GASTBEITRAG DOROTHEA MOHN, Leiterin Team Finanzmarkt im VZBV
Rentable Rente reloaded
Riester funktioniert nicht. Der Markt der privaten Versicherungswirtschaft und deren Vertriebe bieten keine private Altersvorsorge an, die sich für Verbraucher lohnt. Nun ist die Politik gefordert. Die Lösung: Ein staatlich organisiertes Standardprodukt, das fair, verständlich und rentabel ist.
Das Problem
Viele Verbraucherinnen und Verbraucher sind verunsichert. Wird ihre Rente im Alter reichen? Sind ihre Verträge zur Altersvorsorge passend? War es schlau, einen Riester-Vertrag abzuschließen?
Die gesetzliche Rente ist und bleibt die wichtigste Säule der Altersvorsorge. Dennoch raten viele Experten und die PR-Abteilungen der Versicherungswirtschaft seit Jahren, auch privat vorzusorgen. Ansonsten drohe Altersarmut oder ein niedrigerer Lebensstandard.
Tatsächlich würden laut einer repräsentativen Umfrage im Auftrag des vzbv 58 Prozent aller Verbraucher in Deutschland gerne mehr privat fürs Alter vorsorgen. Sie tun es aber nicht, weil sie den Angeboten am Markt misstrauen.[1]
Sie haben Recht. Viele Angebote sind teuer, kaum rentabel und unflexibel. Das gilt besonders bei Angeboten mit staatlicher Riester-Förderung. Es profitieren vor allem die Versicherungswirtschaft und deren Vertriebe sowie Banken und Sparkassen.
Die Lösung
Der vzbv fordert eine grundlegende Reform der privaten Altersvorsorge und schlägt mit der „Extrarente“ ein öffentlich-rechtlich organisiertes Standardprodukt vor.
Knapp drei Viertel der Verbraucher befürworten ein solches Standardprodukt, in das sie ergänzend zur gesetzlichen Rente einzahlen können.[2]
Die Ausgestaltung
Die Extrarente würde über einen öffentlichen Träger per Ausschreibungsverfahren die Kapitalanlage an professionelle Investmentmanager vergeben. Dadurch würden die Kosten für die Verwaltung massiv sinken.
Schon durch die geringeren Kosten würde die Rendite höher liegen, als bei heute üblichen Angeboten. Zudem soll die Extrarente vor allem in Aktien anlegen und dadurch eine höhere Rendite erzielen, als viele private Vorsorgeverträge.
Andere Länder zeigen, dass dieses Modell funktioniert. So hat der AP7 in Schweden auf diesem Wege die Verwaltungskosten auf unter 0,2 Prozent der Anlagegelder pro Jahr senken können.[3]
Das eingezahlte Geld soll langfristig am Kapitalmarkt, vorrangig in Aktien, angelegt werden. Dadurch sollen kurzfristige Kursschwankungen explizit akzeptiert und gleichzeitig die – historisch betrachtet – langfristig positiven Entwicklungen am Aktienmarkt genutzt werden.
Die für Verbraucher teuren Kapitalgarantien in der Ansparphase sind nicht vorgesehen. Sparern steht aber offen, geringere Aktienanteile zu wählen und sich so für weniger Risiko in der Anlage zu entscheiden.
Weiterer Sparfaktor: Bei der Extrarente würden Verbraucher über ihren Arbeitgeber automatisch einzahlen. Dadurch würden Vertriebsprovisionen entfallen und unpassende oder überteuerte Verträge verhindert.
Verbraucher könnten ihrer Einzahlungen aber widersprechen und diese jederzeit beenden (Opt-out). Verbraucher, die nicht automatisch einbezogen werden (wie etwa Selbstständige), können proaktiv in die Extrarente einzahlen (Opt-In).
In der Auszahlungsphase sollen Verbraucher die größtmögliche Wahlfreiheit haben.
So soll zunächst eine vollständige Entnahme des gebildeten Kapitals zum Renteneintritt möglich sein, etwa um eine Immobilie zu entschulden oder den Ruhestand vollständig selbst zu planen.
Darüber hinaus sollen Verbraucher innerhalb der Extrarente zwischen einer festen lebenslangen Rente und einem flexiblen Entnahmeplan wählen können.
Bei der festen lebenslangen Rente wird das gebildete Kapital zu Renteneintritt vollständig in ein Versicherungskollektiv überführt.
Der Entnahmeplan ist bis zu einem bestimmten Lebensalter zu kalkulieren. Das so genannte Langlebigkeitsrisiko über dieses kalkulierte Lebensalter hinaus würde in der Extrarente über eine entsprechende Restrentenversicherung abgesichert.
Die „falsche“ Garantieantwort
Aktuell wird um den Sinn und Zweck von Kapitalgarantien politisch gerungen. Das Kalkül ist verständlich: Da Verbraucher nur schwer nachvollziehen können, was genau mit ihren Einzahlungen passiert, sollen Garantien sie vor zu risikoreichen Anlagen und falschen Versprechungen schützen.
Dazu ist es für viele Verbraucher hilfreich, Planungssicherheit zu haben. Wenn ein fester Betrag zum Ende der Ansparphase und damit eine konkrete Rente garantiert ist, lässt sich der Ruhestand besser planen.
Allerdings ist eine solche Planungssicherheit nicht zum Nulltarif zu haben. Kapitalgarantien sind sehr teuer – speziell im aktuellen Zinsumfeld.
Allerdings kann und sollte man mit Blick auf die langen Anlagehorizonte anders mit dem Risiko umgehen. So belegen die Renditeverläufe des globalen Aktienindex MSCI World, dass ab einer Anlagedauer von etwa 15 Jahren keine negativen Renditen in der Vergangenheit realisiert wurden.[4]
Das bedeutet, durch eine langfristige, breit gestreute und kostengünstige Anlage, kann auf teure Garantien verzichtet werden.
Die Zusammenfassung
- Die Extrarente legt vor allem in Aktien an, verzichtet auf unnötige bis schädliche Garantien und erzielt damit langfristig eine höhere Rendite, als viele private Vorsorgeverträge.
- Ein öffentlicher Träger organisiert die Kapitalanlage durch Ausschreibungen. Dieser ermittelt und beauftragt die besten und günstigsten Kapitalverwalter, um das Geld für Verbraucher gewinnbringend anzulegen. So sinken die Kosten für die Verwaltung massiv.
- Durch das Opt-out über den Arbeitgeber entfallen die Kosten für den Vertrieb ganz.
- Allein durch die Kosteneinsparungen fällt die spätere Rente deutlich höher aus, als bei heute üblichen Angeboten.
Die Politik
Schwarz-Rot hatte in ihrem Koalitionsvertrag eine effiziente Altersvorsorge mittels eines Standardproduktes versprochen. Nun muss sie liefern. Mit einem Gesetzentwurf zur Reform der privaten Altersvorsorge noch in diesem Jahr könnten Verbraucher bereits ab dem Jahr 2022 mit der Extrarente vorsorgen.
[1] https://www.vzbv.de/pressemitteilung/vzbv-stellt-extrarente-vor
[2] https://www.vzbv.de/infografik/infografik-staatlich-organisiertes-standardprodukt-mehrheitlich-gewuenscht
[3] Börsch-Supan, Axel, Markus Roth und Gert C. Wagner (2017): „Altersvorsorge im internationalen
Vergleich: Staatliche Produkte für die zusätzliche Altersvorsorge in Schweden und dem Vereinigten
Königreich“, BMAS Forschungsbericht 494, S.42. Verfügbar unter:
<https://www.ssoar.info/ssoar/handle/document/54605> [zuletzt besucht 15.10.2019].
[4] Deutsches Aktieninstitut (2019): „50 Jahre Aktien-Renditen – Das DAX-Rendite-Dreieck des Deutschen Aktieninstituts (Stand: Dezember 2018)“ vom 25.01.2019. Verfügbar unter:
https://www.dai.de/files/dai_usercontent/dokumente/renditedreieck/181231%20DAX-Rendite-Dreieck%2050%20Jahre%20Web.pdf [zuletzt abgerufen 10.09.2019].
Erschienen am 08. November 2019.
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Sehr geehrte Frau Mohn,
…ein toller Beitrag, der sicherlich in die richtige Richtung geht!
Sie schreiben zurecht: „Es profitieren vor allem die Versicherungswirtschaft und deren Vertriebe sowie Banken und Sparkassen.“ Eigentlich müsste sich auch die Politik fragen, ob die staatliche Subventionen („Riesterzulagen“) hier nicht steuerschädlich verwendet/missbraucht werden. Denn es ist doch paradox, dass die Zulagen (Hinweis: dafür „riestert“ man ja) bei den meisten Vorsorgeverträgen allein durch die Gebühren wieder aufgefressen werden! Tolles Geschäft für die Finanzindustrie – nicht aber den Kunden. Kein Wunder also, dass „Riester nicht funktioniert“ und immer kaputtargumentiert wird! Aber es funktioniert – nur halt nicht nicht in Versicherungsprodukten. Wer seit Jahren in aktienbasierte Lösungen spart, der wird sicherlich keinen Grund zur Klage haben – selbst bei den teils überhöhten Ausgabeaufschlägen der Banken.
Bleibt also der Rat, sich bestehende Produkte genau anzuschauen und diese ggfs. einer Prüfung zu unterziehen – und wenn noch ausreichend Zeit bis zur Rente ist, dann gilt es Schadensbegrenzung zu betreiben und eine sinnvollere Riesterlösung anzustreben – zumindest bis eine Lösung gemäß Ihres Vorschlages vielleicht irgendwann einmal umgesetzt ist.
Das Ganze ist also wieder einmal ein typisches Beispiel dafür, dass es mehr Aufklärung bedarf, wenn es um KUNDEN(!)bedürfnisse gehen soll. Und da setze auch ich auf die Verbraucherverbände! DANKE für Ihren Beitrag, der ein richtiger Schritt hierzu ist!
Viele Grüße
Volker Hildebrand
(Honorar-Finanzanlagenberater)
Dieser Lösungsweg bietet Finanzplanern, Finanzberatern und Finanzcoaches ein optimales Feld, Menschen bei ihren Entscheidungen ergebnisoffen zu begleiten. Überflüssige Produkte werden mehr und mehr vom Markt verschwinden. Gute Produktanbieter würden die Kosten weiter senken und müssten trotzallem sehr sehr gute Argumente für ihre Lösungen haben. Ihre Bedeutung tritt in den Hintergrund. Gefällt mir, dieser Blick auf die gewünschte Zukunft. Fast hat man das Gefühl sie ist schon da:).
Sehr geehrte Frau Mohn, freut mich dass Sie auch bei Herrn Walz einen Gastbeitrag schreiben.
Die Idee der Extrarente ist sicherlich sehr begrüßenswert, anhand der zur Verfügung stehenden Unterlagen kann man allerdings erst von einem Grundgerüst sprechen, oder sind da die Überlegungen schon weiter fortgeschritten?
Mir erschließt sich nicht ganz, wo die Extrarente steuerlich angesiedelt werden soll? Die Konzeption aus dem Netto würde für Schicht 3, also privat, sprechen. Demzufolge würde Halbeinkünfteverfahren bei Einhaltung von 62/12 bzw. Ertragsanteil nach §22 Nr. 1 Satz 3a EStG gelten. Dagegen würde Stand heute die fehlende biometrische Absicherung sprechen bzw. erst ab Alter 100. Herr Schwark vom GDV würde sicherlich hier intervenieren;-)
Darüberhinaus stellt sich die Frage, was macht man mit Riester? Ich würde mir wünschen, dass es eine Möglichkeit der Deckungskapitalübertragung hin zur Extrarente gibt, aber auch hier wäre Herr Schwark „not amused“;-)
Spannend bleibt zudem die „Entnahmephase“, hier könnte man auch moderne Erkenntnisse aus der Forschung einfließen lassen, zu nennen wäre hier sicherlich Wade Pfau (Retirement Planning) oder die Ansätze eines Annuity Pools (ifa-ulm). Eine einfache Umsetzung mit Entnahmeplan und Kapitalverzehr hört sich zwar gut an, stößt aber aufgrund der Volatilität und des Sequence of Returns Risikos an seine Grenzen. Man glaubt gar nicht, was alles möglich ist und um wie viel höher eine Rente sein könnte wenn man es günstig und wissenschaftlich umsetzt. Man könnte sich regelrecht auf die Rente freuen, die gesteigerte Kaufkraft käme dann auch wiederum in der Wirtschaft an usw…träum
Obwohl ich die Hoffnung auf ein politisches Einsehen schon fast aufgegeben habe wünsche ich Ihnen viel Erfolg bei der weiteren Planung und hoffentlichen Umsetzung.
Sehr geehrte Frau Mohn,
viele Punkte in Ihrem Artikel, wie z.B. der Verzicht auf Garantien, Verzicht auf Provision und mehr in Aktien zu sparen, sind aus meiner Sicht der richtige Ansatz. Wenn ich mir aber Ihre weitere Beschreibung anschaue, frage ich mich wofür Sie dafür eine staatliche Institution benötigen. Man könnte doch auch Riester und/oder Rürup (hier geht es ja schon) von der Garantie und Kosten befreien!? Auch werden bereits Riester und Rürup mit günstigen ETF Sparplänen angeboten, man müsste doch nur bei einem Rürup/Riester Vertrag die Kapitalzahlung und/oder Ratenzahlung zulassen und nicht zwingend die Verrentung vorschreiben. Es müsste auch nicht zwingend ein Riester/Rürup Produkt sein, sondern einfach staatlich geförderte ETFs/Indexfonds Sparpläne, hier sind die Kosten doch schon heute in der Spitze bei 0,05 % p.a. Verwaltungsgebühr (Beispiel Amundi Prime Global), also unter Ihren 0,2 % p.a.? Ich halte es für besser die Idee der sozialen Marktwirtschaft bei zu behalten und die Rahmenbedingungen für unabhängige Beratung („echte“ Honorarberatung) zu fördern. Wer soll denn die Bürger beraten bzw. beruhigen bei einem Börsencrash, nicht die Flinte ins Korn zu werfen, sondern weiter zu sparen? Es wäre schön, wenn die Verbraucherzentralen mehr Energie in die Verbesserung und Förderung der unabhängigen Beratung (Honorarberatung) und echten Wettbewerb unter den Produkten stecken würde.
Mit freundlichen Grüßen
Lothar Eller
Honorar-Finanzanlagenberater
Sehr geehrte Frau Mohn,
mit Ihrer Aussage, dass die am Markt angebotenen Altersvorsorgeprodukte zu teuer sind und viele Deutsche deshalb zu wenig für Ihr Alter vorsorgen, kann ich unterstützen. An Ihrem Lösungsvorschlag gefällt mir der hohe Aktienanteil, der Wegfall der Garantien und die geringen Vertriebskosten. Ich halte es für einen Fehler das angesparte Geld bei Beginn des Ruhestandes in eine Versicherungslösung zu überführen. Die Kosten für diese Lösung sind für die Rentner viel zu hoch (Eintrittsalter, Kosten der Versicherung etc.) und zu komplex. Sie verschieben das heutige Problem nur auf später. Ich würde mir für eine lebenslange Rente auch eine Lösung wünschen, die genauso einfach funktioniert, wie Ihr Vorschlag zum Ansparen.
Ich bevorzuge einen Staatsfonds. Dieser soll von der Deutschen Bundesbank gemanagt werden und in der Ansparphase ihre Vorteile berücksichtigen. Die deutsche Rentenversicherung wird bereits jetzt mit fast 100 Mrd. € subventioniert. Dieses Geld muss in den Staatsfonds umgeschichtet werden. Die Rentenproblematik der geburtenstarken Jahrgänge ist eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung und kann nicht der jungen Generation aufgebürdet werden.
Der Rentner bekommt aufgrund seiner angesparten Beträge eine Rentenzusage. Das Langlebigkeitsrisiko wird von der Deutschen Bundesbank berechnet und entsprechend in der Rentenzusage berücksichtigt. Die Alternative ist die von Ihnen vorgeschlagene Einmalauszahlung. Für die Besteuerung muss auch eine einfache und gerechte Lösung gefunden werden.
Ein sehr guter Beitrag! Wird gleich geteilt und weiterverbreitet. Gerade in Bezug auf weibliche Altersarmut ist das derzeitige System verheerend organisiert. Frauen landen viel zu häufig in Teilzeitfallen, können weniger Vorsorge betreiben und haben eine große Lücke bei der gesetzlichen Rente. Zugleich fühlen sie sich bei der Provisionsberatung nicht aufgehoben, haben vielleicht keine Zeit, sich nach Alternativen umzuschauen – und machen vorsichtshalber nichts. „Den Angeboten am Markt zu misstrauen“ ist aus heutiger Sicht nicht die schlechteste Lösung. Es ist Zeit für einen echten Paradigmenwechsel, vor allem mit Blick auf die fehlende Beteiligung der breiten Bevölkerung am Produktivkapital.