Crowdfunding als neue Form der Kapitalanlage
Gastbeitrag Prof. Dr. Markus Hehn, Mainz
Insbesondere bei innovativen Geschäftsideen, aber auch bei Immobilieninvestitionen ist eine neue Form der Finanzierung zunehmend populär geworden: Crowdfunding.
1. Bedeutung und Entstehung des Crowdfunding
Crowdfunding – das ist eine Kapitalbeschaffung mittels zumeist einer Vielzahl an Investoren (= die Crowd), die jeweils häufig nur kleinere Beträge zur Verfügung stellen. Für Investoren bietet sich im Gegenzug eine neue und teilweise als sehr lukrativ erscheinende neue Anlageform an.
Der Begriff des Crowdfunding stammt von den englischen Begriffen „Crowd“ und „Funding“ ab. „Crowd“ bezeichnet eine Ansammlung von Menschen, während „Funding“ für den Prozess der Generierung von Kapital steht. Wörtlich übersetzt in die deutsche Sprache bedeutet der Begriff des Crowdfundings in etwa „Schwarmfinanzierung“, dieser Begriff wird allerdings zunehmend weniger verwendet und im allgemeinen Sprachgebrauch durch den englischen Begriff ersetzt.
Wenngleich Crowdfunding erst in den letzten Jahren in der öffentlichen Wahrnehmung angekommen ist, sind die Ursprünge dieser Finanzierungsform schon bedeutend älter.
Ein bekannter historischer Crowdfunding Prozess ist die Finanzierung des Sockels der Freiheitsstatue in New York. Die Statue an sich war ein Geschenk Frankreichs an die Vereinigten Staaten von Amerika. Aber um diese aufzustellen, bedurfte es eines Sockels. Aufgrund einer wirtschaftlichen Krise in der damaligen Zeit (1884/1885) sah sich der Staat nicht in der Lage, die Kosten des Sockels zu tragen. Auch ein anderer Finanzier der verbleibenden Kosten von rund 100.000 USD (entsprechen in etwa einer heutigen Kaufkraft von 6,3 Mio. USD) konnte nicht gewonnen werden.
So kam Joseph Pulitzer, der damalige Herausgeber der New York World, auf die Idee, den Betrag über Kleinstspenden zu generieren. Im Gegenzug versprach er jedem Spender (unabhängig von der Spendenhöhe) in seiner Zeitung namentlich erwähnt zu werden. Innerhalb von fünf Monaten wurde über diese Aktion der fehlende Betrag finanziert. Bemerkenswert ist zudem, dass circa 160.000 Spender sich an der Finanzierung beteiligt hatten und somit ein Großteil weniger als 1 USD gespendet hat, aber aufgrund der Vielzahl der Spender der erforderliche Betrag gesammelt werden konnte.
2. Ausprägungen des Crowdfunding
Crowdfunding lässt sich in die vier Ausprägungen Crowddonating, Crowdsupporting, Crowdlending, und Crowdinvesting einteilen.
Crowddonating hat primär einen karikativen Charakter und ist somit fast ausschließlich für Projekte sinnvoll, die eine stark emotionale Prägung haben (z.B. Hilfsprojekte). Die Kapitalgeber erzielen mit der Kapitalüberlassung keine monetäre Rendite, etwa in Form eines Zinses, sondern eher eine „emotionale Rendite“, indem sie zur Realisierung eines Vorhabens mit meist sozialem, ökologischem oder gemeinnützigem Hintergrund beigetragen haben.
Crowdsupporting (z.T. auch Crowdsponsoring genannt), fehlen zumeist ebenfalls finanzielle Motive, was der Begriff „supporting“ bereits andeutet. Es findet keine finanzielle Beteiligung, sondern mehr eine Unterstützung eines Projektes statt. Die Kapitalgeber ziehen ihren Nutzen aus der Projektumsetzung (z.B. ein Kulturprojekt). Als Gegenleistung für ihre Unterstützung erhalten die Sponsoren bei erfolgreicher Realisierung etwa Konzertkarten, eine Gratis-CD oder werden im Abspann des Films genannt.
Als eine Alternative zum klassischen Bankkredit ist das Crowdlending zu verstehen. Hierbei tritt die Crowd an die Stelle einer Bank. Somit handelt es sich um ein klassisches Fremdkapitalinstrument mit der Crowd als Kreditgeber. Durch Umgehung der Bank als Kapitalvermittler (Intermediär), werden höhere Renditen auf Seiten der Anleger versprochen. Einschränkend muss allerdings festgehalten werden, dass den höheren Renditeerwartungen auch ein entsprechend höheres Risiko gegenüber steht.
Für die noch risikoreichere Überlassung von Eigenkapital ist Crowdinvesting geeignet. Hierbei sind die Kapitalgeber als Investoren im klassischen Sinne zu verstehen, die für die Überlassung von haftendem Eigenkapital eine entsprechend höhere Rendite erwarten. Vor allem Existenzgründer sowie kleinere und mittlere Unternehmen können über diese Finanzierungsform haftendes Kapital generieren. Die Investoren partizipieren zumeist an den zukünftigen Zahlungsströmen des Unternehmens und auch an der Entwicklung des Unternehmenswertes. Die Dauer der Kapitalüberlassung beträgt i.d.R. fünf bis acht Jahre, so dass der Kapitalnehmer das überlassene Kapital langfristig verwenden kann. Im Gegenzug erhält der Kapitalgeber in der Regel eine erfolgsabhängige Beteiligung.
3. Fazit
Die Anlage in Form von Crowdfunding kann eine sinnvolle Portfoliobeimischung für informierte Investoren sein. Das Risiko auf Seiten der Kapitalgeber kann allerdings beträchtlich sein. Im Falle eines Scheiterns (z.B. Insolvenz des kapitalsuchenden Unternehmens nach Kapitalüberlassung) droht den Anlegern ein Totalverlust ihres eingesetzten Kapitals, da Beteiligungen und Darlehen wertlos werden können. Daher empfiehlt es sich für Investoren, nur begrenzte Beträge, die nicht benötigt werden einzusetzen und das zur Verfügung stehende Budget in verschiedene Projekte zu diversifizieren.
Da die Mindestbeteiligungshöhe im Vergleich zu anderen Kapitalanlagemöglichkeiten sehr niedrig ist, kommt zunächst jeder als potentieller Investor in Frage. Einzelne Plattformen bieten bereits die Möglichkeit sich ab 10 Euro an Projekten beteiligen zu können. Ganz selten übersteigt die Mindestbeteiligung einen Betrag von 500 Euro. Ein zentraler Vorteil, der sich aus den vergleichsweise geringen Mindestbeteiligungen ergibt, ist eine mögliche Risikominimierung durch Diversifikation selbst bei kleinerem Budget. So kann ein Investor mit einem Gesamtbudget von 1.000 Euro jeweils 50 Euro in 20 verschiedene Projekte investieren und so den möglichen Verlust in einem Projekt durch erfolgreiche andere Projekte kompensieren. Allerdings sollte dem Investor auch das im Vergleich zu anderen Anlageformen hohe Risiko des Totalverlustes des Investments bewusst sein.
Ein Reiz für Investoren liegt sicherlich auch an der unmittelbaren Teilhabe an einem Projekt, für das er sich selbst entschieden hat. Deshalb begründen viele Investoren Ihre Investitionsentscheidung nicht nur auf Renditegesichtspunkten, sondern auch nach ideellen Überzeugungen und sehen bspw. einen gesellschaftlichen Nutzen in der Umsetzung eines bestimmten Projektes als Ziel ihres Investments. Ein ebenfalls zu erwähnender Gesichtspunkt ist, dass viele der Investoren einen Beitrag zur Entstehung und Förderung einer Gründerkultur leisten möchten.
Erwähnenswert ist auch der Schwarmeffekt, d.h. dass Investoren ihre Investition tätigen aufgrund der Tatsache, dass andere Investoren ebenfalls in das Unternehmen bzw. Projekt investieren und die erstgenannten Investoren zum Teil selbst auf die Prüfung der Investition verzichten. Dieses Verhalten ist kritisch zu sehen, da eine Investmententscheidung basierend auf der Risikoeinschätzung eines Dritten grundsätzlich nachteilig ist.
Einschränkend ist zudem, dass bislang abgesehen von wenigen Plattformen kein funktionierender Sekundärmarkt existent ist und somit entsprechende Beteiligungen bei unerwartetem und sofortigem Kapitalbedarf auf Seiten des Investors nur schwerlich veräußerbar sind. Ein weiteres Risiko liegt in der teilweise fehlenden Regulierung durch Aufsichtsbehörden, so dass eine erhöhte Betrugsgefahr für Anleger besteht.
Unabhängig von diesen Einschränkungen lässt sich abschließend festhalten, dass der Bereich Crowdfunding sehr stark wachsend ist und auch für die Zukunft weitergehende Potentiale aufweist, so dass eine Etablierung als feste Anlagealternative wahrscheinlich ist.
Erschienen am 21. Januar 2022.
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Ein sehr aufschlussreicher Artikel! Vielen Dank für die wertvollen Informationen!
Guten Tag Herr Prof. Hehn,
ich finde Ihren Gastbeitrag (den ich leider erst heute gelesen habe) sehr gut und möchte von meinen praktischen Erfahrungen berichten:
* bin seit Anfang 2018 beim Crowdlending im Immobilienbereich aktiv und konnte Renditen von 5 – 10 %/a realisieren
* ganz wichtig ist die Risikostreuung. Jede diesbzgl. (eigene) Schwäche kann „bestraft“ werden, bspw.
hatte ich bei einem Projekt doppelt so viel eingesetzt wie normal, weil es auf die zweite Hälfte einen Bonus gab.
Dieses Projekt war möglicherweise ein Betrug seitens des Projektentwicklers (und die Vermittlungsagentur hat sich nicht mit Ruhm bekleckert, war inaktiv). Durch eigene Recherchen stellte ich fest, dass bei dem Projekt (eine Renovierung mit anschließendem Verkauf) seit 2 Jahren NICHTS getan wurde. Man kommt halt nicht so oft (von der Pfalz aus) nach Leipzig… Dieser (vermutete) Betrug ist aber die Ausnahme nach meiner Erfahrung.
Einige Projekte litten / leiden unter Corona und die Rückzahlung / Zinszahlung verzögerte sich.
Das Ganze ist also schon etwas risikobehaftet und ich investiere verstärkt in Immobilien-nahe Anlageformen, ähnlich eines offenen Fonds.
Über das Crowdlending bei Immobilien und die genannte zweite Anlageform halte ich in regelmäßigen Abständen Vorträge an der VHS Karlsruhe. Gäste sind gerne willkommen.
Wolfgang Keiper
P.S.: Herr Prof. Walz, gerne können Sie im Blogbeitrag meinen vollen Namen nennen
Sehr geehrter Herr Keiper,
vielen Dank für Ihren Erfahrungsbericht, der sich weitgehend mit meinen eigenen Erkenntnissen deckt. In der Tat ist die Projektauswahl und die Diversifikation ein zentraler Erfolgsbaustein. Ich wünsche Ihnen weiterhin viel Erfolg und Freude bei Ihren Investments.
Viele Grüße,
Markus Hehn
Sehr geehrter Herr Hehn,
vielen Dank für den Beitrag und die interessanten Erläuterungen.
Bei Punkt 3 Fazit „Schwarmeffekt“ ist mein Gedanke, dass das (un)kritische (Schwarm)Verhalten gerne manipulativ bereits recht perfide auf dem Level bei Verkaufsgesprächen im ganz alltäglichen Finanzproduktebereich oder bei Finanz-Dienstleistungen, z.B. Vermögensverwaltungsmandaten, genutzt wird.
Verkäuferseitige Aussagen wie beispielsweise „Das machen alle anderen Kunden auch so“ oder „Sie sind der erste der diese Frage stellt“ greifen bereits genau den kritischen, individuellen Prüfmechanismus eines Einzelnen an und schalten diesen gerne auch dadurch aus, erzeugen gar einen innerlichen Zugzwang beim Gegenüber.
Für mich stellt gerade dieser Effekt, eines der größten Einfallstore für finanzielle Fehlentscheidungen dar. Denn wer will ja schon blöder als alle anderen da stehen…
Mit freundlichen Grüßen
Philipp Hansert
Ich würde mich der Kritik von Herrn Kofler anschließen. In der Praxis der Unternehmensfinanzierung findet Crowdlending eigentlich nur bei Unternehmen statt, die vorher (oft völlig zu recht) von allen Banken abgelehnt wurden.
Beim Crowdinvesting, wo es dann wirklich um junge und innovative Unternehmen geht, geht es in den meisten Fällen um Mezzanine-Kapital. D.h. hier wird keine echte Beteiligung erworben. Das führt dazu, dass das Rendite/Risiko-Verhältnis nicht mehr stimmt. Bei Start-ups ist sind mezzanine Finanzinstrumente aus Investorensicht mit dem quasi dem gleichen Risiko verbunden wie Eigenkapital, allerdings mit deutlich geringeren Renditemöglichkeiten. Da gab es ja nun in der Vergangenheit einige Beispiele, wie eine solche Finanzierung nur für das Unternehmen gut ausgegangen ist und die Crowd mit überschaubaren Renditen abgespeist wurde. Wenn aber die wenigen richtig erfolgreichen Start-ups keine sehr hohe Renditen bringen (wie sie eben nur für echte Eigenkapitalinvestoren tun), dann kann auch ein Portfolio nicht funktionieren.
Start-Ups können lukrativ sein, dann aber in der Regel für millionenschwere Berliner „Inkubator-Investoren-Gründer“, die in diesem Zusammenhang gerne von „500x“ schwadronieren.
Crowdlending wird gerne im Bereich von Immobilieninvestitionen eingesetzt und hierbei sollte immer der Track Record des Kapitalnehmers geprüft werden. Bzgl. des Charakters von Mezzanine Kapital gilt nicht nur im Kontext von Crowdfunding, dass es sich um eine hybride Finanzierungsform handelt, deren Ausgestaltung zwischen Kapitalgeber und -nehmer frei aushandelbar ist. Insgesamt ist es ratsam sich auch beim Crowdfunding die Plattform, über die das Projekt angeboten wird, sich genau anzuschauen. Deren Erfolgsquote der Vergangenheit gibt eine erste Indikation, ob die Prüfung der Projekte gewissenhaft verläuft.
Letztes Jahr haben sie den Finanzweisir beerdigt. Müssen wir Leser bald unsere eigene Trauerfeier abhalten? Crowdfunding ist ein kategorisch schlechtes Vehikel habe ich noch vom alten Walz gelernt. Kritisch ist zu sehen warum ein Unternehmen sich nicht über traditionelle Wege Liquidität beschafft. Diversifikation unter losern hilft da wenig. Suprime reloaded.
Sehr geehrter Herr Kofler, vielen Dank für Ihren Kommentar. Insgesamt sehe ich Crowdfunding nicht als kategorisch schlechtes Vehikel, sondern es bedarf einer entsprechend sorgfältigen Auswahl der konkreten Projekte. Insbesondere junge und innovative Unternehmen sind auf diese Form der Kapitalbeschaffung auch angewiesen und kompensieren das sicherlich höhere Risiko für den Investor durch entsprechend höhere Renditen.
Viele Grüße,
Markus Hehn
Lieber Roland Kofler, danke für Ihren Beitrag – der Finanzblog kann auch mit beißender Kritik gut umgehen. Jedoch brauchen Sie dessen Beerdigung nicht zu befürchten, denn ich habe keineswegs vor, mich vor den Karren der Finanzdienstleistungsindustrie spannen zu lassen.
Jedoch muss es dem Fachkollegen Hehn erlaubt sein, seine fachliche Einschätzung zum Ausdruck zu bringen und ich bin nicht der Zensor für Gastbeiträge. Und ich mag Diskussionen.
Dass ich selbst das Vehikel „Crowdfunding“ und „Crowdinvesting“ nicht nutze ist nach wie vor richtig. Aber ich habe ja auch keine Hanf-ETFs und keine Bitcoin… 🙂
Herzliche Grüße, Hartmut Walz – Sei kein LeO!