7 Scheinargumente von Covered-Call-ETF-Profiteuren –
und ihre Widerlegung
Meine im November 2024 veröffentlichte Einschätzung von Covered-Call-ETFs ist insgesamt eher kritisch. Ich halte Covered-Call-ETFs – insbesondere für die werblich besonders stark angesprochene Zielgruppe von Privatanlegern, die sichere regelmäßige und hohe (monatliche) Ausschüttungen anstreben – als eher ungeeignet.
Oder mit anderen Worten: Wer ein regelmäßiges passives Einkommen anstrebt, welches gleichzeitig hoch als auch langfristig sicher ist, sollte von „goldenen Covered-Call-ETF-Gänsen“ lieber Abstand nehmen.
Dass seitens der Profiteure dieser aktiven ETF-Variante (insbesondere den hierauf spezialisierten Anbietern, Handelsplattformen und bezahlten Finfluencern) Gegenwind kommt, war zu erwarten.
Nur dass die Gegenkritik auf so schlechtem fachlichen Niveau, inhaltsschwach und zum Teil auch respektlos werden würde, hätte ich vorab nicht gedacht.
Nachstehend möchte ich sieben zentrale Scheinargumente der gesponserten Covered-Call-ETF-Fans demaskieren, ohne ihnen durch namentliche Nennung noch eine zusätzliche Bühne zu bieten.
1
Vorwurf: Walz habe ausgerechnet einen schlechten Covered-Call-ETF herausgesucht. Es gäbe auch bessere und mit einer geringeren Gefahr der Substanzauszehrung.
Antwort: Ich habe einfach das Produkt analysiert, welches Stand November 2024 mit Abstand am offensivsten beworben wurde. Dieses habe ich ausgewählt, weil ich von vielen Bloglesern konkret darauf angesprochen wurde, ob 1% monatliche Ausschüttungen ohne Kapitalverzehr langfristig funktionieren können. Nein, das kann nicht funktionieren.
2
Vorwurf: Es gäbe durchaus seriöse Produkte, die langfristig mit hoher Wahrscheinlichkeit regelmäßige Ausschüttungen leisten können – wenn auch nicht in Höhe von 12% p.a.. Sondern eben nur in Höhe von z.B. 3-4% p.a..
Antwort: Ja, je niedriger die Ausschüttung, desto eher lässt sie sich aus den Dividenden der Aktien finanzieren. Denn dann benötigt das ETF-Management kaum noch Erlöse aus dem Verkauf von Kaupfoptionen (Verkauf von Kurs-Chancen bei gleichzeitigem Verbleib von Kursrisiken).
Wo bleibt aber das tolle Leistungsversprechen eines solchen Produktes, wenn Anleger mit einem breit streuenden Dividenden-ETF ohne das ganze komplexe Options-Gedöns eine (nahezu) gleich hohe Ausschüttung erhalten können?
3
Vorwurf: Walz habe sich mit der Nennung einer langfristig realistischen Durchschnittsrendite von 8-9% vor Kosten, Inflation und Steuern an den Aktienmärkten orientiert. Das sei jedoch Unfug, da Covered-Call-ETFs ja mit Optionen, also Derivaten arbeiteten – und somit nicht die Aktienrendite, sondern die viel höhere Terminmarktrendite relevant sei.
Antwort: Derivate heißen deswegen Derivate, weil sie von anderen Finanzierungsinstrumenten – z.B. Aktien oder Anleihen – abgeleitet werden. Der von mir analysierte Covered-Call-ETF bezieht sich auf einen Aktien-ETF. Also beziehen die verwendeten Optionen sich auf Aktien und erzielen vor Kosten in ihrer Summe exakt die durchschnittliche Aktienrendite.
Natürlich können einzelne konkrete Optionen eine höhere Rendite erzielen, andere jedoch dann eben eine niedrigere. Und wer mit Derivaten seine Chance hebelt, der hebelt ebenso sein Risiko – wird schneller reich und schneller arm.
Die Arithmetik der Finanzmärkte ist ebenso simpel wie unerbittlich. Und kann auch nicht mit Optionsgeschäften ausgetrickst werden. Wer den Eindruck vermittelt, durch Einsatz von Derivaten dauerhaft höhere Renditen – und dann noch risikolos – erzielen zu können, ist einfach nur unseriös.
4
Vorwurf: Walz habe ein Produkt beschrieben, welches nur Kaufoptionen verkaufe und daher eine hohe laufende Ausschüttung erzielen könne, aber in bestimmten Marktphasen vielleicht substanzverzehrend sei. Andere Produkte würden jedoch gleichzeitig auch Verkaufsoptionen kaufen und damit das Risiko des Substanzverlustes verringern. Das habe Walz nicht ausreichend gewürdigt. In Wahrheit seien die Optionsstrategien viel vielfältiger und komplexer als von Walz erläutert.
Antwort: Stimmt – komplizierter geht’s immer. Jedoch entstehen ausschüttbare Optionsprämien nur beim Verkauf von Optionen. Wenn das ETF-Management gleichzeitig zur Verminderung von Risiken andere Optionen kauft, dann muss es dafür eben Optionsprämien bezahlen. Und die verringern die (monatlichen) Ausschüttungen entsprechend[1].
Kurzum: Covered-Call-ETFs mit hoher Ausschüttung können langfristig wahrscheinlich ihre Substanz nicht erhalten. Und Covered-Call-ETFs, die ihre Substanz (wahrscheinlich) erhalten, leisten eben keine hohe Ausschüttung.
5
Vorwurf: Walz habe die Komplexität der Covered-Call-ETFs und der ihnen zugrunde liegenden Optionsstrategien nicht verstanden – oder zumindest nicht detailliert dargestellt.
Antwort: Nach über 20 Jahren Vorlesungstätigkeit auch zu Optionen, Futures und Swaps[2] finde ich diesen Vorwurf, naja, sagen wir: „lustig“. Dabei möchten die Blogleser, die von mir etwas zur Vertrauenswürdigkeit von unrealistisch hohen „sicheren“ Renditeversprechen eines aktuell gehypten Nischenproduktes wissen möchten, keine Doktorarbeit über Optionsgeschäfte lesen. Sondern eine verständliche Einschätzung. Und diese ist sachlich korrekt.
6
Vorwurf: Walz habe die steuerliche Behandlung der Ausschüttungen von Covered-Call-ETFs für deutsche Anleger zu kritisch dargestellt. In der Tat hatte ich ausgeführt, dass hierzulande die Gefahr besteht, dass solche Teile der Ausschüttungen, die nur Kapitalrückzahlungen (=Return of Capital) seien, ebenso versteuert würden, wie echte Rendite (=Return on Capital).
Antwort: Ich bleibe bei meiner Auffassung, hatte aber viel Spaß mit dem Vorschlag eines gesponserten Finfluencers, dass sich Anleger doch einfach mit ihrem örtlichen Sachbearbeiter des Finanzamtes zusammensetzen sollten, um die in Deutschland bestehende steuerliche Grauzone zu ihrem Vorteil zu nutzen. Er selbst habe das erfolgreich gemacht – es sei eine reine Verhandlungssache.
Mich amüsiert die Vorstellung, dass Tausende von Privatanleger um Verhandlungstermine bei ihrem Finanzamt bitten. Und dass bestimmt die ja völlig unterbeschäftigten und gelangweilten Sachbearbeiterinnen gerne als willkommene Abwechslung von ihrer Arbeit individuelle Verhandlungen mit diesen Steuerpflichtigen führen.
7
Es gibt noch weitere Vorwürfe gegen meine Warnung vor falschen Vorstellungen gegenüber Covered-Call-ETFs. Diese sind sehr kleinteilig und komplex und für „Normalanleger“ kaum nachvollziehbar. Da ich aber in meinen eigenen Vorlesungen und den Diskussionen mit den Studierenden immer gut aufgepasst habe, kann ich die logischen Eigentore solcher interessengesteuerten Halbwahrheiten gut aufdecken.
Nur ein abschließendes Beispiel: Die implizite Volatilität sei oftmals höher als die historische – und daraus könnten sich zusätzliche Gewinnquellen beim Verkauf von Optionen ergeben.
Antwort: Ja, ich kenne die Unterschiede zwischen impliziter und historischer Volatilität sowie deren Erklärungsversuche[3] und die diesbezüglichen (z.T. kontroversen) Studien[4].
Und auch die Beobachtung, dass in der Rückschau die implizite Volatilität phasenweise etwas über der später tatsächlich eingetretenen historischen Volatilität lag. Dass sich hieraus jedoch zeitstabil systematische Übergewinne durch den Verkauf von „goldenen Schwänen“ erzielen ließen, behauptet jedoch meiner Kenntnis nach keine seriöse Studie.
Und wenn – wie gleichzeitig von einigen Kritikern behauptet – ein „smartes“ ETF-Management nicht nur Optionen verkauft, sondern zur Absicherung gegen Substanzauszehrung auch gleichzeitig andere kauft, dann zahlt es ja auch für letztere zu hohe Prämien. Kurzum: Eine nennenswerte Mehrrendite lässt sich auch über implizite Volatilitäten nicht erzielen – aber natürlich vielen Laien[5] erst einmal in Aussicht stellen.
Ich hoffe, Sie hatten beim Lesen dieser Zeilen ebenso viel Spaß wie ich beim Schreiben.
Das war nun eher ein Blogbeitrag für Fortgeschrittene bzw. solche, die es mit der KISS-Regel nicht so haben.
Was nehmen Sie als „normaler“ Privatanleger mit?
Lassen Sie sich nicht von unrealistischen Werbeversprechen zum Erwerb des Nischenproduktes Covered-Call-ETF verführen. Sondern folgen Sie doch lieber folgender simpler Empfehlung:
Kaufen Sie ab sofort nur noch Aktien und ETFs, die steigen. Wenn diese nicht steigen, dann kaufen Sie diese einfach nicht. Eine risikolose hohe Performance wird mit Ihnen sein 😊
Herzliche Grüße
Hartmut Walz
Sei kein LeO!
[1] Zum Teil sind die geworfenen Nebelkerzen noch verstrickter. Ein „geschicktes ETF-Management“ könne durch smarte Auswahl von Call- und Put-Optionen mit unterschiedlichen Ausübungspreisen und Restlaufzeiten das Verhältnis von Chancen und Risiken günstig beeinflussen. Und außerdem müsse man die einzelnen Optionskontrakte eben ständig beobachten und „traden“. Dann klappe das schon. Bei solchen Behauptungen muss ich so lachen, dass mir fast mein Optionspreis-Kalkulator aus der Hand fällt 😊
[2] In einem Skript „Griechisch für Investment-Banker“ quäle ich meine Studierenden mit Bewertungskennziffern für Optionen wie Delta, Gamma, Vega, Thea oder Omega. Mit so etwas können auch „normale“ Anleger ihre Freizeit verbringen, sie müssen es aber nicht. Wenn Sie das alles verstanden haben, kommen Sie ohnehin wieder bei Eugen F. Fama und seiner These „no free lunch“ heraus. Zocken geht immer, aber systematische Übergewinne gibt es nicht.
[3] Kahneman/Tversky (1979)
[4] Vgl. z.B. Christensen/Prabhala (1998), Day/Lewis (1992), Fleming (1998), Xu/Taylos (1995) und viele andere mehr.
[5] „Normalanlegern“ wünsche ich viel Spaß bei der Arbeit mit GARCH-Modellen, um künftig erwartbare Veränderungen der Volatilität zu modellieren. Zwar eine harte und umfangreiche Arbeit, jedoch ohne sicheren Zusatznutzen. Da bekommt der Ausdruck „passives Einkommen“ gleich eine ganz andere Bedeutung 😊
Erschienen am 20. Dezember 2024.
Der Hartmut Walz Finanzblog ist unabhängig, kosten- und werbefrei. Ich erhalte für Links und Empfehlungen keinerlei Honorar, Kick-back oder sonstige geldwerte Vorteile. Mich nährt nur die Anerkennung ehrbarer Menschen. Und die Vision, dass Deutschland ein ehrlicherer Platz für Sparer und Vorsorgende werden wird.
Ich kenne zwar die Höhe Ihres Spaßfaktors beim Schreiben nicht… hatte aber sehr viel Spaß beim Lesen. Besonders die Sache in Antwort 6. mit der neuen Beschäftigung für Finanzamtsmitarbeiter hat mir doch die eine oder andere Lachträne ins Auge getrieben. Meine Philosophie – nach 45 Jahren aktiver Finanzmarktteilnahme – ist allerdings viel einfacher. Das wertvollste ist meine Lebenszeit und die bezahlt auch eine Mehrrendite von 3% nicht, selbst wenn es wider Erwarten möglich wäre. Daher ist mein oberstes Gebot Anlagen einfach und arbeitsarm zu machen. 5-10% des Geldes was ich nicht brauche nehme ich für Chancen. Wenn das funktioniert, freue ich mich ein Loch in Bauch. Optionen, CFD und Co habe ich nach einigen früheren Erfahrungen abgewählt, weil sie nach Kosten zumindest keinen Nutzen gestiftet haben. Ich habe außerdem festgestellt, dass selbst Fondsmanager, die Optionen nach ihren Statuten einsetzen dürften das häufig nicht tun. Und diejenigen die das tun, glätten damit im Idealfall ihre Kursverläufe, tun das i.d.R. aber auf Kosten der Rendite.
Klasse, wieder ein äußerst wertvoller und hervorragend geschriebener Artikel von Professor Walz.
Die Bemühungen der Finanzindustrie unsinnige Produkte mittels undurchschaubarer Komplexität zu vermarkten erinnert mich ein wenig an: „Dieser innovative Heizlüfter mit neuester Perpetuum Mobile – Nanotechnologie aus dem Silicon Valley wärmt Ihre ganze Wohnung zum Preis einer Bratwurst.“
Liebe/r Th. Apfel, vielen Dank für Ihre Anerkennung.
Übrigens würde ich bei so einem Heizlüfter nicht schwach werden – wenn der tatsächlich nur die Wohnung wärmt.. zumindest Bügeln und Wäschewaschen sollte er doch auch noch können 😉
In diesem augenzwinkernden Sinne herzliche Grüße, Hartmut Walz – Sei kein LeO!
Lieber Vinzenz Mewis, viel Spaß jedenfalls 😉
Und bei der wertvollen Lebenszeit bin ich so sehr bei Ihnen!
In diesem Sinne alles Gute und herzliche Grüße, Hartmut Walz – Sei kein LeO!