Opfer – was nun?
Eine Anleitung für kluge Finanzentscheider
„Leicht erreichbares Opfer“ ist schon seit vielen Jahren eine Insider-Bezeichnung der Finanzdienstleistungsbranche für Kunden, die wenige Kenntnisse haben, aber zu motivieren sind, irgendwie Geld anzulegen.
Schnell haben wir ein Bild vor Augen, wen das treffen könnte. Uns doch jedenfalls nicht, oder doch? Sicher zeigt die Statistik, dass bestimmte Gruppen stärker im Blickfeld der LeO-Sucher sind. Doch bei genauem Hinschauen kann es jeden treffen: Geschäftsführer, Rentner, junge Menschen, Frauen…. LeOs findet man überall.
Ob Sie Bausparen möchten, Altersvorsorge betreiben, den Abschluss einer betrieblichen AV planen oder einfach schlicht Vermögen aufbauen wollen. Schlechte Beratung kann jeden treffen.
Sie haben einen der Echtfälle aus der Serie „Verraten statt beraten“ im Hartmut Walz Finanzblog gelesen und dabei vielleicht erfahren, dass auch eine Anlage- oder Vorsorgeentscheidung von Ihnen unvorteilhaft war. Vielleicht sogar sehr unvorteilhaft und damit zu teuer.
Sie sind Opfer. Was tun Sie?
Man könnte denken: Betroffene nehmen sofort den Hörer in die Hand und kündigen den Vertrag.
Aber nein, etwas in Ihnen hält Sie zurück. Eine Stimme, die sich meldet und sagt: „Das darfst Du nicht.“ „Was wird er von Dir denken?“ „Was, wenn Sie sich verteidigt?“ Diese Bedenken klingen seltsam. Die Rollen sind doch klar: Sie fühlen sich betrogen. Damit ist der Berater der „Täter“ und muss zur Rechenschaft gezogen werden. Nur von wem?
Schon die Grimms Märchen in der Kindheit haben uns eine bestimmte Rollenverteilung gelehrt. Deshalb hinterfragen wir den Film, der jetzt in unserem Kopf und Herzen spielt, nicht mehr.
Im Märchen kommt der Retter – ein Prinz – auf die Bühne und erlöst das Opfer. Im richtigen Leben müssen wir den Retter finden und beauftragen uns zu „befreien“. Wir sind im ersten Moment selbst gefragt.
Eine mutige faktenbasierte Reaktion fällt vielen schwer. Aber warum? Sind die Zahlen denn nicht in vielen Fällen glasklar? Doch, aber Fakten sprechen nicht von selbst. Wir müssen kommunizieren.
Und das heißt: Wir sind Opfer und müssen uns einen Retter suchen oder direkt mit dem „Täter“ in Kontakt treten.
Ein Täter wird jedoch in der Regel als der „Mächtige“ von uns wahrgenommen. Das wiederum bestärkt uns in der „Opferrolle“, die zumindest oberflächlich betrachtet allein von Ohnmacht und Schwäche geprägt ist.
Woher kommen die drei Rollen: Täter, Opfer, Retter?
Das sogenannte Drama-Dreieck „Täter, Opfer, Retter“ ist ein sozialpsychologisches Modell, das zuerst von dem Psychologen Stephen Karpman (1968) entwickelt wurde. Das Modell beschreibt, wie Menschen in unterschiedlichen Situationen zunächst unbewusst in diesen drei Rollen einen Lösungsversuch für Konflikte „miteinander spielen“.
Der Begriff Spiel, den insbesondere Eric Berne im Therapiekonzept seiner Transaktionsanalyse nutzt, klingt zunächst unpassend. Das Konzept ist jedoch sehr ressourcenvoll. Rollen haben Stärken und Schwächen. Im „Spiel“ können wir neue Facetten einer Rolle ausleben und auch einen Rollenwechsel in ganz neue Rollen vornehmen, ohne uns langwierig tiefen Veränderungsprozessen hingeben zu müssen.
Das Täter-Opfer-Retter–Spiel ist ein Drama, bei dem Verführung in allen drei Rollen zu einer besonderen Dynamik beiträgt.
– der Täter fühlt sich stark
– der Retter fühlt sich wertvoll
– das Opfer kann die Verantwortung abgeben.
Dazu kommt, Opfer bleiben selten allein. Sie üben auf andere eine magische Anziehungskraft aus: Diese können sich als Retter zu den „Guten“ zählen. Sie übernehmen manchmal auch ungefragt Verantwortung und damit für kurze Zeit die Kontrolle auf der Bühne.
Wenn das Spiel im Fluss ist, geben diese Rollen allen Beteiligten Sicherheit. Ein Grundbedürfnis, das alle Menschen in sich tragen. Je weniger dieses Bedürfnis in alltäglichen Kontakten befriedigt wird, desto mehr werden die Menschen auf ihre eigene „Sicherheitsreserven“ zurückgeworfen.
Wer in der Kindheit gut mit Sicherheit versorgt wurde, der kann schon mal eine Weile ohne „Zufuhr“ von außen zurechtkommen. Wer wenig Sicherheit erlebt hat, der greift als Erwachsener nach jedem Strohhalm. Auch wenn diese Lösung nur von kurzer Dauer ist. Denn sie wird mit Frustration bezahlt, wenn sich herausstellt, dass „mein“ Retter gar nicht so mächtig ist wie erhofft. Oder mir der Täter so viel (Wort)Macht entgegenbringt, dass sich das Gefühl der Ohnmacht zu schnell wieder einstellt. Und damit stabilisiert sich in diesem Spiel die Opferrolle.
Das Opfer-Täter-Retter-Spiel führt auf Dauer zu dysfunktionalen, also schädlichen Beziehungen in Systemen wie Familie, aber auch in Unternehmen und Gesellschaft. Die eigentlichen Aufgaben wie zum Beispiel finanzielle Gesundheit, Sicherheit, Entwicklung und Wachstum können nicht mehr wahrgenommen und in Angriff genommen werden.
Meine Hypothese:
Auch die Beziehung Bank/FDL-Kunde-Verbraucherschutz ist mit wenigen Ausnahmen in so einem dysfunktionalen Zustand.
Der Kunde ist (weltweit) finanziell und emotional im Umgang mit Geld ungebildet (Analphabet).
Die Bank/FDL versucht aus Angst nicht genug zu verdienen und der Gier immer mehr verdienen zu müssen, den Kunden und die Berater weitgehend zu kontrollieren und Veränderungen zu verhindern. Sie verliert dabei das Gefühl für Macht, Ethik und Bindung. Ein Beispiel: Schon vor vielen Jahren konnte ich erleben, wie ein Vertreter einer größeren Bank sagte: „Wenn wir das – ein wissenschaftlich fundiertes Risikoprofiling – einführen, dann steuert ja der Kunde“. Rational und insbesondere finanziell betrachtet wäre das eine Win-Win-Lösung, wenn die Bedürfnisse des Kunden bekannt sind. Doch das Verharren der FDL in dem Drama-Dreieck verhindert die Bewegung in Richtung Kooperation auf echte Augenhöhe mit dem Kunden.
Die Retter in Form der Politik oder auch des Verbraucherschutzes haben die Chance eines emanzipierten Kunden noch nicht vollständig erkannt. Die Retter versuchen zu helfen, halten damit aber das Ungleichgewicht (Stark/Schwach) aufrecht und kommen nur schwer an Täter und Opfer ran. Einige Player (u.a. manche Berater) springen zwischen den Rollen hin und her, kommen aber aus dem Drama – und dem damit verbundenen Konflikt und Stress – nicht wirklich raus.
Wo liegt beim Drama-Dreieck die Lösung?
Außerhalb. Jede der drei Parteien muss aus dem Dreieck raus. Nur wem es gelingt, aus dem Dreieck auszusteigen, sich das „Spiel“ von außen anzuschauen, kann nachhaltig zur Lösung beitragen.
Wie kann das gehen? Einer der dreien muss konsequent aussteigen und damit das Spiel „stören“. In meinem heutigen Beitrag möchte ich die Ausstiegs-Möglichkeiten für den Kunden (dem LeO) ins Blickfeld rücken. Selbstverständlich können auch Banken/FDL und Politik und Verbraucherschutz, den ersten Schritt tun. Doch darauf zu warten, macht für das Opfer keinen Sinn.
Beginnen Sie das Spiel zu stören
Sie sind Kunde oder Kundin und wollen anfangen, das Spiel zu stören? Dann bedeutet das, dass Sie die Opferrolle jetzt ablegen.
Lassen Sie sich auf das Gedankenspiel ein. Beobachten Sie, ob und wie Ihnen das gelingt. Und seien Sie geduldig. Muster, die wir seit Jahrzehnten leben, drängeln sich immer wieder vor. Aber Übung macht die Meisterin.
Sind Sie bereit für das Gedankenspiel? Dann geht es jetzt los!
Achtung, Provokation!
Achtung, ich werde Sie jetzt in eine Gedankenwelt einladen, die Sie provoziert. Sie haben den Vertrag, mit dem Berater oder der Beraterin unterschrieben, weil sie entweder:
a) Keine Zeit hatten, sich von mehreren Banken/FDL beraten zu lassen
b) Kein Geld ausgeben wollten, um sich von einem Honorarberater beraten zu lassen
c) Keine Lust hatten, sich mit dem ganzen Thema zu beschäftigen und deshalb das Kleingedruckte nicht gelesen oder versäumt haben, den Vertrag ihrer Ehefrau, ihrem Ehemann, ihren Kindern oder einem guten, kritischen Freund vorzulegen
d) Keine Ahnung von Finanzen haben und auch nicht bereit waren, sich Ahnung zu verschaffen
Achtung Rollenalarm!
Auch diejenigen, die die Echtfälle der Serie „Verraten statt beraten“ aus der Retter-Perspektive lesen, werden jetzt provoziert. Ihre Emotionen steigen auf. Sie werden von meinen Worten getriggert. Ihre Gedanken könnten lauten: „Wie können Sie nur dem armen Opfer die Schuld zuschieben?“ – Aber bedenken Sie: Für mich ist der Kunde nicht das Opfer. Ich behandle ihn oder sie wie eine Person, die Möglichkeiten hat, sich zu informieren, Zweitmeinungen und Hilfe einzuholen oder auch Fehler zu machen.
Wir müssen dem Bürger und der Bürgerin die Verantwortung abringen, sonst werden wir nie aus dem Drama rauskommen.
Und das Schöne ist doch, dass Banken und FDL von emanzipierten Kundinnen ganz anders gefordert werden. Genau da müssen wir im Sinne aller gemeinsam hin.
So oder so bleiben noch die von mir geschätzt ca. 5-8% kriminelle Personen (u. a. Psychopathen), die es in allen Berufen gibt. Das Risiko werden wir nicht ganz ausschließen können. Doch ich erlebe es schon jetzt in meinem Arbeitsalltag als Finanzcoachin: den gesellschaftlichen Schaden, den wir derzeit durch Falsch- und Schlechtberatung haben, könnten wir auf diesem Weg schneller einschränken.
Eine Gruppe hat sich in den letzten 10 Jahren in Bewegung gesetzt: Frauen. Man konnte beobachten, wie sich gute Projekte von Frauen und Männern für Frauen entwickelt haben. Dieser Markt droht gerade in den letzten Monaten in das Drama einzulaufen. Auch hier taucht das Täterin-Opfer-Retter Drama in den SocialMedia auf. Halten wir diese Bewegung auf. Frauen, die beginnen, sich mehr mit ihren Finanzen zu beschäftigen werden (auch) Fehler machen. Wenn es ihnen gelingt, die Verantwortung für diese Fehler zu übernehmen und dranzubleiben, sich eine neue Beraterin, Mentorin oder Coachin zu suchen, wenn der oder die erste nichts taugt, dann haben wir gemeinsam eine echte Chance.
Wer sich mit seinem Geld beschäftigt, wird immer auch an Grenzen stoßen, die es zu überwinden gilt. Denn Umgang mit Geld ist auch ein Spiegel der Persönlichkeit.
Zurück zum Opfer.
Sind Sie noch in der Opferrolle drin? Oder haben Sie schon Gefallen daran gefunden, mehr Verantwortung und damit die Kontrolle über Ihr Leben, Ihr Geld und Ihren Berater anzunehmen?
Dann kann es losgehen. Denn nun sind Sie emotional in einer anderen Haltung. Sie können jetzt Ihrem Berater (der sie fehlerhaft beraten hat) auf Augenhöhe begegnen. Bleiben Sie ganz cool und vereinbaren Sie einen Termin. Legen Sie ihm die Fakten (die sie vorher gegebenenfalls mit Unterstützung geprüft haben) auf den Tisch und fordern Sie ihn auf, Stellung zu nehmen.
Das könnte sich ungefähr so anhören:
„Guten Tag Herr XY, ich möchte mit Ihnen heute über meinen Kaufvertrag für den Fonds YX sprechen. Meine Recherchen haben ergeben, dass es ein Vergleichsprodukt gibt, das erheblich günstiger ist und in den letzten 15 Jahren sogar noch mehr Rendite erwirtschaftet hat. Ich gehe davon aus, dass Sie den Fehler schnellstmöglich in meinem Sinne beheben werden. Sollten Sie dazu keine Möglichkeit sehen, werde ich den Vertrag sofort kündigen und mit einem anderen Berater zusammenarbeiten.“
Wie wird der „Film“ ausgehen?
Entweder der Berater findet eine gute Lösung, oder der Kunde ist weg. Das Vorgehen gibt beiden eine zweite Chance. Mehr sollten es nicht sein. Es geht ums Vertrauen. Da muss auch der Berater und Beraterin verstehen, dass ich auch noch beim nächsten Kauf eine Zweitmeinung einholen werde. Vielleicht sogar in Zukunft bei jedem neuen Produkt. So lange, bis sich mein Berater oder meine Beraterin für mich erkennbar als Treuhänder meines Vermögens verstehen und aus dieser Rolle einen Gewinn – mit und ohne Geld – zieht.
Sie sind bereit und wollen gleich loslegen – mein Tipp:
Führen Sie ein Probegespräch mit einem kritischen Freund, der außerhalb des Drama-Dreiecks zuhören kann. Nehmen Sie sein Feedback an. Vielleicht klingt aus dem einen oder anderen Satz noch ein Vorwurf: „Du Täter“ oder der Hilfeschrei: „Jemand muss mich jetzt retten“. Das wäre menschlich, bringt Sie aber Ihrem Ziel, ein für beide Seiten erfolgreiches Geschäftsverhältnis zu entwickeln, nicht näher. Erst wenn auch die Zwischentöne „frei“ von Dramaspielen sind, machen Sie einen Termin mit Ihrem Berater vor Ort oder Sie nehmen den Hörer in die Hand und los geht es.
„Nach dem Spiel ist vor dem Spiel“ (Sepp Herberger)
Führen Sie unbedingt ein Nachbereitungsgespräch mit Ihrem kritischen Freund. Vielleicht waren Sie mutig, aber noch nicht aufmerksam genug. Mit großer Wahrscheinlichkeit fehlte Ihnen noch die Erfahrung, mit allen „Einwänden“ und Überraschungen klarzukommen. Das Feedbackgespräch gibt Ihnen die Möglichkeit zu lernen. Nehmen Sie auch Ihre Intuition ernst. Vielleicht haben Sie „so ein Gefühl“ das Ihnen signalisiert, die Betroffenheit war nicht echt, das Entgegenkommen nur vorrübergehend. Bleiben Sie ein kritischer Beobachter. Über Nacht wird aus einem LeO nicht einfach so ein selbstbewusster Finanzentscheider. Aber Sie haben den ersten Schritt gemacht. Bleiben Sie dran. Dann werden Sie Ihr Geld mit Freude besser schützen und vermehren.
Viel Erfolg in Ihrer neuen Rolle als emanzipierter Finanzentscheider und Finanzentscheiderin!
Erschienen am 19. Mai 2023.
Der Hartmut Walz Finanzblog ist unabhängig, kosten- und werbefrei. Ich erhalte für Links und Empfehlungen keinerlei Honorar, Kick-back, Beteiligung o. ä.
Liebe Frau Dannenberg,
danke für Ihr Feedback.
Wir haben immer wieder die Chance aus einem Perspektivenwechsel eine neue Lösung zu kreieren. Wir können nicht gleich die ganze Welt retten, aber jeder bewusste Finanzentscheider ist ein kleiner Beitrag auf dem Weg zu mehr finanzieller Gesundheit in Familie, Unternehmen und Gesellschaft.
Hallo liebe Frau Müller,
vielen Dank für diesen sehr wertvollen Beitrag, der die Perspektiven verschiebt – was leider im täglichen Leben so selten passiert. Es ist immer wieder spannend, eigene und fremde Reaktionen und Impulse zu verstehen und zu hinterfragen. Ihr Beitrag lässt sich – von oben betrachtet – nicht nur auf finanzielle Themen, sondern oft auch auf andere Lebensbereiche übertragen. In der gelebten Praxis kann die individuelle Situation durchaus auch deutlich weniger „dramatisch“ sein, die Zusammenhänge bleiben dennoch. Die Grundzüge dieses Dreiecksverhältnisses sind gleichzeitig faszinierend, erschreckend, erhellend und ermutigend.
(Sie müssen auf diesen Beitrag nicht antworten ;o)
Wieder ein spannendes Thema im Hartmut Walz Finanzblog. Allerdings glaube ich nicht, dass jede Beratungs/Verkaufssituation notwendigerweise auf dem Hintergrund eines „Täter – Opfer – Retter“ Szenarios als Drama Dreieck interpretiert werden muss. Doch für die Menschen, die das Gefühl haben, in einer Beratungs/Verkaufssituation übervorteilt zu werden, ist es sicher richtig, auf keinen Fall in einer Opferrolle zu verharren, sondern ihre Fragen und Ansprüche auf „Augenhöhe“ zu formulieren. Denn schließlich geht es ja um ihr Geld und ihre Zukunft. Diese berechtigten Ansprüche sollten nach einer solchen Erfahrung geltend gemacht werden. Monika Müller zeigt in ihrem Blogbeitrag Wege dazu auf. Und schreibt: „Nach dem Spiel ist vor dem Spiel“. Das scheint mir eine spannende Erkenntnis zu sein: das nächste Mal ein anderes Spiel zu spielen. Und sicher zu stellen, dass es im neuen „Spiel“ keine Opferrolle mehr gibt.
Hallo Herr Hans B.,
danke für den wertvollen Hinweis. Die Darstellung und das Täter-Opfer-Retter-Dreieck bezog sich vorallem auf die vorgestellen Beispiele in diesem Blog. Da es jedoch keine Einzelfälle sind, der Hinweis, dass die Beziehung Bank/FDL-Kunde-Verbraucherschutz ingesamt in so einem dysfunktionalen Zustand ist.
Es gibt viele Chancen für gute Zusammenarbeit. Dazu kann jeder beitragen. Mit Mut und Geduld.
Ich finde es bedenklich, bei einem so wichtigen Thema in die Opferrolle zu geraten. Leider sind die Täter so gut geschult, dass es nicht immer einfach ist, Ihre Absichten zu durchschauen. Mit dem Vertrauen der Kunden wird gespielt – durchschaut der Kunde das Spiel, wird er wie eine heiße Kartoffel fallen gelassen oder ein neuer Berater oder eine neue Beraterin wird auf sie/ ihn angesetzt. Es ist immer wieder dasselbe Spiel und scheint nie aufzuhören, leider.
Zudem ist es für mich kaum zu fassen, dass die Betroffenen von Fehlberatung – oftmals sogar offensichtlicher Falschberatung und krassem Vertrauensbruch nicht offensiver und aggressiver reagieren, sondern meist defensiv oder gar nicht hierüber sprechen.
Können Sie, Frau Müller, diese – eigentlich verwunderliche – Verhaltensweise psychologisch nachvollziehbar erklären?
Ihr ansonsten sehr lehrreicher und wertvoller Beitrag erklärt sich hier für mich nicht.
Guten Tag Herr Stefan W.,
wenn Menschen wiederholt die Erfahrung machen nicht gut beraten zu werden, dann gibt es in der Psychologie ein Konzept der „erlernten Hilflosigkeit“, das dieses Verhalten erklärt. („Erlernte Hilflosigkeit ist die aufgrund negativer Erfahrung entwickelte Überzeugung, die Fähigkeit zur Veränderung der eigenen Lebenssituation verloren zu haben und für diesen Zustand selbst verantwortlich zu sein.“ https://de.wikipedia.org/wiki/Erlernte_Hilflosigkeit)
Mit der Erkenntnis alleine kommen viele nicht aus diesem – manchmal schon in der Kindheit – erlernten Muster heraus.
Des weiteren reagieren auch „Opfer“ von Traumatisierungen (Betrogen von einem Berater) häufig damit, sich selbst die Schuld zu geben. Daraus resultiert Scham, die sie zurückhält sich Hilfe zu holen oder agressiver aufzutreten. Diese Reaktionen sind auch in anderen Situationen von Gewalt und Missbrauch eine „normale“, weil bei einem gewissen Prozentsatz von Betroffenen zu erwartende Reaktion auf ein außergewöhnlich negatives Ereignis.
Deshalb ist es wichtig, sich wieder mit seinen Ressourcen zu verbinden, die die Kraft geben, sich zu wehren. Daraus ergibt sich die Erwartung der (Selbst)Wirksamkeit, die Voraussetzung für ein konfrontatives Gespräch ist, das von Erfolg gekrönt sein wird.
Für tramatisierte Personen kann eine Psychotherapie (z.B. mit EMDR https://www.emdria.de/) Veränderung bringen.
Danke für eine Rückmeldung.
Viele Grüße
Monika Müller
Guten Tag Frau Müller,
vorab herzlichen Dank für Ihren Beitrag – auch wenn ich inhaltlich damit wenig übereinstimmen kann.
Es gibt einige Stellen, an denen Sie die Sachverhalte trivialisieren und den Bock zum Gärtner machen.
Konkret wundern möchte ich mich hier aber nur mal über Ihren Kasten gleich am Anfang des Textes in dem Sie die Auffassung vertreten, dass es die professionelle Rolle eines Vermittler, der nicht wirklich Berater im Kundeninteresse sei, erwarten lasse, dass er sich „outet“ bzw. seine wahre Rolle und Funktion offenlege. Wörtlich: „Ist es anders, muss der Profi seine Rolle offenlegen“.
Ist das Ihr Ernst – glauben Sie das wirklich? Das ist doch völlig realitätsfern! Ich kenne keinen Vertriebler, die dies tut. Und erst Recht keinen Strukki, der seine wahre Rolle transparent machen würde. Die Vertriebler würden sich damit ja freiwillig selbst entzaubern. Ich bin wirklich gespannt, wie Sie diese realitätsferne Prämisse den Bloglesern erklären wollen.
Trotzdem alles Gute und herzliche Grüße
Sabine Schwarz
Guten Tag Frau Schwarz,
mein Beitrag ist ungewöhnlich. Er resultiert nicht aus Realitätsferne, sondern aus einer anderen Perspektive. Aus mehr als 35 Jahren praktischer Erfahrung in der Arbeit als Psychologin mit „Opfern“, die meine Unterstützung genutzt haben, um aus ihrer Situation dauerhaft heraus zu kommen. In vielen Fällen ist dies gelungen. Aber eine Vorausetzung war immer nötig: die Ressourcen der „Opfer“ zu sehen und sie dabei zu unterstützen sie zu nutzen, ohne die Verantwortung der „Täter“ zu übersehen.
Das bedeutet, wie ich auch in meinem Beitrag geschrieben habe, in keiner Weise, dass die „Täter“ nicht auch einen Schritt aus dem dysfunktionalen – und manchmal auch kriminellen – Muster machen sollten und – wenn sie angezeigt werden – auch müssen.
Doch solange auch Politik aus unterschiedlichen Motiven (Täter und Retter) für neue Lösungen nicht zu gewinnen sind, ist es mir wichtig, den „Opfern“ eine Option aufzuzeigen, die in Psychotherapie (bei tramatisierten Personen, z.B. Lehman Brothers) und Coaching (für Personen, die einen neuen Berater suchen) seit vielen Jahrzehnten wirksam angeboten wird.
Die vielen wertvollen Hinweise im Blog von Prof. Hartmut Walz kann nur der nutzen, dem es gelingt, sich aus der Beziehung zu einem Berater, der sich nicht bewegen will, zu lösen. Das ist meiner Erfahrung nach sowohl in privaten wie geschäftlichen Beziehungen eine Herausforderung. Diese Menschen könnten von dem Beitrag einen Impuls mitnehmen.
Ich freue mich auf Ihre Rückmeldung.
Viele Grüße
Monika Müller
Bei unseren Kindern war die Bezeichnung Opfer eine zeitlang sogar ein Schimpfwort. Danke für den Gastbeitrag.
Danke für Ihr Feedback. Und ja, schon für Kinder ist es gut, seine Rolle selbstbewusst zu definieren.