Finanz-Podcasts:
Werbung im Schafspelz
Dass Jürgen Klopp für einen Strukturvertrieb Werbung macht und in dieser Werbung behauptet, man bekomme dort ein Finanzcoaching, ist schlecht. Denn es ist falsch, jemanden als Coach zu bezeichnen, der gegen Provision mehr oder weniger schlechte Finanzprodukte verkauft.
Finanz-Coaches vermitteln keine Produkte
Coaches sind Menschen, die gegen Honorar die persönlichen und beruflichen Fähigkeiten ihrer Coachees stärken. Sie sollen sie weiterentwickeln und in die Lage versetzen, aufgeklärte Entscheidungen zu treffen.
Dazu kann ein Finanzvertrieb aus seiner Natur heraus nicht in der Lage sein. Er würde sonst keine kapitalbildenden Versicherungen und aktiv gemanagte Fonds verkaufen können.
Finanzcoaching – bleiben Sie kritisch!
Auch über Finanzcoachings ist viel zu sagen. Sie kommen in vielen seriösen und unseriösen Formen daher: Allgemein. Oder von Frauen, für Frauen. Oder speziell für Männer, die Lamborghinis fahren wollen. Als Onlinekurs oder Live-Event. Für wenig oder besonders viel Geld.
In sozialen Medien wird viel für Finanzcoachings geworben. Auf einige Angebote scheint der Ansturm so groß zu sein, dass sogar Wartelisten existieren. Nun, wer´s glaubt…
Doch hinter vielen Finanzcoachings steckt nicht das, was die Werbung verspricht (siehe auch das VideoInterview zum Thema Finanzcoaching mit Monika Müller). Wer auf sein Bauchgefühl hört und kritisch bleibt, kann selbst schon eine ganze Reihe von unseriösen und preislich überzogenen Angeboten herausfiltern. Im Zweifel helfen auch echte Honorarberater oder Verbraucherzentralen mit einer Einschätzung weiter.
Finfluencer werben
Auf öffentlichkeitswirksame Werbung setzen Finanzdienstleister aller Art. Erinnert sei an TV-Spots von Prokon vor der Tagesschau, Herrn Kaiser zwischen den Mainzelmännchen und an Werbestände auf dem Campus von Universitäten.
Mittlerweile hat sich die Werbung in die sozialen Medien ausgedehnt. YouTube, Instagram, TikTok, Threads sind nur einige Beispiele für diese Plattformen.
Reichweitenstarke Influencerinnen und Influencer, Finfluencerinnen und Finfluencer (also speziell Influencer im Finanzbereich) werden von Unternehmen als Markenbotschafter engagiert, um von ihrem Einfluss auf junge Zielgruppen zu profitieren. Sie bewerben mehr oder weniger sinnvolle Produkte aus dem Finanzbereich zwischen Clips für Kosmetikprodukten, Klamotten oder Fertiggerichten. Dabei soll der Eindruck entstehen, dass diese Menschen die Produkte selbst nutzen, sie in ihrem Alltag verwenden.
Doch es ist und bleibt Werbung und muss als solche klar gekennzeichnet sein. Das ist sie in aller Regel auch.
Podcast-Werbung
Neuerdings verbreitet sich aber eine weit schlimmere Form der Werbung. Diese kommt harmlos daher, ist aber recht perfide: Podcast-Hosts werben während ihrer Sendungen für bestimmte Produkte und Dienstleistungen. Diese eigens produzierten kleinen Einspieler wirken fast wie eigene redaktionelle Inhalte.
Sie werden zwar als Werbung angekündigt, die Hörerinnen und Hörer sollen aber glauben, dass Micky Beisenherz wirklich unbedingt ein neues Smartphone braucht oder ein E-Auto fahren möchte. Wenn Matze Hielscher Fleischersatzprodukte bewirbt, dann hat es keine allzu große Tragweite.
Anders ist es aber zu bewerten, wenn Finanzdienstleistungen angepriesen werden oder behauptet wird, die gesetzliche Rentenversicherung sei schlecht – womöglich noch in einem Politik- oder Nachrichtenpodcast.
Podcasts haben eine enorme Reichweite und sind deshalb als Träger für Werbebotschaften sehr beliebt. Die Aussagen der Hosts haben Gewicht.
Wenn Podcast-Hosts werben
Es gibt viele Podcasts, die seriöse und reflektierte Inhalte bieten. Angesehene und prominente Personen moderieren, teilen ihre Meinungen und ordnen das Zeitgeschehen ein. Sie verdienen ihr Geld als Hosts (und häufig auch in anderen Bereichen, wie als Autoren, Publizisten, Moderatoren usw.), nicht aber als Werbebotschafter.
Die Gefahr dieser kleinen Einspieler, die im Schafspelz redaktioneller Inhalte daherkommen, besteht darin, dass die Hörerschaft deren Inhalte nicht als das wahrnimmt, was es in Wirklichkeit ist: Werbung.
Werden Smartphones oder Fleischersatzprodukte angepriesen, mögen die Auswirkungen nicht ganz so gravierend sein. Bei kapitalbildenden Versicherungen oder Finanzdienstleistungen kann Hörerinnen und Hörern hingegen ein großer monetärer Schaden entstehen.
Unabhängige Beratung statt Werbung
Gerade bei finanziellen Fragen ist eine unabhängige Beratung für Ratsuchende unabdingbar, damit sie aufgeklärte Entscheidungen treffen können. Jede Fehlentscheidung kostet bares Geld. Die Altersvorsorge schwindet oder kann gar nicht erst richtig aufgebaut werden.
In den Verbraucherzentralen sehen wir jeden Tag unzählige Verträge, die weder bedarfsgerecht noch lukrativ sind. Sie sind aus einem Vertrauensbonus für einen Vermittler entstanden, der nur Geld verdient, wenn er die Produkte verkauft – also eine Unterschrift des Kunden unter den Finanz- oder Versicherungsvertrag erhält. Die Rechnung zahlen die Verbraucherinnen und Verbraucher.
Es stellt sich die Frage, ob Podcasterinnen und Podcaster die Produkte und Dienstleistungen ihrer Werbepartner überhaupt hinreichend bekannt sind. Setzen sie sich kritisch damit auseinander? Können sie überhaupt Einfluss nehmen? Es ist legitim, sich nach Werbepartnern umzuschauen, um Podcasts zu finanzieren.
Trotzdem ein Appell: Liebe Podcast-Hosts, überlegt euch, für wen ihr Werbung machen wollt.
Eure Hörerinnen und Hörer verbinden euch mit den Produkten, die ihr in euren Sendungen anpreist. Unter Umständen werbt ihr mit eurem guten Namen für ein unseriöses Unternehmen oder schlechte Produkte. Seid kritisch, informiert euch, fragt nach. Zum Beispiel bei Stiftung Warentest oder den Verbraucherzentralen.
Denn schnell ist der eigene, mühsam aufgebaute Ruf verdorben!
Erschienen am 26. April 2024.
Der Hartmut Walz Finanzblog ist unabhängig, kosten- und werbefrei. Ich erhalte für Links und Empfehlungen keinerlei Honorar, Kick-back, Beteiligung o. ä.
Ganz so dumm sind wir mündigen Verbraucher dann aber doch nicht. Ich höre selbst sehr gerne Finanzpodcasts, in denen regelmäßig für Broker geworben wird (sogar gezielt mit dem Hinweis, dass man diesen selbst nutze). Auch Nahrungsergänzungsmittel werden regelmäßig beworben. Ich wechsle deshalb weder meinen Broker noch beschaffe ich mir das Nahrungsergänzungsmittel. Ich verstehe auch nicht was schlecht daran sein soll, wenn jemand sagt, die Rentenversicherung sei schlecht. Die Probleme der umlagefinanzierten Rentenversicherung sind doch seit den siebziger Jahren bekannt. Warum sollte das denn nicht Inhalt eines Nachrichten- oder Politikpodcasts sein? Man liest das doch auch in allen seriösen Zeitungen. Ich selbst höre regelmäßig den Politikpodcast eines namhaften Kolumnisten einer großen Zeitung die sich vorrangig mit Wirtschaftsthemen beschäftigt, gerade weil dort auch solche Themen behandelt werden. Auch dieser Podcast wird über Werbung finanziert.
Kann es sein, dass die Verbraucherzentralen vielleicht gerade feststellen, dass sie selbst einen Trend verschlafen haben und nun Probleme haben, eine ähnliche Reichweite aufzubauen? Ein früherer Chefredakteur der Stiftung Warentest hat in sehr kurzer Zeit ein recht ansprechendes Portal zu Verbraucherfragen aufgebaut, dass auch in den sozialen Medien sehr präsent ist. Recht präsent ist ebenfalls das Portal eines noch recht jungen früheren Investmentbankers, das neben Podcasts mittlerweile auch eine umfangreiche ETF-Datenbank und hilfreiche Rechentools bietet. Solche niederschwelligen Angebote sind mir von den Verbraucherzentralen nicht bekannt. Ich wohne auf dem platten Land. Ich müsste eine längere Fahrzeit aufbringen, um eine Geschäftsstelle der Verbraucherzentralen aufzusuchen. Insofern kann meine Kritik aus Sicht eines Menschen, dem dieses Angebot leichter zugänglich ist, ungerecht erscheinen.
Zum Schluss eine Bitte an die Verbraucherzentralen:
Macht doch mal eine Petition für steuerliche Erleichterungen der privaten Altersvorsorge über ETF-Sparpläne!
Damit kann man dann den Riesters und Rürups auch das Wasser abgraben und schützt Verbraucher vor unsinnigen Steuersparmodellen.
VG
H.
Liebe/r H.,
vielen Dank für Ihren ausführlichen Beitrag. Ich vermag nicht in aller Kürze auf alle Punkte einzugehen, deshalb soviel:
– Die gesetzliche Rentenversicherung ist sehr viel besser, als ihr Ruf. Versicherte erhalten viel mehr Leistungen (Rente, Erwerbsunfähigkeitsabsicherung, Witwen- und Waisenversorgung), als in privaten Produkten. Private Rentenversicherungen sind zwar Verkaufsschlager, aufgrund ihrer Kosten und niedrigen Renten aber für die Altersvorsorge nicht geeignet.
Gern kann in Podcasts über die Rentenversicherung gesprochen werden. Falsche Aussagen zur gesetzlichen Rentenversicherung um den Absatz privater Rentenversicherungen zu fördern, sind allerdings hoch problematisch.
– Verbraucherzentralen haben leider nicht die finanziellen Mittel wie andere. Wir können und wollen keine bezahlten Werbepartnerschaften eingehen, Affiliate-Links nutzen oder konkrete Anbieter empfehlen. Ansonsten würden wir unsere Neutralität verlieren.
– Niederschwellige Angebote haben Verbraucherzentralen jede Menge. Telefonische Beratungen und Videoberatungen sind von überall möglich, Rechentools und Musterbriefe stehen zur Verfügung. Gucken Sie doch mal nach unserem Angebot auf http://www.verbraucherzentrale.de oder http://www.vzhh.de.
– ETFs graben auch so Riester- und Rüruprenten das Wasser ab. Das ist nicht das Problem. Das Problem liegt vielmehr darin, dass sich für die Finanzdienstleister mit ETF-Sparplänen viel weniger Geld verdienen lässt. Versicherungsprodukte versprechen hingegen eine hohe Provision. Solange wir einen Vertrieb auf Provisionsbasis haben, wird sich leider nichts ändern.
Viele Grüße
Sandra Klug
Sehr geehrte Frau Klug,
da könnte ich alle Punkte komplett oder zum Teil unterschreiben, auch wenn ich andere Schlussfolgerungen daraus ziehen würde. Meine Sorge ist, dass durch Beiträge wie Ihren obigen ein Verbot von Werbung in Podcasts angebahnt wird. Das fände ich schade bzw. schlimm, weil:
Keine Werbung = kein Podcast
Diese Art der Unterhaltung würde mir fehlen. Ich würde den Webauftritt von Herrn Walz nicht kennen, wenn ich nicht ein Interview mit ihm in einem Podcast gehört hätte.
Die Bitte zur Stellung einer Petition zur steuerlichen Erleichterung von privater Altersvorsorge mit ETF-Sparplänen war ernstgemeint: Sowas hat mehr Gewicht, wenn es Verbraucherzentralen machen. Und es wäre wichtig, dass man uns von den Erträgen auf die mühsam ersparten Kröten nicht auch noch 25% + Soli + Kirchensteuer abnimmt.
VG
H.
Vielen Dank, dass Sie nach diesem Thema schauen! Dieses ganze Social Media Geschwurbele scheint sich im unkontrollierten Raum zu bewegen. Das ist nicht gut.
Danke sehr für Ihre rasche Antwort! Ist das echt schon Pflicht mit dem HINWEIS? Da möchte ich jetzt noch mehr drauf achten. Aber offenbar ist es ja nicht ausreichend. Alles Gute für Sie. Kim
Danke für den Beitrag und die Überlegungen. Vielleicht sollte es eine Pflicht geben, darauf hinzuweisen dass jetzt WERBUNG kommt. mit einem hellen Piepton zum Beispiel. Wie im Radio, wenn der Verkehrsfunk folgt. In Instagram muss man ja auch deutlich schreiben wenn der Post Werbung ist. oder in Zeitschriften steht ANZEIGE darüber. Kann man das nicht regeln lassen? danke Kim
Ja, die Idee ist richtig. Das wird auch gemacht. Das nützt nur leider wenig, wenn im gleichen Tonfall weiter geplaudert wird. Als Hörer bekommt man das dann gar nicht unbedingt mit.
Sehr geehrter Herr Professor Walz,
zu der Riester-Rente erwähnen Sie bitte die beteiligten Politiker und Regierungskoalitionen sowie deren beruflichen bzw. nebentätigen Verquickungen.
Den Amtseid von Ministern, zum Wohle der Bevölkerung zu handeln, können wir bei „Riester“ nicht sehen.
In unserer Familie mit 2 Kindern hat meine Frau, deren Arbeitsvertrag vom kirchlichen Arbeitgeber während der gesamten Berufstätigkeit auf 50% beschränkt wurde, von Anfang an „geriestert“ und neben der Prämie selbst nur die Mindestsparrate eingezahlt.
Die Zusatzrente begleitet annähernd die gesamte Erwerbsbiographie und kann schwerlich verändert werden.
In unserem Fall wurde der Vertrag bei einem kirchlichen Versorgungswerk abgeschlossen ohne Abschluß- und Betreuungskosten; allerdings wurden bei der Anlage der Versichertengelder mehrere Millionen € „versenkt“, dass ein anderes kirchliches Versorgungswerk die Bestände weiterführt.
In dem Entscheidungszeitraum war uns das Thema ETF noch nicht im Bewusstsein.
Unseren berufstätigen Kindern raten wir von obigen Anlageformen ab und empfehlen ETF´s zum Vermögensaufbau und fürs Alter.
Wir danken Ihnen und dem BdV für die am Wohl des mündigen Verbrauchers orientierten vielfältigen Informationen.
Mit freundlichen Grüßen
Lieber Gunther Niemeyer, vielen Dank für Ihre Überlegungen – die zwar hier zum Thema nicht passen – ich aber nicht unbeachtet lassen möchte.
Dass auch Ihre Familie, zudem mit einem kirchlichen Arbeitgeber, so schlechte Finanzerfahrungen machen musste, tut mir leid. Gut, dass Sie Ihre Kinder da auf besseres verweisen können.
Um diese Aufklärung geht es mir – und den Verbraucherschützern in unserem Land.
Gerne weitersagen! 😃
Alles Gute für Sie und herzliche Grüße, Hartmut Walz – Sei kein LeO!