KONSTRUKTIVE CRASHGEDANKEN – FAKTEN, SZENARIEN UND WOHLFÜHLSTRATEGIEN
9. Finanzgespräche
Das Interesse war überwältigend. Ganz offensichtlich treiben derzeit viele Menschen diffuse Sorgen ob eines möglichen Finanzcrash um.
Und mit Finanzcrash ist keineswegs ein kleiner – wo möglich regional begrenzter – Aktiencrash gemeint.
Sondern ein Crash über mehrere Anlageklassen hinweg und mit Auswirkungen auf die Finanzbranche, die Zahlungsfähigkeit von Staaten und der Gefahr eines Zerbrechens der Eurozone.
Innerhalb weniger Wochen waren die Herbst-Finanzgespräche ausgebucht. Viele Interessierte konnten keinen Platz mehr in der vollbesetzten Aula erhalten. Hier daher zeitnah für alle eine Zusammenfassung des Abends.
Ein Video auf meinem Youtube-Kanal gibt es hier.
Anders als man es vielleicht vermuten mag, war die Stimmung auch bei diesen Finanzgesprächen locker und humorvoll. Wir waren uns einig, dass wir das Thema „konstruktive Crashgedanken“ gerne auch mit einem Augenzwinkern angehen.
Vertrauen ist der Anfang von allem…
Für alle, die sich über den besonders großen Ring an meinem Finger wunderten, gab es gleich zu Beginn die Erklärung: Es ist ein Wunschring, jawohl.
Mit der passenden Geschichte dazu aus dem Off war er ein Symbol. Wenn man nämlich daran glaubt, dass dieser Ring einen (einzigen!) Wunsch beinhaltet, hebt man sich diesen Wunsch nämlich auf.
Und überlegt sich gut, ob man die möglichen Widrigkeiten nicht auch ohne die Einlösung dieses einzigen Wunsches meistern kann. Man weiß ja nie, was noch kommt und wofür man den Wunsch wirklich benötigen würde.
Und so entfaltet dieser Wunschring seine positive Wirkung, ohne sie tatsächlich je beweisen zu müssen.
Das war auch die Parallele zum Euro-Währungssystem
Die Crash-Psychologie kurz auf den Punkt gebracht: Wenn wir alle daran glauben, dass unser Geld sicher ist. Und unser billionenschweres Geldvermögen (welches ja zwangläufig die Schulden anderer darstellt) werthaltig bleibt.
Dann mögen unser Geldsystem und auch der Euro als Währung noch lange funktionieren.
Und für den Fall, dass nicht, ist man mit ein paar Handlungsempfehlungen besser aufgestellt, als es über 90% der Deutschen derzeit sind.
Unwissenheitszocker
Über neunzig Prozent der Deutschen zocken derzeit nämlich unbeabsichtigt. Aus Unwissenheit und Unkenntnis der tatsächlichen Zusammenhänge.
Insbesondere Menschen ohne Eigenheim haben ihre Reserven nämlich ganz überwiegend im Geldvermögen. Das ist fatal, da sie keine Zinsen mehr dafür erhalten, während die Inflation sie ärmer macht.
Zudem lautet ihr Geldvermögen meist ausschließlich auf Euro. Eine Streuung über mehrere Währungen findet also nicht statt.
Selbst hartgesottene Spekulanten wetten nie alles auf eine Karte, sondern haben noch einen Plan B oder C. Die meisten Deutschen haben eine Vorliebe für Geldvermögen – das dann gar noch auf eine einzige Währung lautet. Das kann man nur als Unwissenheitszocken bezeichnen.
Es wäre toll, wenn sich das allmählich herumspricht. Die ZuhörerInnen in der Ludwigshafener Aula sind übrigens keine Unwissenheitszocker (mehr).
Derzeit haben Crash-Botschaften enorme Konjunktur
Die Crash-Propheten haben derzeit wieder ihren großen Auftritt. Das hatte ich bereits in einem Blogbeitrag beleuchtet – und das gilt immer noch.
Wer wiederholt und unermüdlich einen Crash vorhersagt, der wird früher oder später auch einmal Recht bekommen.
Und es ist richtig, dass manche der aktuell in den Medien präsenten Crash-Propheten auch die letzte Finanzkrise vorausgesehen haben. Dummerweise aber auch ein Dutzend anderer Finanzkrisen, die jedoch niemals eingetreten sind…
Daher sollten Sie sich vor lauter Crash-Angst nicht über Jahre hinweg daran hindern lassen, an der positiven Wertentwicklung von Aktien teil zu haben. Die Opportunitätskosten überzogener Risikoscheu müssen Sie in Betracht ziehen. Und so klein wie möglich halten.
Und wenn am 06. November 2019, just einen Tag vor den Finanzgesprächen „Mister DAX“ gar behauptet, DAX, Dow & Co. seien manipuliert… hat das hoffentlich nichts mit seinem eigenen Fonds zu tun.
Der nicht nur im Minus dümpelt. Sondern z. B. im Vergleich zur Entwicklung des hier als Vergleichsmaßstab geeigneten MSCI-World-Index kräftig hinterherhinkt (über 26% Stand Mitte November 2019).
Die Opportunitätskosten sind hier leider offensichtlich enorm. Das ist kurz gesagt das, was Ihnen entgeht, weil Sie sich auf den Crash vorbereiten. Und dabei für das aktive Fondsmanagement noch hohe Gebühren bezahlen.
Würde der MSCI-World-Index um 28% fallen, würden das in diesem Index investierte Anleger sicher als Crash empfinden. Und wären trotzdem lediglich auf das Niveau des Dirk Müller Premium Aktien Fonds zurückgefallen (unter der freundlichen Annahme, dass dieser nicht ebenfalls mit fällt).
Die Gedanken ordnen
Es ordnet Ihre Gedanken sehr, wenn Sie sich die möglichen Folgen Ihres Handelns oder Nichthandelns für den Eintritt verschiedener Szenarien vor Augen führen.
Und da es nichts gibt, was ein wackerer Ökonom nicht in eine Vier-Felder-Matrix gießen könnte, schauen Sie sich diese an:
Die Matrix folgt den Überlegungen zum Fehler erster Art versus Fehler zweiter Art. Siehe dazu auch das Kapitel 45 in meinem Buch „Einfach genial entscheiden – Die 55 wichtigsten Erkenntnisse für Ihren Erfolg“.
In Bezug auf einen Euro-Crash bedeutet dies:
Kommt der Crash und Sie sind gut darauf vorbereitet, können Sie die Crashfolgen abmildern.
Kommt der Crash nicht und Sie hatten auch nicht für diesen Fall vorgesorgt, haben Sie ebenfalls alles richtig gemacht. Sie sind keine unnötigen Vorsorgekosten eingegangen und haben auch sonst nicht verzichtet.
Kommt der Crash und Sie haben nicht vorgesorgt, könnte es Sie jedoch schlimm erwischen.
Und schließlich: kommt der Crash nicht, hatten Sie sich jedoch fest auf diesen Fall eingestellt, so haben Sie sich umsonst darauf vorbereitet und die Chancen einer Partizipation an der Marktentwicklung ist Ihnen entgangen.
Es sind Ihnen Vorsorgekosten entstanden und Sie haben womöglich auf eine ordentliche Rendite der Kapitalmärkte verzichtet, da Sie Ihr Geld in vermeintlich sicheren Häfen (Tagesgeld, Anleihen usw.) parkten.
Oder einem Crash-Guru (zu) hohe Gebühren für sein angebliches Risikomanagement überließen.
Strategie des geringsten Bedauerns
Die Staaten der Eurozone stehen vor einer Reihe massiver Probleme. So zum Beispiel mangelndes Wachstum, ungünstige Demografie, unbefriedigende Produktivität, ausufernde Verschuldung des Staates, der Privaten und der Unternehmen.
Diese Probleme lassen sich mit einer Null- oder Negativzins-Politik bestenfalls hinausschieben. Aber kaum lösen.
Diese „unkonventionelle Geldpolitik“ schafft ihrerseits eine Reihe neuer Probleme.
Wie zum Beispiel Ertrags- und Eigenkapitalschwäche von Banken und Sparkassen.
Und eine wachsende Zahl von Zombie-Unternehmen. Also Unternehmen, die „eigentlich“ wegen schlechter Produktivität und Rentabilität in Insolvenz gehen sollten, dies aber wegen der Minizinsen nicht tun.
Für die weitere Entwicklung dieser Gemengelage gibt es unterschiedliche Szenarien von denen wir nicht wissen, welche eintreten und wann diese eintreten.
Angesichts dieser Unsicherheit empfehle ich daher, eine Strategie des geringsten Bedauerns anzuwenden. Ohne zu tief ins Detail zu gehen, könnte das so aussehen:
- Sie streben den kleinsten Erwartungswert Ihres möglichen Schadens über alle Szenarien hinweg an oder
- Sie versuchen Ihren Schaden im schlimmsten möglichen Szenario am geringsten zu halten.
Welche Szenarien bei einem möglichen Finanzcrash denkbar sind, ist dabei die eine Frage. Die andere ist, wie wahrscheinlich das jeweilige Szenario ist.
Das weiß letztlich niemand. Spekulieren möchte ich nicht. Ich habe auf Wunsch lediglich versucht, meine Meinung in einer kleinen Übersicht zu veranschaulichen.
Meine Schlussfolgerungen – offen und ehrlich
Ich denke, dass es wohl keine „elegante“ bzw. „schmerzfreie“ Lösung geben wird.
Verbrauchspreisinflation ist bei unserer demografischen Situation nur schwer zu erzeugen. Eine „Lösung“ des Schuldenproblems über Inflation ist also unwahrscheinlich.
Wenn Inflationierung nicht gelingt, bliebe nur die Möglichkeit von Schuldenschnitten.
Diese können bestenfalls geordnet sein. Man verständigt sich hier über Verzichte und Schuldenerlasse.
Und schlimmstenfalls völlig ungeordnet. Hier erklären die Schuldner dann einseitig ihre Zahlungsunfähigkeit und stellen ihren Schuldendienst ein.
Da jeder Schuldenschnitt im Verhältnis eins zu eins mit einem Forderungsverzicht einhergeht, sind die Gläubiger (also Besitzer von Geldvermögen) die Hauptleidtragenden
Während die Eigentümer von Sachvermögen (Immobilien, Gold, Aktien) wahrscheinlich vergleichsweise besser wegkommen.
Aus diesem Grund ist ein staatlich verordneter Lastenausgleich (z. B. eine einmalige Vermögensabgabe oder eine dauerhafte Vermögenssteuer) für dieses Szenario zu erwarten.
Eine geordnete Abwicklung der Staatsschulden wäre wünschenswert, wird aber schwer werden.
Wahrscheinlicher ist, dass die Politik ein aktives Krisenmanagement zur Vermeidung eines Euro-Crashs solange herausschiebt, wie es irgend geht. Um dann bei einem plötzlichen Ereignis unter enormen Handlungsdruck zu geraten.
Es ist sehr wünschenswert, dass wir dann nur Vermögenseinbußen haben, ohne Blutvergießen und Chaos auf den Straßen. Soweit meine Meinung.
Da wir heute unsere Geschichte aber verstanden haben, stehen wir vor der großen Chance, diese nicht erneut wiederholen zu müssen.
Robustheit
Sich robust aufzustellen, ist also das Gebot der Stunde. Damit Sie für jedes Szenario gewappnet sind. Ob ein Finanz-Crash nun kommt, nicht kommt oder später kommt. Ob er das Zusammenbrechen des Euro-Währungssystems zur Folge hat – oder eben nicht.
Robust aufgestellt zu sein und mögliche Risiken preiswert zu reduzieren, könnte so aussehen:
- Euro-Barliquidität sichern
- Zusätzliche Barliquidität in weiteren Währungen bedenken
- Ausreichende Buchliquidität sichern –> Fremdwährungen (AAA-Bonitäten)
- Legale „Rettungsboote“ bedenken –> Realoptionen schaffen, z. B. Cash und physisches Gold
- Langfristanlagen preiswert global streuen (z. B. in Aktien-ETFs und REITS)
- Den persönlichen Verschuldungshebel begrenzen (bedenken Sie eine mögliche Vermögensabgaben des Staates). Und bedenken Sie auch das unbekannte Unbekannte, das wir uns noch gar nicht vorstellen können.
Vermeiden Sie teure Fehler:
- Hohe Anteile im Geldvermögen
- Geldvermögen nur auf Euro lautend
- Fehlende oder minimale Liquiditätsreserve
- Einkauf teurer / instabiler Vehikel (bei Crashpropheten und auch sonst)
- Ignorieren von Opportunitätskosten
- Hoher privater Verschuldungshebel
- Heimatliebe beim Anlegen (Home Bias)
- Klumpenrisiken
- Fehlen von echten „Rettungsbooten“
- Fokus auf ein einziges Szenario
- Kontrollillusion und Detailoptimierung
Eine wichtige Erkenntnis des Abends
Wir wissen nicht, wie stark der Sturm weht und aus welcher Richtung die Böen kommen. Aber wir wissen, dass Bungalows stabiler sind als Jenga-Hochhäuser.
Etwas selbst zu erleben, ist oft einprägsamer als viele Worte. Eine Metapher für letzteres bot ein riesiges Jenga-Spiel auf der Bühne.
Eindrucksvoll wurden dort Bauklötze von unten aus dem Turm genommen, um sie obenauf zu stapeln – und die Turmkonstruktion zwar höher, gleichzeitig aber gefährlich instabil werden zu lassen.
Finanzkrise ohne Ehekrise 😉
Mit den Bankentürmen im Hinterkopf wurde so manchem im Saal mulmig.
Zum guten Schluss
Mit einer lockeren Fragerunde und grundlegenden Strategien und Verhaltensempfehlungen für denkbare Crash-Szenarien konnten die ZuhörerInnen trotzdem guten Mutes die Aula verlassen.
Zwar kann man sich auf ein Chaos nicht im Detail vorbereiten. Man kann sich aber robust und flexibel aufstellen, um auch einen (möglichen) Finanzcrash zu überstehen.
Im Frühjahr 2020 wird mein Buch „Einfach genial entscheiden im Falle einer Finanzkrise: Konstruktive Crashgedanken“ erscheinen. Das Cover gibt es schon – und auch der Inhalt ist schon weit fortgeschritten 😉
Nicht so lange warten müssen Sie auf das Video zur Veranstaltung der 9. Finanzgespräche. Das finden Sie hier.
Ein riesengroßer Dank gilt einmal mehr dem Team der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen a. Rh. für die unermüdliche und hervorragende Umsetzung der Finanzgespräche!
Und wenn Sie jemanden kennen, der sich vor einem Finanzcrash sorgt, empfehlen Sie ihm bitte diesen Blogbeitrag weiter.
Herzliche Grüße
Hartmut Walz
Sei kein LeO!
Erschienen am 15. November 2019. Videolink ergänzt am 08. Dezember 2019.
Der Hartmut Walz Finanzblog ist unabhängig, kosten- und werbefrei. Ich erhalte für Links und Empfehlungen keinerlei Honorar, Kick-back, Beteiligung o. ä.
Sehr geehrter Herr Walz,
wenn ich nicht den Fehler machen möchte, dass sich für mich Transaktionsverluste und Opportuinätskosten ergeben und dafür in AAA-Anleihen bzw. ETF’s investiere, so stehe ich als Laie vor einem unübersehbaren Angebot voller apodiktischer Namen. Ich kann für mich unmöglich heraus finden in welche der Papiere ich investieren soll. Irgend einem Vermögensberater mich anzuvertrauen erscheint mir genau so wenig dienlich, weil ich da immer derjenige bleibe der nichts weiß. Und was ich nicht kenne möchte ich auch nicht ausführen weil ich es letztlich blind tue. Daher die Frage: Gibt es einen Weg, wie ich mich objektiv selbst schlau machen kann? Ich glaube, das ist auch der Grund warum so viele Menschen diesen Weg scheuen.
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Etwas ganz anderes ist das sog. Sanierungs– und Abwicklungsgesetz (SAG) wonach alle Bankguthaben (auch Aktien), Versicherungen, sogar Ärzteversorgungen usw. sog. “berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten” sind über die der Staat willkürlich verfügen kann, ohne dass dem Bürger die Möglichkeit gegeben wäre, dagegen Rechtsmittel einzulegen. Fazit: Halte nicht mehr Geld auf der Bank als wirklich nötig. (Literatur: Wolfgang Phlipp, “Rette sich wer kann vor dieser Bankenrettung”)
Dank Ihnen für Ihre Öffentlichkeitsarbeit und Dank für eine Antwort.
Viele Grüße
Polus
Liebe/r Polus, naja, dass Sie hier auf dem Hartmut Walz Finanzblog sind, ist ein guter Schritt zu einem mehr und mehr informierten, mündigen, selbständigen Privatanleger. Hier gibt es unabhängige und neutrale Information – ohne Verkaufshintergedanken 😉
Geben Sie ein Suchwort in den Finanzblog ein und so kommen Sie schon weiter mit Ihrem jeweiligen Thema. Mein Youtube-Kanal bietet weiteren Input, z. B. den Vidoe “ETF – 10 Filterfragen, wie Sie Ihren ETF finden”: https://www.youtube.com/watch?v=ehG55yzKnxw
Und schließlich: Meine Bücher (auch in der Bibliothek erhältlich 😉 sind so aufgebaut, dass Sie Einsteigern einen Überblick und grundsätzliches Rüstzeug geben und dann konkreter werden, einzelne Finanzprodukte betrachten und für den Privatanleger bewerten. Wie gesagt: neutral und unabhängig. Was können Sie sich sparen, was ist empfehlenswert… Der jüngst erschienene TaschenGuide bietet dafür geballte Umsetzungshilfen und Checklisten.
So, nun höre ich mal auf… aber das war ja eine “Steilvorlage” für mich 😉
Zu dem SAG-Thema bin ich gerade selbst in der Recherche und werde in Kürze darauf eingehen.
Und ansonsten gilt: Ich kläre weiter auf, damit Deutschland ein besserer Platz für Privatanleger wird!
In diesem Sinne: Alles Gute und
herzliche Grüße, Hartmut Walz – Sei kein LeO!