeit noch intensiv mit Anrufen und Emails „nachbearbeitet“.
Einschleusen von Lehrbeauftragen
Lehraufträge an Hochschulen sind üblicherweise schlecht bezahlt. Sie werden daher auch humorvoll als „Leer-Aufträge“ bezeichnet. Gute Lehrbeauftragte leisten ihre Arbeit daher nicht aus finanziellen Gründen.
Sondern aus intrinsischer Motivation heraus. Oder – insbesondere in betriebswirtschaftlichen Studiengängen – weil sie MitarbeiterInnen des „Hochschulteams“ eines Strukturvertriebs sind. Und: keine Überraschung – mittels Lehrauftrag einen weiteren Brückenkopf in die Hochschule hinein bauen können.
Die an den Lehrveranstaltungen der Hochschule teilnehmenden Studierenden unterstellen Neutralität und Qualität der gebotenen Information. Schließlich handelt es sich ja um eine offizielle Lehrveranstaltung.
Gelegentliche Abschweifungen und Falldemonstrationen zur Wichtigkeit von Finanz- und Vorsorgedienstleistungen werden von den ZuhörerInnen jedoch toleriert. Insbesondere, wenn der Sympathiefaktor zum Lehrenden hoch ist – und die Noten stimmen.
Legal, halblegal, illegal, völlig egal?
Seit Einführung der Datenschutz-Grundverordnung haben einige recht plumpe Methoden des Datensammelns durch Strukturvertriebe an Bedeutung verloren. War es früher üblich, über Hochschulbedienstete informell an die Adressdaten von Studierenden zu gelangen, herrscht an dieser Stelle nun eine größere Sensibilität seitens der Hochschulen.
Auch die vormals beliebte Methode, bei Abschlussveranstaltungen oder akademischen Feiern Fotos der Studierenden zu machen und diese gegen Überlassung der Kontaktdaten kostenlos zuzusenden, hat an Bedeutung verloren.
Jedoch bewegen sich einige der Aktivitäten des “Hochschulmarketing” der Strukturvertriebe in einer fragwürdigen Grauzone der Halblegalität.
Doch wo kein Kläger, da kein Richter – und eine Kultur des Wegschauens bzw. der Gleichgültigkeit ermöglichen den „Hochschulbeauftragten“ der Strukkis ein ungehindertes Agieren. Insbesondere bei den technisch-naturwissenschaftlichen Studiengängen scheint die Naivität der Beteiligten offenbar recht ausgeprägt.
Wie fühlt es sich für Sie an?
Ob Verlinkungen von Hochschulseiten auf Finanzdienstleister oder umgekehrt rechtlich zu beanstanden sind, mag ich nicht einschätzen.
Ebenso wenig, ob Werbeanzeigen von Finanzdienstleistern in Erstsemesterzeitschriften zulässig sind, wenn diese fließend in redaktionelle Inhalte übergehen und nicht mit dem Hinweis „Anzeige“ gekennzeichnet sind.
Oder wenn Mitglieder der „Hochschulmarketing-Teams“ von Strukturvertrieben als Juroren um Stipendien von Studierenden auftauchen und dabei – keine Überraschung –an Kontaktdaten und wirtschaftliche Verhältnisse der Studierenden gelangen.
Formal juristisch vielleicht nicht zu beanstanden? Oder doch? Auf alle Fälle bleibt ein ganz bitterer Beigeschmack.
Und Sie wissen ja:
Struktur eines Gewinner-Verlierer-Spiels
Teilweise wird von Hochschulangehörigen sogar die Auffassung vertreten, dass die Aktivitäten von Finanzvertrieben im gegenseitigen Interesse aller Beteiligten seien.
So nach dem Motto: Wenn die nicht da wären, wären ja unsere Studierenden mit Versicherungs- und Vorsorgeprodukten unterversorgt.
Die Wahrheit sieht leider ganz anders aus.
Es ist ein Spiel mit einem großen Gewinner, einem kleinen Profiteur und zwei großen Verlierern.
Der große Gewinner
Der große Gewinner sind die Finanzvertriebe, die ausschließlich dem Ziel ihrer eigenen Provisionsmaximierung folgen. Sie drücken jungen Studierenden völlig überteuerte und oftmals nur sehr bedingt bedarfsgerechte Produkte, Produktkombinationen oder Vorsorgestrategien auf (daher der Name „Drücker“).
Eine konkrete Fallbeschreibung hierfür finden Sie im Blogbeitrag „Perpetuum Mobilie bei Finanzen? – 10 böse Haken“.
Ein kleiner Profiteuer
Ein kleiner Profiteuer sind diejenigen Hochschulen, die ohne nennenswerten Aufwand, Sponsorenbeiträge der Finanzdienstleister vereinnahmen. Okay. in manchen Fällen sind es größere Beträge… Was die Sache aber nicht besser, sondern nur noch schlimmer macht.
Eindeutige Verlierer
Eindeutige Verlierer sind die Studierenden, die in falschem Vertrauen auf die durch den Hochschulkontext „geadelten“ Finanzvertriebe Produkte oder Produktbündel abschließen, die in mehrfacher Hinsicht sehr unvorteilhaft bis schädlich sind.
Mehrfach unvorteilhaft weil völlig überteuert und mit versteckten Risiken versehen.
Und schädlich, wenn z. B. Studierende mit geschönten Angaben und Halbwahrheiten dazu verführt werden, ihre Bonität für den fremdfinanzierten Erwerb einer vermieteten Immobilie einzusetzen. Und aufgrund der eingeschränkten Bonität später in ihrer wirtschaftlichen Handlungsfreiheit behindert sind.
Hoher Schaden
Der ganz überwiegende Teil der von Jungakademikern in diesem Hochschul-Strukki-Kontext abgeschlossenen Verträge wird innerhalb der ersten zehn Jahre gekündigt oder beitragsfrei gestellt.
Der wirtschaftliche Schaden der Betroffenen ist enorm. Und übersteigt bei weitem das Volumen, welches die Hochschulen als Sponsorengelder von den Strukkis erhalten haben. Wen wundert´s? Schließlich sind die Strukkis ja keine Samariter – sondern knallhart auf Profit getrimmte Verkäufer.
Und der letzte große Verlierer
Und der letzte große Verlierer ist unsere Gesellschaft. Das „gebrannte Kind“ scheut das Feuer. Und wer in jungen Jahren mit katastrophal schlechten Versicherungs- und Vorsorgeprodukten viel Geld verloren hat, wird später oftmals auf Eigenvorsorge verzichten.
Das ist zunächst für den Einzelnen fatal. Denn es gibt sehr wohl gute Versicherungen und Vorsorgeprodukte mit einem ordentlichen Preis-Leistungs-Verhältnis.
Aber es ist auch für unsere Gesellschaft fatal. Denn wer auf Eigenvorsorge verzichtet, nimmt später vielleicht das Sozialsystem in Anspruch.
Finanzdienstleister haben an Hochschulen nichts zu suchen
Oftmals wird „pseudo-liberal“ argumentiert, dass die Strukturvertriebe an Hochschulen die Studierenden ja nicht zum Abschluss unvorteilhafter Verträge zwingen. Es seien doch Verträge unter erwachsenen Menschen. Was solle die ganze Aufregung?
Als Professor mit volks- und betriebswirtschaftlicher Ausbildung widerspreche ich dem entschieden.
Finanzdienstleistungen sind keine Toaster oder Brötchen. Wenn Ihr Bäcker Ihnen Holzmehl ins Brötchen mischt, dann spucken Sie dieses beim ersten Bissen wieder aus. Sie beschweren sich, zeigen ihn ggfs. beim Gewerbeaufsichtsamt an und kaufen nie wieder dort.
Die „Kosteneinsparung“ des Bäckers wird also nicht funktionieren. Der Markt funktioniert und bestraft schlechte Qualität oder Betrug.
Nicht so bei Finanz- und Vorsorgedienstleistungen. Hier können Sie die Qualität und Preiswürdigkeit nicht gleich kontrollieren. Das „dicke Ende“ schlechter Verträge kommt erst viel später. Erst nach Jahrzehnten wird das volle Ausmaß der Unvorteilhaftigkeit sichtbar.
Der Strukki ist da schon lange in der Toskana. Die Stornohaftpflicht ist abgelaufen. Und es gibt viele falsche Ausreden (EZB, Nullzinswelt etc.) dafür, dass das Produkt so wenig erbrachte.
Kurzum: Finanzdienstleistungen sind Vertrauensgüter, da die Leistung weit vor der Gegenleistung erfolgt. Und eine Qualitätskontrolle für den Normalsterblichen nicht möglich ist. Das unterscheidet sie von Toastern und Brötchen.
Grober Missbrauch von Vertrauen
Exakt dieses Vertrauen wird missbraucht, wenn sich Finanzdienstleister die Reputation von öffentlichen Institutionen, wie Hochschulen für kleines Geld „ausleihen“.
Ich persönlich bin schon liberal und glaube an die Effizienz der Märkte. Jedoch können Märkte nicht funktionieren, wenn es um Vertrauensgüter geht und das Vertrauen so systematisch und planvoll zum Nutzen Einzelner missbraucht wird.
Und was bedeutet das nun konkret für Sie?
- Bitte sensibilisieren Sie Freunde und Bekannte für das Thema „Finanzvertriebe an Hochschulen“.
- Denken Sie bitte nicht: „Das geht mich nichts an“. Denn zumindest indirekt ist jeder von uns betroffen und zahlt die Zeche (durch höhere Steuern, Sozialabgaben und Vertrauensverluste).
- Bitte informieren Sie Ihre Kinder oder junge Menschen in Ihrem Umfeld kritisch über die fragwürdige Geschäftspolitik des „Hochschulmarketing“ von Strukturvertrieben.
- Informieren Sie vor allem Junkakademiker.
- Leiten Sie diesen Blogbeitrag weiter.
- Raten Sie jungen Studierenden konsequent davon ab, einen „lukrativen Zusatzverdienst“ bei einem Strukturvertrieb zu suchen. Bringen Sie diese davon ab, selbst ein Strukki zu sein. Man kann sein Geld doch auch anständig verdienen!
Wurden Sie geködert? Haben auch Sie Strukkis an Hochschulen erlebt? Schreiben Sie Ihre Erfahrungen mit Strukturvertrieben (gerne auch positive, denn wir wollen ja fair sein) an die Bürgerbewegung FINANZWENDE!
Helfen Sie bitte mit, dass unsere Gesellschaft in Sachen Finanzdienstleistungen ein besserer Platz für Menschen wird, die ihr ehrlich erarbeitetes Geld sinnvoll anlegen und für sich und ihre Familien vorsorgen wollen.
Herzliche Grüße
Hartmut Walz
Sei kein LeO!
Erschienen am 06. September 2019.
Der Hartmut Walz Finanzblog ist unabhängig, kosten- und werbefrei. Ich erhalte für Links und Empfehlungen keinerlei Honorar, Kick-back, Beteiligung o. ä.
Hallo Herr Walz, ich bin selbst bei Tecis beraten und habe den Artikel von einem Schulfreund geschickt bekommen. Bei mir war es so, dass mein “Berater” mir meine Alte Leipziger BU fast im Preis halbiert hat, durch einen Anbieterwechsel bei gleichen Konditionen. Er wollte mir zwar auch eine Unfallversicherung verkaufen, die wäre auch günstiger gewesen, aber da wollte ich bei dem alten Berater meiner Eltern bleiben.
Und da er mich direkt angesprochen hat und aus meinem Umfeld kam war da nichts dubios.
Mit besten Grüßen
Liebe/r Meilert, auch wenn ich Ihre Argumentation als etwas naiv empfinde, schalte ich Ihren Kommentar gerne frei. Tecis-Söldner, genau wie die “Kollegen” anderer Strukturvertriebe kommen IMMER aus dem privaten Umfeld. Das ist doch Teil des Vertriebskonzeptes, um einen Vertrauensvorsprung auszunutzen. Und wenn Ihr BU-Tarif sich im Preis fast halbieren ließ, dann sollte Sie das doch alarmieren. Wenn Sie sich wirklich unabhängig beraten ließen, vielleicht wäre ja die nächste Halbierung drin 😉
Herzliche Grüße, Hartmut Walz – Sei kein LeO!