Die Tricks der Verkäufer – So entlarven Sie unseriöse Anbieter
Gastbeitrag Oliver Schumacher, Lingen (Ems)
Leider gibt es Verkäufer und Vermittler, die nach dem Motto „Sage immer die Wahrheit, aber nie die Ganze“ Produkte und Dienstleistungen verkaufen.
Dabei sollte doch Ehrlichkeit und Transparenz die Basis für Geschäftsbeziehungen bilden – und nicht irgendwelche Verkäuferfloskeln und -tricks.
Damit Sie zukünftig leichter unseriöse Anbieter entlarven, gibt der Verkaufstrainer Oliver Schumacher fünf wertvolle Denkanstöße.
Viele Verkäufer müssen auch schlechte Produkte verkaufen
Im Idealfall bietet ein guter Verkäufer oder Vermittler nach einer umfangreichen Bedarfsanalyse seinem Gesprächspartner die aus Kundensicht idealste Anlage an.
Hat der Vermittler kein Angebot, das zum Kunden passt, so sollte er die Zusammenarbeit mit dem Interessenten ablehnen. Schließlich haben Verkäufer ja auch eine Verantwortung für das, was sie verkaufen.
In der Praxis bieten ehrliche Verkäufer ihren Kunden Produkte, von denen sie selbst wissen, dass sie für den jeweiligen Kunden nicht geeignet sind, gar nicht erst an.
Und die anderen? Die verkaufen lieber ein „schlechtes“ Produkt, als gar keins.
Für Finanzdienstleistungen hat David Booth diesen Konflikt jedes Verkäufers oder Vermittlers in einem Zitat auf den Punkt gebracht:
Sind Sie bereit jemandem Schuhe zu verkaufen, die nicht passen? Oder sind Sie bereit auf ein Geschäft zu verzichten, da Sie nicht die richtige Größe verfügbar haben? (David Booth)
Im Finanzdienstleistungsmarkt gibt es unterschiedliche rechtliche und organisatorische Formen des Vertriebs bzw. der Vermittlung
Am schlechtesten ist die Situation von Einfirmenvertretern sowie angestellten FPVs, die strengen Zielvorgaben und Weisungen unterliegen.
Arbeitsrechtlich gesehen unterliegen angestellte Mitarbeiter zudem dem Weisungsrecht ihres Arbeitgebers. Das bedeutet: Wenn z. B. eine Bank oder Bausparkasse von einem angestellten Verkäufer verlangt, Produkt X zu verkaufen, dann hat letzterer dies auch zu tun. Andernfalls kann dies schnell als Arbeitsverweigerung interpretiert werden.
Eine mittlere Position nehmen ethisch ausgerichtete Makler und Mehrfachvermittler ein, die den Interessenkonflikt zwischen Verdienst einerseits und Verfolgung von Kundeninteresse andererseits zumindest teilweise ausbalancieren können.
Beispielsweise können sie vergleichsweise schlechte oder für den Kunden überteuerte Produkte eines Anbieters ignorieren. Und dem Kunden bessere oder kostengünstigere empfehlen.
Konkreten Weisungen unterliegen sie nicht. Jedoch verdienen sie am Ende des Tages auch nur dann Geld, wenn sie ein provisionsfinanziertes Produkt erfolgreich vertrieben haben.
Und das muss noch lange nicht im Interesse des Kunden liegen.
Sparen am falschen Ende
An dieser Stelle wird deutlich, dass einkaufseitige Beratung jeder Form des provisionsfinanzierten Vertriebs überlegen ist. Da ein vom Kunden bezahlter Berater sehr wohl auch zum Ergebnis kommen kann, dem Kunden von Abschlüssen völlig abzuraten.
Viele Kunden möchten für Beratung kein Geld ausgeben. Und sparen am falschen Ende. Wer Sie jedoch kostenlos berät, ist kein Berater, sondern ein Verkäufer.
Und natürlich zahlen Sie den Verkäufer auch – nur eben in versteckter Form.
Wer böse Überraschungen vermeiden will, geht also bei Entscheidungen über größere Anlagebeträge oder mit längerer Bindung lieber zu einem echten nur von ihm selbst bezahlten Berater. Und lässt sich darüber aufklären, welche Folgen seine Unterschrift unter komplexe und/oder langfristig bindende Verträge hat.
Denn was sind schon ein paar hundert Euro Gebühren im Verhältnis zu einem möglichen Totalverlust einer Anlage oder einem dauerhaft unvorteilhaften Vorsorgevertrag, der sich erst nach vielen Jahren als „Rohrkrepierer“ erweist?
Schönreden und bagatellisieren des Kleingedruckten
Häufig werden die notwendigen Verträge, die vom Kunden zu unterschreiben sind, bagatellisiert. Sätze wie „So, jetzt müssen wir noch kurz wegen der Bürokratie die Formalitäten klären“ oder „Damit Sie dann mit dabei sind, unterschreiben Sie bitte noch mal eben dort, wo ich überall ein x gemacht habe.“
Vor Gericht gilt mangels Zeugen oft nur das Geschriebene. Darüber hinaus versucht in der Regel immer derjenige, der Verträge in die Geschäftsbeziehung einbringt, seine eigene Position zu stärken – für den Fall der Fälle.
Darum sollten insbesondere mehrseitige Verträge niemals „nebenbei“ und sofort unterschrieben werden. Erst einmal mitnehmen und in Ruhe lesen ist angesagt.
Gerade wenn Vertriebler behaupten, dass schriftliche Bedingungen nur aus formalen oder juristischen Gründen im Vertrag stünden und man in Wahrheit ganz anders oder „nach Absprache“ oder „kulant“ verfahren werde, ist großes Misstrauen angesagt.
In unserer emotional gefärbten Wahrnehmung empfinden wir, dass wir eine Vereinbarung mit einem Menschen als Geschäftspartner schließen, der womöglich außerdem noch vertrauenswürdig und sympathisch wirkt. Wir erleben also den Vertragsschluss als partnerschaftliche Einigung zwischen zwei Menschen.
Wenn es hart auf hart geht, wird der Konflikt jedoch stets zwischen Kunde und Leistungsanbieter (also Bank, Versicherer, Bausparkasse) ausgetragen. Und der Vermittler steht – außen vor – an der Seitenlinie.
Viele Finanzdienstleister – gerade bei Banken – versetzen ihre „Berater“ zudem regelmäßig in andere Gebiete oder zu neuen Kundengruppen. Und Ihr neuer Ansprechpartner kann sich an persönliche Absprachen oder Nebenabreden natürlich nicht mehr erinnern… Wie auch? Er war ja nicht dabei.
Risiken, Kosten und Nachteile werden in Verkaufsprospekten nicht angemessen dargestellt
Verkäufer versuchen verständlicherweise, komplexe Zusammenhänge einfach zu veranschaulichen.
So ist es keine Seltenheit, dass Anbieter entweder spontane Skizzen oder bildhafte Darstellungen beim Kunden erstellen, in denen z.B. die Altersversorgung als Haus mit mehreren Etagen oder Säulen dargestellt wird. Oder dass sie Verkaufsprospekte verwenden, die jedoch nicht Teil des Vertragswerkes und somit juristisch völlig unverbindlich sind.
Leider „vergessen“ viele Anbieter, entscheidende negative Informationen aus diesen Unterlagen zu benennen und informieren einseitig positiv bzw. verzerrend.
Dass über der tollen Wertentwicklung eines Vorsorgeproduktes dann „unverbindliche Modellrechnung“ steht, kann schnell übersehen werden. Zumal unfaire Vertriebler hiervon ablenken.
So kann es passieren, dass Ihnen in einem Verkaufsprospekt für einen offenen Immobilienfond die Performance, Merkmale und Gebühren knackig dargestellt werden. Aber nicht, dass sie eine Kündigungsfrist und eine Mindesthaltedauer haben.
Die aus Verbraucherschutzgründen je nach Produktart vorgeschriebenen Kurzinformationen wie KIID, WAI, PIB und BIB (man betrachte nur den unübersichtlichen Bezeichnungs- und Abkürzungsdschungel) enthalten zwar eine relativ faire Informationsgrundlage. Lesen sich jedoch im Vergleich zu den marketingmäßig aufpolierten Verkaufsprospekten eher trocken. Und werden daher häufig vernachlässigt.
Kritikwürdig ist zudem, dass viele Finanzdienstleister ihre Produkte so aufbauen, dass sie im Rahmen der Regulierung als vorteilhaft dargestellt werden können (z. B. niedrige Risikoklassifikation bei vielen Anlagezertifikaten).
Im Ergebnis hantieren die nicht so ehrlichen Vermittler im Verkaufsprozess die meiste Zeit mit juristisch unverbindlichen Prospekten und Modellrechnungen herum. Während relevante Informationen in einem Berg schwer verständlichen Informationen versteckt werden. Wer liest schon ca. 120 Seiten Information einer VVG-Info (Verordnung über Informationspflichten bei Versicherungsverträgen)? Und vor allem: Wer versteht diese „Wall of Words“?
Keine falsche Scham: Fragen, fragen, fragen
Es ist nur allzu verständlich, dass Verkäufer den Fokus auf das Positive ihres Angebots lenken. Und weniger auf das Negative.
Hier sind Sie gefragt: Sie müssen sich trauen, kritische Fragen zu stellen.
Reagiert ihr Produktverkäufer darauf empört oder genervt, brechen Sie am besten sofort das Gespräch ab. Sie brauchen keine Vermittler, die Ihnen nur Hoffnung verkaufen wollen. Sie brauchen starke Vermittler, die mit Ihnen im Zweifelsfall durch dick und dünn gehen:
- „Wo steht der von Ihnen genannte Vorteil genau im Vertrag?“
- „Mal angenommen, es passiert x. Was machen Sie dann?“
- „Wie kann ich einen eventuellen Schaden begrenzen, wenn ich den Vertrag nach 5, 10, 15 Jahren nicht weiterführen kann?“
- „Inwiefern haftet der Vermögensverwalter bei dieser Anlage bzw. beteiligt sich an einen Verlust?“
- „Können Sie mir einmal die konkrete Liste mit den Anlageprodukten zeigen, zwischen denen ich jederzeit kostenlos hin- und herwechseln darf?“
Entwickelt sich eine Anlage nicht so, wie das Verkaufsprospekt oder unverbindliche Modellrechnungen prognostizierten, können Sie davon ausgehen, dass Ihr Anlageberater einen Ausredenkatalog parat hat, sobald Sie kritisch nachfragen.
Von „Glauben Sie denn, ich hätte Ihnen die Anlage verkauft, wenn ich gewusst hätte, dass sie sich so schlecht entwickelt?“ über „Nun, wer solche Renditen haben möchte, muss natürlich auch ins Risiko gehen“ bis zu „Wir haben ja deswegen Ihre Anlagen diversifiziert, dass Sie bei diesem einen Produkt einen Totalverlust durchaus verkraften können. Doch schauen Sie mal, bei den anderen Dreien sind Sie deutlich im Plus“.
Letztlich sollten Sie davon ausgehen, dass Sie im Zweifelsfall immer alleine mit einem eventuellen Schaden dastehen.
Darum schauen Sie lieber doppelt hin. Holen sich zusätzliche Informationen aus unabhängigen Quellen ein. Und hinterfragen das Eigeninteresse Ihres Gesprächspartners, um Ihr Risiko bestmöglich zu reduzieren.
Und immer, wenn die Sache komplex wird und es um viel Geld oder lang laufende Vertragsdauern geht, vermeiden Sie viele Interessenkonflikte, wenn Ihr Gesprächspartner nur von Ihnen und nicht von der Anbieterseite bezahlt wird.
Erschienen am 13. August 2021.
Der Hartmut Walz Finanzblog ist unabhängig, kosten- und werbefrei. Ich erhalte für Links und Empfehlungen keinerlei Honorar, Kick-back, Beteiligung o. ä.
Ich denke Verkauf / Vertrieb ist grundsätzlich nichts Negatives, er gehört zu einem gewichtigen Teil zur Speerspitze eines jeden Unternehmens, jeder Dienstleistung, einer jeden Branche.
Wenn, wie Eingangs thematisiert, Verkaufsstrategien entsprechend massiv manipulative und irreführende Praktiken erfordern, um ein Produkt / eine Dienstleistung überhaupt zu vertreiben, ist es m.E. eine quasi kaskadierende Fortschreibung von (Fehl)-Entwicklungen, denen schlechte Produkte oder Dienstleistungen vorangehen.
Bezogen auf den Finanzdienstleistungssektor gibt es genügend Beispiele für, für den Verbraucher nachteilige Produkte / Anlagevehikel, die in diesem Blog vielfach erläutert wurden und wohl entsprechende, beschriebene Verkaufsstrategien, benötigen.
Für mich bestätigt sich dadurch wieder einmal mehr die ganze Absurdität dieses – ich nenne es System – insbesondere auch beim neuralgischen und immer wieder aufgegriffenen Thema der massiv steuerlich subventionierten, privaten Altersvorsorge in Deutschland.
Freundliche Grüße
Philipp Hansert
Hallo Herr Hansert,
auch wenn vermutlich die nächste Bundestagswahl wenig an gewissen Dingen ändern wird, so sollten wir die Kandidaten auf öffentlichen Veranstaltungen mit guten Fragen zu dieser Thematik konfrontieren. Vielleicht kann Herr Walz ja mal einen kleinen Fragenkatalog speziell zur Wahl anbieten, den dann diejenigen, die nicht so sicher in der Finanzmaterie sind, nutzen können, um gute fundierte Fragen zu stellen.
Viele Grüße
Oliver Schumacher.
MLP hat gerade Rekordzahlen für das 1. HJ 21 vermeldet. Diesem und anderen als „Beraterorganisationen“ getarnten Strukturvertrieben, die sich zudem noch in den Universitäten als „Uneigennützige Vorlesungsgeber“ getarnte, aber rein auf Provi-und Kick Basis Jagd agierenden Abzocker muss endlich das Handwerk gelegt werden. -wenn man dann noch als Gutmensch über die Firma medienwirksam Millionenspenden verteilt, macht man sich auch in den Medien nahezu unangreifbar. Welcher Journalist, z.B. in der RNZ würde dies wagen?
Hallo Marc (aus Hamburg),
Da habe ich spontan eine Idee: Wie wäre es, wenn Eltern in den jeweiligen Hochschulen anrufen und ihre Sorge mitteilen, dass ihren Kindern irgendwelche Verträge von MLP aufgeschwatzt werden? Diese Frage könnten natürlich genauso gut auch Studenten stellen „Sagen Sie mal, wenn ich bei Ihnen anfange zu studieren, ist es bei Ihnen auch Usus, das Sie MLP auf die Studenten loslassen?“ bzw. „Angenommen, es wird bald wieder Studiengebühren geben – fallen diese auch für Ihre Hochschule an, da Sie ja schließlich mit MLP kooperieren?“ 🙂
Viele Grüße
Oliver
Den einzigen echten Schutz gibt es nur durch Aufbau von eigenem Wissen, das einen dann auch dazu befähigt, die Dinge einfach selbst in die Hand zu nehmen. Wer auf das Wissen anderer vertraut, kann in dieser Welt immer mangels Ahnung sprichwörtlich über den Tisch gezogen werden. Das gilt sicherlich in allen relevanten Lebensbereichen.
Ja, das sehe ich auch so, Heinz.
Viele Grüße
Oliver
Danke für diesen Beitrag. Das Problem sind meines Erachtens die „unabhängigen Quellen“. Die zu bekommen bzw. zu identifizieren, ist schwierig.
Hallo Marc,
ja, wirklich unabhängige Quellen gibt es wohl genauso wenig wie „die Wahrheit“. Aber jede Quelle hat ja eine Tendenz, die ein bestimmtes Ziel verfolgt. Und wenn man das im Hinterkopf behält, dann kann man leichter auf gewisse Umstände schließen.
Viele Grüße
Oliver
Sehr geehrter Herr Schumacher,
besten Dank für Ihren Gastbeitrag und die genannten fünf Regeln bzw. Empfehlungen, denen ich mich nur anschließen kann.
Jedoch sind meine eigenen persönlichen Erfahrungen noch erheblich schlimmer,
d. h. es geht nicht nur um Halbwahrheiten, sondern um ganz bewusste Falschinformation des Kunden, um an Abschlüsse zu kommen. Der Vertriebsdruck bei Banken, Bausparkassen, Strukturvertrieben und Versicherern ist enorm und führt dazu, dass die moralischen Vertriebler die Branche verlassen so dass die härtesten und skrupellosesten das Geschäft unter sich aufteilen.
Herzliche Grüße
Guten Tag Frau M.,
herzlichen Dank für Ihre Ergänzung. Das erinnert mich an meinen Schwager: Als dieser sein Grundstück verkaufen wollte, trichterte ihm zuerst der Makler ein: „Sagen Sie mir nichts über Ihre Nachbarn, denn wenn mich ein Interessent fragt, wie denn hier die Wohngegend ist, dann kann ich so immer noch neutral bleiben. Sollten Sie mir aber etwas Negatives über Ihre Nachbarn sagen, bin ich dazu verpflichtet, dies den Interessenten zu sagen. Also: Sagen Sie mir bitte nichts über Ihre Nachbarn, schließlich wollen wir doch das Grundstück verkaufen, oder?“ Kurz: Es scheint so manche Anbieter zu geben, die sich ihre Welt so „drehen“, dass sie sich wenigstens noch selbst im Spiegel ansehen können.
Viele Grüße
Oliver Schumacher.