GASTBEITRAG MONIKA MÜLLER, WIESBADEN
Verluste entstehen im Kopf – also können wir sie dort auch wieder loslassen
Ihr Portfolio ist gerade im Verlust und Sie fragen sich: Wie gut kann ich mit diesen Verlusten umgehen? Super, Sie beschäftigen sich gerade mit dem, was Sie wirklich kontrollieren können – Ihrem Denken, Fühlen und Handeln.
Rational betrachtet wissen wir alle, wenn wir heute in den Markt investieren, können wir nicht wissen, ob der Markt morgen steigt oder fällt. Wenn der Markt aber fällt und fällt, kommt der Zeitpunkt, an dem Anleger emotional reagieren.
Die einen überlegen „nachzukaufen“, weil es nach so vielen Abstiegen wieder aufwärtsgehen „muss“. Die anderen überlegen zu verkaufen, weil sie glauben es geht komplett den „Bach runter“. Das ist Alltag an der Börse. Aus diesen unterschiedlichen Erwartungen entstehen Börsengeschäfte.
Der besondere Umgang mit Verlusten
Bei Verlusten gibt es verschiedene ungünstige Reaktionen: Wegschauen, hinschauen und nichts tun, spontan emotional reagieren. Bestmöglich entscheiden heißt: intuitiv, aufgeschobene Entscheidungen treffen. Lesen Sie nochmal hier nach.
Zugegeben, das Spiel mit Ratio, Intuition und Emotion verlangt einiges von uns. Aber nichts, was unmöglich wäre. Im Gegenteil, unser Gehirn ist dafür bestens ausgestattet. Wir müssen dieses Wunderwerk auf unseren Schultern nur optimal nutzen.
Abb. 1: Ratio, Intuition, Emotion | © FCM Finanz Coaching
Die größte Herausforderung bei Finanzentscheidungen ist der Umgang mit unseren Gefühlen. Wer in Angst, Gier, Unsicherheit oder Ärger verhaften bleibt, ist nicht in der bestmöglichen Verfassung.
Es gibt eine mentale Technik, die hilft Gefühle zu steuern. Ja, Sie haben richtig gehört: Wir können unsere Gefühle steuern.
Sie brauchen eine Anleitung, so detailliert wie ein Rezept, und danach müssen Sie einfach nur üben, üben, üben. Das Rezept bekommen Sie von mir.
Wenn Sie ab sofort täglich mehrmals mit Freude üben, dann haben Sie in einer Woche ein Handwerkzeug, das Ihnen in allen Lebenslagen erlaubt Ihre Gefühle zu steuern und Ihr Gehirn optimal zu nutzen.
Woher kommen unsere Gefühle?
Genauer gefragt, wie kommt es, dass eine Person mit Angst und eine andere in der gleichen Situation mit Ärger reagieren? Auf den Punkt gebracht: Das sind individuelle, wiederkehrende Muster, die sich über Gene, Schwangerschaft und Sozialisation in unserer Kindheit entwickelt haben.
Und sie sind nützlich. Denn sie haben alle eine Funktion: Sie machen uns auf wichtige Dinge aufmerksam.
Zum Beispiel: Stress. Wenn wir uns in einer Situation befinden, die wir subjektiv bedrohlich empfinden, dann ist es wichtig, dass wir vom „Normal-Modus“ in einen „Achtung-Modus“ wechseln. In der Persönlichkeitsforschung werden dazu drei Grundreaktionen beschrieben: Angriff, Flucht, Erstarren. Ist die Bedrohung objektiv abgeflacht oder sogar ganz vorbei, dann sollten wir automatisch in einen entspannten Modus zurückkehren.
Das gelingt meist recht gut, aber eben nicht immer. Manchmal drehen wir uns dauerhaft im Kreis. Besonders in Situationen, die sehr belastend sind, oder wie gerade zurzeit, in Situationen, in denen wir von außen regelmäßig „Futter“ für Stress bekommen.
Die äußeren Einflüsse – den Medienkonsum – können wir begrenzen. Mit dieser Maßnahme ist schon viel gewonnen.
Doch wenn sich das eigene Portfolio im Verlust befindet, braucht es kein Fernsehen, dann sind wir mit uns im Binnenverhältnis beschäftigt. Insbesondere, da wir Verluste doppelt so stark (negativ) empfinden, wie Gewinne (positiv) in der gleichen Höhe.
Verluste haben das Potential in uns Stress zu erzeugen. Aber es muss noch etwas dazu kommen: die eigene Bewertung. Erst wenn wir subjektiv einen tatsächlichen, drohenden, oder vorübergehenden Verlust als Belastung oder Bedrohung bewerten, entsteht Stress.
Und das bedeutet: unser System reagiert mit einer Abfolge von körperlichen und psychischen Veränderungen. Durch bewusste „Neubewertung“ können wir den Stress mildern und mit etwas Übung auch wieder stoppen.
Vor mehr als 15 Jahren habe ich eine Technik für meine Coachingkunden entwickelt. Das Besondere, das in keiner anderen mentalen Technik zuvor berücksichtigt wurde: WaSA© baut auf einer wichtigen Entscheidung auf. Lassen Sie sich überraschen.
Abb. 2: WaSA© | © FCM Finanz Coaching
Mentales Stressmanagement mit WaSA©
Mentales Stressmanagement mit WaSA© nutzt unsere Fähigkeit, Unbewusstes in bewusstes Denken zu bringen. Die Methode besteht aus folgenden drei Schritten: Wahrnehmen – Stoppen – Alternative denken.
- Wa = Gedanke(n) wahrnehmen
Belastende Gefühle, gehen in der Regel mit einem belastenden Gedanken einher. Das ist wie Öl aufs Feuer kippen. Er führt dazu, dass unsere Gefühle nicht zum Stillstand kommen. Wenn Angst, Ärger oder Gier nicht abflachen, kommen Ratio und Intuition nicht zum Zuge. In der Folge treffen wir schlechte Entscheidungen. Der erste Schritt zur Veränderung: Finden Sie den Gedanken, der Ihre Gefühle im Hinblick auf die Verluste antreibt. Hier einige Beispiele aus der Praxis:
Angst-Gedanken – „Ich verliere alles“ – „Ich werde mein Ziel nicht erreichen“ – „Ich werde im Alter arm sein“ – „Mein Partner verlässt mich, wenn er erfährt, dass die ganze Altersvorsorge in Aktien angelegt ist“ – „Ich bin ohnmächtig“ – „Ich kann nichts mehr tun“.
Ärger-Gedanken – „Ich habe alles falsch gemacht“ – „Der Berater hat mich über den Tisch gezogen“ – „Warum bin ich nur noch nicht eingestiegen, der Markt läuft mir wieder mal davon“ – „Wenn ich jetzt einsteige, dann dreht der Markt gegen mich“ – „Alle anderen sind schon wieder investiert, nur ich nicht“.
Machen Sie einfach gleich mit und schreiben Sie jetzt auf, welche belastenden Gedanken sie gerne loswerden möchten:
…
- Eine zentrale Entscheidung treffen
Bevor Sie den Gedanken neu bewerten, treffen Sie jetzt eine Entscheidung. Warum ist diese Entscheidung so wichtig?
Bei meiner Feldforschung habe ich immer wieder beobachtet, wie Menschen mit mentalen Techniken Gedanken gestoppt und positive Alternativen gedacht haben. Fast wie gebetsmühlenartig wurden dann Sätze wie: „Ich tue mein Bestes“, „Ich schaffe das“, „Ich erreiche mein Ziel, mit positiven Gedanken“ gesprochen.
Doch nach einiger Zeit, kamen die belastenden Gedanken und Gefühle wieder zum Vorschein. Das war wie ein Gespräch im „inneren Team“, bei dem eine Person ruhiggestellt wurde. Dieses Teammitglied war nicht aktiv in die Veränderung eingebunden. Aber es war immer noch da, und wartete nur auf eine Gelegenheit, wieder seine Stimme zu erheben. Das ging nur selten gut. Wie im realen Team, so muss auch das sogenannte innere Team eine einstimmige Entscheidung finden. Das gelingt mit der Frage:
Will ich (jetzt) so denken – JA oder NEIN?
Aber Achtung: Bei diesem Schritt von WaSA© sind zwei Dinge wichtig:
Wir dürfen belastende Gedanken denken. Es ist wichtig, uns den Raum für Angst, Ärger, Trauer zu geben.
Wenn Sie also merken, der „negative“ Gedanke ist wichtig und tut Ihnen gut, dann erlauben Sie sich so zu denken. Aber bewusst! So halten Sie das Steuer in der Hand. Sie nehmen Verantwortung und bleiben trotz getrübter Stimmung handlungsfähig.
Wenn wir entdecken, dass der Gedanke unsinnig ist, uns behindert, dann ist ein lautes NEIN zu uns selbst nötig. Genau so, wie es in einem realen Team notwendig sein kann, sogenannte „dark thoughts“ zu stoppen. Denn Worte wirken, ob wir sie aussprechen, oder nicht!
Der zweite Punkt ist: Prüfen Sie, ob Sie zu dem Gedanken grundsätzlich, oder temporär, also „jetzt“ NEIN sagen möchten. Manchmal ist es nötig, einen Gedanken später noch einmal in aller Ruhe zu betrachten. Dann macht es keinen Sinn den Gedanken komplett zu stoppen.
Wenn ein Gedanke eine wichtige Botschaft beinhaltet, dann lässt unser Unterbewusstsein den generellen Stopp auch nicht zu. Trotzdem kann es notwendig sein, den Gedanken für den Moment loslassen zu können, damit wir handlungsfähig werden.
Probieren Sie es einmal aus. Nehmen Sie gerne Alltagssituationen. Den Stau auf dem Weg zur Arbeit, die Schlange vor der Kasse, die Musik des Nachbarn, … Zum Üben lohnen sich einfache, wiederkehrende Situationen, an denen Sie besonders gut erkennen können, ob es Ihnen gelingt, sich bewusst zu entscheiden. Es braucht ein paar Übungsschleifen. Genau wie ein Muskel, der zwar immer da war, den wir aber lange nicht genutzt haben.
Wenn die Entscheidung gefallen ist, kommt der nächste Schritt der praktischen Arbeit. Wie können wir einen Gedanken stoppen?
- S – Gedanken stoppen
Aus meiner Coachingpraxis kenne ich verschiedene Wege, die gut funktionieren. Probieren Sie, was für Sie gut gelingt. Hier ein paar bewährte Beispiele:
- Körperhaltung verändern (Aufstehen, andere Sitzhaltung, Füße auf den Boden)
- Atmung (dreimal tief ein- und ausatmen)
- Symbol vorstellen, wie zum Beispiel ein Stoppzeichen aus dem Straßenverkehr
- Belastenden Gedanken als eine Figur im Raum vorstellen und bewusst mit dem Blick stoppen: „Keinen Schritt näher!“
- Laut aussprechen: „Stopp“ – mit aufrechter, entspannter Körperhaltung
Wenn das Richtige noch nicht dabei ist, finden Sie mit etwas Kreativität noch weitere Wege.
- A – Alternative denken
Sind die ersten Schritte geschafft, ist der Stress meist schon einer entspannten Aufmerksamkeit gewichen. Manchmal ist es jedoch noch wichtig einen alternativen Gedanken zu finden, der eine angemessene Neubewertung für eine neue Richtung gibt.
Ziel ist immer: Handlungsfähigkeit, egal was der Markt, das Portfolio oder die Medien machen. In der nächsten Zeit wird die Unsicherheit bleiben. Jetzt kommt es also darauf an, nicht nur mit Verlusten gut umzugehen, sondern auch eine neue Haltung zu Sicherheit, Unsicherheit und Risiko zu finden.
So könnten alternative Gedanken lauten:
Wenn ich jetzt einsteige und der Markt fällt, dann…
„…habe ich alles richtig gemacht“ (Denn ich möchte immer im Markt sein, um alle Aufwärtsbewegungen mitzunehmen.)
Wenn ich jetzt meine Verluste sehe,
„…dann weiß ich, dass es mir trotzdem noch gelingen kann, mein Ziel zu erreichen.“
Wenn ich jetzt meine Verluste sehe,
„…ist das Gespräch mit meiner Frau oder meinem Mann der nächste Schritt. (Ich wünsche mir, dass wir die Verantwortung für unsere Altersvorsorge zu 50/50% gemeinsam tragen. Damit wir für unser Geld und unsere Beziehung sorgen.)
Der letzte Schritt bei WaSA© ist der persönlichste und intensivste Part.
Finden Sie in einem kreativen Prozess zu neuen Bewertungen und Gedanken. Dieser Teil der Lösung ist besonders spannend und wirkungsvoll. Lassen Sie sich Zeit damit. Er wird Ihr Leben verändern.
Erschienen am 12. Juni 2020.
Der Hartmut Walz Finanzblog ist unabhängig, kosten- und werbefrei. Ich erhalte für Links und Empfehlungen keinerlei Honorar, Kick-back, Beteiligung o. ä.
Der kreative Part ,negative Glaubenssätze aufzulösen wird angedeutet ,
Ich bitte um Literaturangaben dazu!
Danke
Guten Tag Christine,
ich freue mich sehr über Ihr Interesse an meinen Blogbeitrag.
Für das das Modell WaSA© bin in der Tat ich die Quellenperson. Das Modell habe ich schon vor vielen Jahren – ohne weitere Literaturquellen – selbst entwickelt, nutze es in meinen Coachings und lehre es in meiner Coachingausbildung. Im aktuellen Blogbeitrag habe ich das Modell zum ersten Mal so ausführlich beschrieben. Wer es anwenden und weitergeben möchte, den lade ich herzlich – unter Angabe der Quelle (© Monika Müller, FCM Finanz Coaching) – dazu ein.
Den Begriff „negativ“ setzte ich in meinem Beitrag absichtlich in Anführungszeichen. Die Bewertung – ob positiver oder negativer Glaubenssatz – habe ich bei der Anwendung von WaSA© bewusst vermieden. Allerdings kenne ich natürlich auch aus meiner Erfahrung als Psychologin und Coach bewährte Ansätze (z.B. EMDR), in denen von belastenden oder negativen Überzeugungen gesprochen und deren Auflösung angestrebt wird.
Mit WaSA© gehe ich jedoch einen anderen Weg und gebe dem Entscheider und der Entscheiderin in die Hand, ob sie den Gedanken wirklich (jetzt) stoppen und einen alternativen Gedanken denken möchten. Gerade diese verantwortungsvolle Entscheidung hat eine außergewöhnliche Kraft. Wer etwas loslassen möchte, hat damit ein „Werkzeug“ in der Hand, dass ihm bewusst die Wahl lässt.
Freundliche Grüße und einen guten Wochenstart für alle Leserinnen und Leser
Monika Müller
…und noch ein kurzer Nachtrag zur Frage nach Anregungen für kreative Prozesse und der Suche nach Alternativen.
Bei dieser Suche können Fragen helfen, wie:
Wie möchte ich denn gerne denken können? – Was ist meine beste Hoffnung für mich und mein Geld? – Wenn ich Verluste losgelassen habe, was ist dann anders? – Wohin geht meine Aufmerksamkeit, wenn der Stress weicht? Was habe ich nicht (mehr) gesehen, was mit jetzt wieder bewusst wird?
Und die Turbofrage für Kreativität, die noch einen kleinen Schritt weiter geht: Wer bin ich mit und ohne Geld?
Danke, dass Sie sich die Zeit nehmen und einsteigen in das Thema. Ich freue mich auf weitere Fragen, Kommentare und gerne auch Erfahrungen mit WaSA©.
Herzliche Grüße
Monika Müller