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Lebensversicherungen und Fitnessstudios

Was Lebensversicherungsverträge mit der Mitgliedschaft bei einem Fitnessstudios gemein haben
Worauf es wirklich ankommt

Ich habe mein Gewichtsproblem gelöst! Das habe ich zumindest schon mal in einem Januar gedacht, nachdem ich einen Vertrag bei einem Sportstudio abgeschlossen habe.

Natürlich hatte ich den Vorsatz, ab sofort diszipliniert jede Woche zwei Mal Gewichte zu stemmen und auf dem Laufband zu schwitzen. Natürlich habe ich dafür einen Vertrag mit längerer Laufzeit abgeschlossen, denn der war ja viel günstiger. Als hätte ich auf monatliche Kündigung geachtet.

Und natürlich zeigte die Waage schon im Frühjahr, dass das nicht so gut geklappt hat. Die Zeit für die mehrfachen wöchentlichen Besuche finde ich dann irgendwie auch nicht mehr. Den Erfolg des Projekts „Fitnessstudio“ kann man eben erst am Ende des Vertrags und nicht zu Beginn messen.

 

Lebensversicherungen und Fitnessstudios

Lebensversicherungen haben ganz viel mit Fitnessclubs gemeinsam – außer dass erstere ihre Verträge eher im Dezember und die anderen eher im Januar verkaufen.

Würde man einfach die Verkaufszahlen zu Beginn messen, dann sieht das so aus, als würden Heerscharen von Verbraucherinnen und Verbrauchern zu Versicherten mutieren und eine ganz tolle Altersvorsorge haben. Stimmt aber nicht.

Denn, genauso wie Fitnessstudios im Verlauf der ersten Monate eines Jahres immer leerer werden, so schrumpft auch die Zahl der Versicherten.

 

Kündigungen Fitnessstudios

Nach Untersuchungen von Pixformance kann man davon ausgehen, dass in den ersten beiden Jahren eines Vertrags mit einem Fitnessstudio jeweils etwa 42 Prozent der Kunden kündigen[1].

Rechnet man nun mit dieser jährlichen Stornoquote dann bleibt etwa ein Drittel übrig. Die verbleibenden Kunden würden dann dem Fitnessstudio weiter treu bleiben.

Lebensversicherungen und Fitnessstudios

 

Kündigungen Lebensversicherungen

Ähnlich bei Lebensversicherungen zur Altersvorsorge: Von 100 jungen Versicherten, die ihren Vertrag frisch unterschrieben haben, erreichen nach zum Beispiel 40 Jahren gerade mal noch ein knappes Drittel den Rentenbeginn. Neben den wenigen, die versterben, ist es ein Großteil der kündigt[2].

 

Ein Lebensversicherungsvertrag macht noch kein glückliches Rentnerdasein

Wer nun behauptet, nur weil viele Menschen eine Lebensversicherung zur Altersvorsorge abschließen, wäre damit das Problem mit der Altersvorsorge gelöst, der irrt. Das wäre so, als würde man behaupten, dass alleine der Abschluss eines Knebelvertrags mit einem Sportstudio den Bauch wegschmelzen würde.

Aber diese falsche Argumentation wird derzeit ganz vehement kolportiert!

Weil so viele Lebensversicherungsverträge abgeschlossen werden, klappt das so wunderbar mit der privaten Altersvorsorge – behaupten so manche Vermittlerverbände! Wer den Vertrieb dieser „Altersvorsorgeverträge“ einschränkt, der bringt deshalb unser System der Altersvorsorge ins Wanken, wird da suggeriert.

So als ob alleine der Vertrag bei einem Sportstudio die Gesundheit fördert. Es wird so getan, als ob ein Lebensversicherungsvertrag ein glückliches Rentnerdasein garantiert.

 

Versicherungslobby aktiv

Diese Argumentation bringen Vermittlerverbände und die Versicherungslobby in die Diskussion um zu begründen, dass hohe Provisionen für die Vermittlung von Verträgen unbedingt beibehalten werden müssen.

Aber das Argument hinkt. Und es zeigt noch deutlicher, dass die Provision genau den falschen Anreiz gibt.

Würde die Provision nur bei Erfolg gezahlt werden, dann gäbe es erst dann Geld, wenn der Vertrag auch tatsächlich zu einer Rente führt.

Aber genau das ist ja eben nicht so. „Nach mir die Sintflut“ ist deshalb der logische Gedanke, wenn die Provision schon geflossen ist. Da kann eine kleine Wartezeit von ein paar Jahren auch nichts daran ändern. Die meisten Stornierungen fallen schließlich deutlich später an.

Provisionen führen also nicht dazu, dass großflächig erfolgreiche Altersvorsorge vertrieben wird. Provisionen fördern stattdessen, dass irgendwie Massengeschäft in den Markt gedrückt wird, dass dann aber eben nicht lange hält.

Wenn sich die Politik von den hohen Verkaufszahlen blenden lässt, dann ist das eben auch die Dummheit der PolitikerInnen.

Sachgerecht wäre es, sich anzuschauen, welche Verträge tatsächlich durchgehalten werden. Denn die Durchhaltequote bei einem Vertrag mit einem Fitnessstudio ist ähnlich hoch wie bei einer Lebensversicherung zur Altersvorsorge.

 

Fazit

Lassen Sie sich also nicht blenden! Es kommt eben nicht darauf an, wie viele Verträge abgeschlossen werden. Sondern wie viele Verträge durchgehalten werden.

Sagen Sie das ruhig denen weiter, die sich als PolitikerInnen von der Versicherungswirtschaft in die Irre führen lassen.

 

[1] Zur Stornoquote im Fitnessstudio von 42 Prozent in den ersten beiden Jahren siehe in „Fitness insight“ unter:
https://www.pixformance.com/wp-content/uploads/2018/08/Pix_Fitness_Studie_1_04.pdf

[2] Zur Stornoquote in der Lebensversicherung von 2,57 Prozent p.a. , siehe Seite 6 und 15 in „Lebensversicherung in Zahlen 2022“ unter:
https://www.gdv.de/resource/blob/85242/73b7e57311a24ab21c8ecff81c570323/deutsche-lebensversicherung-in-zahlen-2022-data.pdf

 

Profil Axel Kleinlein Gastbeitrag Hartmut Walz Finanzblog

 

Erschienen am 07. Juli 2023.
Der Hartmut Walz Finanzblog ist unabhängig, kosten- und werbefrei. Ich erhalte für Links und Empfehlungen keinerlei Honorar, Kick-back, Beteiligung o. ä.

9 Gedanken zu „Lebensversicherungen und Fitnessstudios“

  1. „Ich habe mein Gewichtsproblem gelöst!“ Herrliche Parallele zu: Ich habe mein Altersvorsorgeproblem gelöst… Habe sehr gelacht, vielen Dank.

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  2. Egal in welcher Form – wer mit Versicherungen spart, setzt auf das falsche Pferd. Wo ist eigentlich beim Sparen das versicherungstechnische Risiko?
    Die einzige mir bekannte Form, mit Versicherungen zu sparen, ist eine kostengünstige Nettopolice. Hier ist die Versicherung nur eine „Lagerstätte“, die tatsächlich Steuervorteile liefert. Bestens beschrieben im (einfach genialen) Buch von Professor Walz – „Einfach genial entscheiden in Geld- und Finanzanlagen“. Mehr braucht‘s nicht.

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    • Lieber Bernd F., danke für den Kommentar und die Blumen 😉
      Ich möchte jedoch nicht verschweigen, dass ich in der jüngeren Vergangenheit selbst bei den Nettopolicen etwas skeptischer geworden bin.
      Sie schreiben zu Recht „kostengünstige Nettopolice“ – und natürlich muss man auch um fair zu bleiben, die Kosten für den Honorarberater einbeziehen.
      Und da schafft es der Steuervorteil dann häufig kaum noch, die zusätzlichen Kosten der „Lagerstätte“, also des Versicherungsmantels wieder einzuspielen.
      Herzliche Grüße, Hartmut Walz – Sei kein LeO!

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  3. Definitiv ist es ein Problem, wenn mehr als die Hälfte der Verträge nicht „durchgehalten“ werden.
    Meines Erachtens ist der Kern des Problem warum diese Verträge gekündigt werden.

    Gerade Umdeckungen („Ich habe einen neuen viel besseren Vertrag für Sie“) sind ein Problem. Da fallen dann zweimal Provisionen an. Ob die neue Lebensversicherung wirklich deutlich besser ist und doppelten Anfangskosten wieder wett macht…
    Aber die Versicherungswirtschaft kann den Eindruck machen, dass man zwei Leute mit einer Altersvorsorge „ausgestattet“ hat, obwohl man einen Kunden zwei Mal bedient hat. Meines Erachtens ist das der absurdeste Anreiz im Provisionssystem.

    Das jemand kündigt weil die Rendite schlechter als erhofft war, wird man wohl bei keinem Geldanlageprodukt vermeiden können. Man denke nur an einen ETF-Sparplan in einer schweren Börsenkrise wie 2008. Auch bei guter Finanzbildung werden immer einige in Panik verkaufen. Allerdings gibt es für Vertreter ja Fehlanreize sehr optimistische Renditen als sehr wahrscheinlich darzustellen…

    Das jemand aus privaten Gründen an sein Erspartes gehen muss oder will (Eigenkapital für Immobilienfinanzierung, Arbeitslosigkeit, Kreuzfahrt) ist auch menschlich.

    Gibt es eine unabhängige Statistik/Marktforschung warum Lebensversicherungen gekündigt werden? Die Ergebnisse wären vielleicht sehr nützlich um Verbraucher aufzuklären oder der Politik die Probleme und Nachteile der Altersvorsorge mit Lebensversicherungen deutlich zu machen.

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    • Vielen Dank für den Kommentar. Leider gibt es meines Wissens nur sehr wenig valide Forschung und zu viel Spekulation wenn es um die Kündigungsgründe und den Kündigungszeitpunkt geht. Die Deutsche Aktuarvereiningung hatte hierzu Mitte der 90er Jahre eine recht interessante Studie vorgelegt, aber leider nicht wieder aktualisiert.
      Übrigens: Ich denke der Kern des Problems ist nicht, dass die Verträge gekündigt werden, sondern dass sie überhaupt abgeschlossen werden.

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  4. Sehr bitter wird es auch immer dann wenn das Wort „Altersarmut“ aus dem Munde von Vertretern der Versicherungswirtschaft fällt. Als wären deren Verkaufstrupps nicht genau ein Teil davon, der kontinuierlich versucht bestmöglich dazu beizutragen. Erst vor kurzem bei Bekannten wieder solche Desasterverträge gesehen.

    Dank Dynamik und ständig neu anfallenden Abschlussgebühren war auch nach fast 10 Jahren der Vertrag ca. 12 Prozent im Minus (!). Da es ein Riestervertrag war ist das auch noch inklusive der Zulage gerechnet. Zum Glück war das nur ein kleinerer Teil der Altersvorsorge und ein Fondsdepot mit deutlich höherem Volumen besteht schon seit einiger Zeit. Also kein zu großer Schaden. Aber da denke ich dann immer an die vielen Leute, bei denen solche und ähnliche Verträge tatsächlich größere Grundbausteine für die Zukunft sind und dann selbst nach 10+ Jahren, und einer hervorragend gelaufenen Börse in diesen 10 Jahren, so eine vollkommen absurde „Rendite“ abgeliefert bekommen.

    Dynamiken und ständig neue Abschlussgebühren, so das man selbst nach einem Jahrzehnt noch als Vertreter von einer damaligen Verkaufsleistung mächtig kassieren kann, sind für mich eine der traurigsten Machenschaften der Versicherungen, die ja nicht unbedingt dadurch glänzt nur wenige Kritikpunkte zu besitzen. Aber gutgläubigen Menschen/LEOs ständig Verträge aufzutischen, die schon allein vom Kostenprofil fast unmöglich positive Rendite erwirtschaften können, und dabei die Kunden offen anlügen zu müssen, dass man hier ein richtig tolles Produkt hat für die Altersvorsorge? Ist schon sehr bitter.

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    • Vielen Dank für den Kommentar!
      Eine kleine Anmerkung: Es sind nicht nur die Vermittler:innen, die die Hand aufhalten. Besonders auch die Unternehmen selbst sind scharf auf immer neue Abschlusskosten und kassieren ab. Sonst gäbe es ja keine Probleme bei Direktversicherern, aber da schaut’s ziemlich genauso aus wie im Rest des Marktes.

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    • Sehr treffend und klar formuliert. Das sollten mal die Mio. LV Kunden lesen, sich der Illusion erliegen, es käme
      später eine tolle Zusatzrente raus. Und genau aus diesem Grund gibt es die sehr effektive Rückabwicklung solcher
      unsinnigen Versicherungsverträge. Beiträge, Gebühren, Provisionen kommen zurück.

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      • Leider hat es sowohl die Finanz- als auch die Versicherungsindustrie es geschafft, das Thema Finanzen und Anlage als kompliziert und eigentlich nur für Profis zugänglich darzustellen. Mag bis zu den Zeiten mit verbreiteten Internet, und dadurch eben auch deutlich schwierigerem Zugang zu qualitativen Anlagen, auch schwer widerlegbar für Privatanleger gewesen sein, aber gilt schon seit langem nicht mehr. Die Neobroker haben das ja eindrucksvoll bewiesen, dass ein Einstieg wirklich einfach gelingen kann. Aber auch die meisten alten Direktbanken machen heutzutage schon ziemlich gut.

        Da dann aber auch mal von mir ein großes Danke an Hr. Walz und das ganze restliche Autorenteam. Kenne keine andere Seite die eine solche Vielzahl von klassischen Privatanlegerthemen in dieser Übersichtlichkeit in Verbindung mit der Auswertung von realen Kundenverträgen hat. Klar, gibt’s auch mal bei anderen Stellen einzelne Berichte darüber, aber mit dem Fachwissen, dem gut lesbaren Schreibstil und der Fülle an Themen ist das wirklich mit das Beste was es gibt.

        Leider ist es selbst bei größeren Tageszeitungen der Fall, dass über solche Verbraucherthemen zum Teil fahrlässig berichtet wird.
        In meiner lokalen Zeitung, immerhin in den Top 10 der größten Tageszeitungen Deutschlands, gab es in letzter Zeit ein paar Berichte zum Thema Bausparen. Als Gesprächspartner dienten dann auch einfach mal Vertriebs-/Betriebsleiter der regionalen Bausparkassengruppe und die durften dann im Artikel die Vorzüge des Bausparens anpreisen… Man muss kein Hellseher sein um zu wissen wie die Tipps vom Vertriebsleiter einer Bausparkasse dann ausschauen. Vor kurzem war dann immerhin das erste Mal, dass tatsächlich auch die Nachteile mal erwähnt wurden und darauf hingewiesen wurde, dass ein Bausparer wohlüberlegt in das Finanzierungskonzept passen muss und nicht generell einfach so empfohlen werden kann.

        Da sind Blogs wie hier ein wirklich benötigter Gegenpol. Bei all den aktuell vermeldeten Vertriebsrekorden für Bausparkassen wäre dafür fast sogar nochmal ein Artikel angebracht ;-).

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Prof. Dr. Hartmut Walz
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