ANWALTs LEID, STATT ANWALTs LIEBLING?
ADVOCARD in der Gruppenzugehörigkeit
„Eine Rechtsschutzversicherung sorgt dafür, dass Sie Recht bekommen, wenn Sie Recht haben – denn das ist nicht immer selbstverständlich.“ Wie wahr. Wie wahr.
Die ADVOCARD Rechtsschutzversicherung AG weiß ganz offensichtlich, wovon sie da auf ihrer Internetseite schreibt. Denn sie selbst macht es ihren Versicherten nicht gerade leicht, zu ihrem Recht zu kommen.
Ganz anders, als sie das bewirbt, enttäuscht die ADVOCARD doch arg. Keine „unkomplizierte Abwicklung von Schadenfällen – ohne Wenn und Aber.“
Was ist passiert?
Ein treuer Blogleser, nennen wir ihn Siegfried, erschrak vor ein paar Wochen doch sehr, als er von den hohen Kosten und der schlechten Gesamtentwicklung der von mir analysierten RENTE-PLUS der AachenMünchener las.
Weil er selbst nämlich auch einen RENTE-PLUS Vertrag als Altersvorsorge besitzt – ebenfalls von der DVAG vermittelt.
Durch den Sachverhalt alarmiert, versucht er sein Widerspruchsrecht zu nutzen. Dabei hat er auch schnell Erfolg. Und benötigt nicht einmal einen Anwalt. Denn die Widerrufbelehrung der AachenMünchener ist auch bei seinem Vertrag falsch.
Das hat die AachenMünchener auch gleich eingesehen…
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Tipp:
Wenn Sie einen solchen Vertrag bei der AachenMünchener mit Abschluss zwischen dem 01.01.1995 und dem 31.12.2007 besitzen, dann haben Sie allerbeste Chancen, da die Widerrufsbelehrung vermutlich bei allen Verträgen in diesem Zeitraum unzureichend war.
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Die AachenMünchener akzeptiert Siegfrieds Widerruf und überweist ihm Geld zurück. Nur leider eben viel zu wenig Geld. Denn die AachenMünchener hat so ihre eigene Art zu rechnen. Und wie sie rechnet, das legt sie ja nicht offen (wohlgehütetes Geheimnis, Heiliger Gral… na, Sie wissen schon).
Unser tapferer Siegfried will sich das zu Recht nicht gefallen lassen, sondern vielmehr zu seinem guten Recht kommen.
Also schaltet er einen auf Kapitalmarktrecht spezialisierten Anwalt ein. Der soll sich um die Sache kümmern.
Und nun kommt´s
Der Anwalt fragt, ob eine Rechtsschutzversicherung besteht. Jawoll! Unser Siegfried ist so richtig froh, dass er schon seit vielen Jahren in eine Rechtsschutzversicherung, nämlich die ADVOCARD einbezahlt.
Die hat er bislang noch nie in Anspruch nehmen müssen. Jetzt aber!
Die überaus freundliche Ablehnung der Kostenübernahme durch die ADVOCARD zeigt unserem Siegfried jedoch, dass er nicht ein Problem hat, sondern zwei.
ADVOCARD begründet die Ablehnung nämlich völlig sachwidrig damit, dass sich der Rechtsstreit auf Anschaffung, Inhaberschaft oder Veräußerung von Wertpapieren, Bezugsrechten oder Unternehmensbeteiligungen beziehe, die vom Versicherungsschutz ausgeschlossen seien.
Genaue Details könne der Kunde ja selbst im Kleingedruckten der gefühlt 150-seitigen Allgemeinen Bedingungen der Rechtsschutzversicherung nachlesen.
Irgendwie kommt einem diese Art der Argumentation doch bekannt vor, oder?
Zu Ihrem „Amüsement“ können Sie das Originalschreiben hier einsehen:
(zum Vergrößern bitte Dokument anklicken)
Nun muss man weder BWL noch Jura studiert haben, um zu erkennen, dass die Ablehnung der ADVOCARD ganz offensichtlich an der Sache vorbeigeht. Ein wenig gesunder Menschenverstand genügt völlig.
Denn der Abschluss einer Lebensversicherung ist eben keine Wertpapiertransaktion im Sinne des Wertpapierhandelsgesetzes. Und steht ebenso wenig im Zusammenhang mit einem Kapitalanlagemodell, einer stillen Gesellschaft oder einer Genossenschaft.
Kurzum: Die Ablehnungsgründe der ADVOCARD sind an den Haaren herbeigezogen.
Widerspruch gegen Ablehnungsschreiben von ADVOCARD
Jedoch geben viele Versicherte nach einer solchen Ablehnung ihres Rechtsschutzversicherers auf. Sehen sie sich doch gleich zwei Frontlinien bzw. Prozessen gegen mächtige Versicherer gegenüber.
Bei denen sie ja anfangs von beiden dachten, einen Freund und Partner an der Seite zu haben. Beim Lebensversicherer schwand dieses Vertrauen bereits. Und nun auch gegenüber dem Rechtschutzversicherer.
Eine bittere Erkenntnis!
Unser wackerer Siegfried nimmt jedoch auch den zweiten Kampf tapfer auf und beauftragt, den spezialisierten Fachanwalt nun mit einem Widerspruch gegen das Ablehnungsschreiben der ADVOCARD.
Ombudsmann und ADVOCARD
Da die ADVOCARD sich weiter uneinsichtig zeigt, reicht der Anwalt kurze Zeit später Beschwerde beim Ombudsmann für Versicherungen ein.
Der Versicherungsombudsmann schreibt in seiner Eingangsbestätigung darauf zu Recht stolz, dass er die meisten Verfahren binnen 90 Tagen abschließt.
Also schauen wir mal
Zwar hört Siegfried nichts mehr vom Ombudsmann. Doch scheint dieser der ADVOCARD offensichtlich gaaanz laaangsaaam erklärt zu haben, dass sie Siegrieds Bitte um Rechtsschutzversicherung zu Unrecht ablehnte.
Und so erhält Siegfried denn auch zeitnah ein Schreiben der ADVOCARD, dass die Kostenübernahme für den Rechtsstreit gegen die AachenMünchener erfolge.
Freilich ohne eine Entschuldigung. Oder ohne auch mit nur einem Wort auf ihre zuvor sture sachwidrige Ablehnung einzugehen. Wortlaut der ADVOCARD: „Wir helfen Ihnen gerne und übernehmen für Sie die versicherten Gebühren …“
Das Zähneknirschen konnte Siegried regelrecht hören.
Warum die völlig unbegründete Ablehnung?
Nun kann man sich fragen, warum die ADVOCARD zunächst die Leistung verweigert hat.
Eine naheliegende Antwort könnte sein, dass ADVOCARD grundsätzlich erst einmal die Leistung verweigert, um Kunden zu ermüden und Kosten zu sparen.
Nicht schön.
Es könnte aber auch daran liegen, dass ADVOCARD ein Unternehmen der GENERALI-Gruppe ist. Die AachenMünchener ist rein zufällig ebenfalls ein Unternehmen der GENERALI -Gruppe. Also irgendwie Familie.
Unser armer Siegfried hat also den Rechtsschutzversicherer ADVOCARD um Kostenübernahme in einem Rechtsstreit gebeten, der sich gegen ein „Familienmitglied“ der ADVOCARD richtet.
Und dass man in einer Familie gut zusammenhält und einen Klagewilligen nicht noch gegen sich selbst unterstützt, ist ja irgendwie naheliegend – Versicherungsschutz hin oder her.
Ein Schalk, wer Böses dabei denkt.
Nun leider doch nochmal DVAG
Übrigens: Der Finanzprodukteverkäufer der DVAG, bei dem Siegfried den RENTE-PLUS-Vorsorgevertrag abgeschlossen hat, ist natürlich auch nicht erfreut. Er hatte nämlich parallel auch die Rechtsschutzversicherung der ADVOCARD vermittelt.
Womit der (sehr enge) Kreis mal wieder geschlossen wäre.
Und was bedeutet das nun konkret für Sie?
- Gehen Sie davon aus, dass der Ton zwischen Finanzdienstleistern und ihren Kunden in der sich verschärfenden Finanzkrise härter wird. Die Anfänge dieser unerfreulichen Entwicklung sind bereits unverkennbar.
- Sie werden sich in Zukunft mehr um Ihr Recht kümmern und darauf achten müssen, dass man Ihnen nicht die Butter vom Brot nimmt. Bleiben Sie wie Siegfried friedlich und höflich – aber nicht friedhöflich.
- Erwarten Sie nicht allzu viel Unterstützung durch öffentliche Institutionen, unseren Staat, die BaFin oder auch deutsche Gerichte. Im Dilemma zwischen Systemschutz und Verbraucherschutz wird letzterer immer stärker ins Hintertreffen geraten – je länger die Finanzkrise und die Nullzinspolitik anhalten.
- In Hinblick auf Verbraucherschutz ist Deutschland bestenfalls ein Schwellenland. Urteile des EuGH (Europäischer Gerichtshof) sind für deutsche VerbraucherInnen freundlicher als die der obersten deutschen Gerichte. Das so genannte „ewige“ Widerrufsrecht für Verbraucher bei Verbraucherdarlehen ist so ein Beispiel. Es kommt nämlich vom EuGH.
Und schließlich noch ein Gedanke:
Anwälte kosten den Mandanten zunächst einmal Geld. Glücklicherweise werden Anwälte jedoch – anders als Versicherungsvermittler – nicht von der „Gegenseite“ bezahlt 😉
Nun bitte noch diesen Blogbeitrag weiter empfehlen.
Herzliche Grüße
Hartmut Walz
Sei kein LeO!
Erschienen am 17. Juli 2020.
Der Hartmut Walz Finanzblog ist unabhängig, kosten- und werbefrei. Ich erhalte für Links und Empfehlungen keinerlei Honorar, Kick-back, Beteiligung o. ä.
Hallo Herr Professor Walz,
Vielen Dank für Ihren Beitrag, der kam für mich genau zur richtigen Zeit; auch ich habe 2001 über die DVAG eine Fondspolice gekoppelt mit einerBerufsunfähigkeitsversicherung abgeschlossen. Schon seit einiger Zeit hadere ich mit dieser Entscheidung, durch Ihre Beiträge zu diesem Thema habe ich endlich einen Widerspruch geschrieben, der geht heute noch raus.
Ich würde mich freuen, wenn Sie das Thema weiter verfolgen.
LG
Anja H
Liebe Anja H., das verfolge ich weiter, versprochen 😉
Alles Gute für Sie! Sie können dann ja mal schreiben, wie es weiter-/ausging.
Herzliche Grüße, Hartmut Walz – Sei kein LeO!
Aber doch, wir Anwälte werden von der Gegenseite bezahlt – aber nur, wenn wir gewinnen;-). Sonst müssen wir (unter Strafandrohung) strikt parteiisch zugunsten unseres Mandanten sein.
Liebe Annette Heinisch, Sie haben ja so Recht mit Ihrer korrigierenden Anmerkung. Und dass Dumme ist, dass meine liebe Ehefrau, die ja auch Anwältin ist, mir das auch schon vorab gesagt hatte. Nur wollte ich eben prägnant sein und hoffe, dass die Botschaft auch so rübergekommen sind.
Danke für Ihren humorvollen Kommentar und ich wünsche Ihren Mandanten, dass Ihr Aufwand möglichst oft letztlich von der Gegenseite erstattet wird… 🙂
Herzliche Grüße, Hartmut Walz – Sei kein LeO!
Hallo Herr Prof. Walz,
haargenau (!) dieselbe Erfahrung habe ich auch mit der Advocard gemacht-und. in meinem Fall war der Versicherer kein „Familienmiglied“.
Scheint also eher ein unschoener Standard-Prozess zu sein.
Aber Ende gut alles gut bei mir- denn der Versicherer hat schliesslich sogar „aus Kulanz“ nicht nur fair sondern ALLE Anwaltskosten bezahlt:-)
Danke fuer Ihre Tipps- sie und Sie sind Gold wert!
Viele Gruesse
Liebe/r A.B., danke für Ihren Erfahrungsbericht. Ich freue mich mit Ihnen über das „Happy End“ – auch wenn ich fürchte, dass die „Kulanz“ nur daher kam, dass der Versicherer im Prozessfalle noch eine erheblich größere „Klatsche“ eingefangen hätte… ?
Alles Gute weiterhin – Sie sind sicher kein LeO mehr!
Herzliche Grüße, Hartmut Walz – Sei kein LeO!