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Geschlechtsspezifische Unterschiede an Finanzmärkten: Brauchen wir eine rosa Aktie?

GASTBEITRAG PROF. DR. ALEXANDRA NIESSEN-RUENZI
Geschlechtsspezifische Unterschiede an Finanzmärkten:
Brauchen wir eine rosa Aktie?

„Männer verdienen das Geld und Frauen geben es aus“. Das scheint nach einer Umfrage von 2014 noch immer ein gängiges Vorurteil, wenn man die Deutschen zu diesem Thema befragt.

 

Erstaunlich, berichten doch viele Familien der Nachkriegsgeneration, dass es die Aufgabe der Frauen war, das Haushaltsgeld zu verwalten und die Finanzen geordnet zu halten. Und auch heute gibt es noch zahlreiche Haushalte in denen Buchhaltung und „Kasse“ in den Händen der Frauen liegen.

Ganz offensichtlich ist es also so, dass Frauen sich nicht grundsätzlich unwohl dabei fühlen, Finanzen zu verwalten. Dennoch findet man bisher wenige Frauen, die im Bereich der strategischen Geldanlage und Investitionsgeschäfte aktiv sind – hier dominieren die Männer.

 

Wie wichtig ist es, dass sich Frauen mehr mit dem Thema Geldanlage befassen?

 

Zunächst einmal ist festzuhalten, dass Frauen ein hohes Risiko eingehen, indem Sie den Bereich der Geldanlage den Männern überlassen: Frauen über 65 unterliegen laut Statistischem Bundesamt einem um 25% höheren Altersarmutsrisiko als Männer dieser Altersgruppe.

Zwar haben beide Gruppen eine ähnliche Sparquote, aber dadurch, dass Frauen meist weniger verdienen und auch weniger erben, ist das absolute Vermögen, auf das sie im Alter zurückgreifen können, für Frauen kleiner.

Hinzu kommt, dass Frauen rund ein Viertel weniger Rente erhalten als Männer. Meine Studie „The Gender Pension Gap in Germany[1] zeigt, dass private Vorsorge insbesondere für Frauen ab 35 Jahren wichtig ist, um sich im Alter abzusichern.

Es müsste also im grundsätzlichen Interesse der Frauen liegen, sich damit auseinanderzusetzen, wie sie das ihnen zur Verfügung stehende Geld bestmöglich anlegen. Dies gilt generell, aber insbesondere mit Blick auf die Altersvorsorge.

Studien zeigen jedoch, dass Frauen diese Fakten eher ausblenden oder verdrängen. Lediglich 17% der Frauen haben laut einer repräsentativen Umfrage unter 1598 Deutschen, die ich im Juli 2018 durchgeführt habe, schon einmal ausrechnen lassen, wie viel sie im Rahmen der Altersvorsorge angespart haben müssten.

 

Woher kommt die geringere Bereitschaft von Frauen, sich mit dem Thema „Geldanlage“ auseinanderzusetzen?

 

Es scheint nicht am mangelnden Interesse an diesen Themen zu liegen, sondern an Unsicherheit und fehlendem Wissen. 51,4% der Frauen (und nur 36,5% der Männer) stimmen unserer Umfrage gemäß (voll) zu, dass sie sich bei Geldanlagethemen unsicher fühlen.

Diese Unsicherheit wird vermutlich dadurch gestärkt, dass Frauen im Durchschnitt ein geringeres Finanzmarktwissen haben als Männer. Hinzu kommt die Tatsache, dass Frauen grundsätzlich risikoaverser als Männer agieren.

Dieser Unterschied hat gravierende Folgen für den Vermögensaufbau von Frauen und Männern. Denn während immerhin 21.2% der Männer im Jahr 2018 Aktien oder Aktienfonds in ihren Depots hielten, waren es nur 9.5% der Frauen.[2]

Dem DAX-Renditedreieck des Deutschen Aktieninstituts zufolge bedeutet dies, dass Frauen bei einer ungefähr 15jährigen Anlageperiode eine durchschnittliche jährliche Rendite von 7,8% entgeht.[3]

Zusammenfassend stehen wir also vor dem Dilemma, dass Frauen sich allgemein weniger mit Finanzanlagen beschäftigen – die Notwendigkeit hierfür aber gleichzeitig erheblich größer ist, als dies durchschnittlich bei Männern der Fall ist.

Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob es sinnvoll – ggf. sogar notwendig – ist, spezielle Anlageoptionen für Frauen zu entwickeln.

 

Brauchen wir speziell auf Frauen zugeschnittene Finanzprodukte?

 

Nein, denn die Gesetze der Kapitalmärkte gelten für alle Investoren, egal ob männlich oder weiblich.

Frauen haben sogar den Vorteil, dass sie eher selten in die Falle der „Selbstüberschätzung“ tappen, die die beiden Ökonomie-Nobelpreisträger Daniel Kahneman und Amos Tversky beschrieben haben.

Im Hinblick auf die Finanzmärkte haben Wissenschaftler aus Berkeley beobachtet, dass Männer oft weniger Rendite erzielen, da sie signifikant häufiger handeln als Frauen. Das heißt, dass sie ihr Portfolio häufiger umschichten, weil sie eine vermeintlich „herausragende Strategie“ verfolgen.[4]

Leider ist es aber so, dass sie aufgrund der Transaktionskosten am Ende weniger Gewinn erzielen, als wenn sie deutlich weniger gehandelt hätten.

Insofern macht es wenig Sinn, „spezielle Anlageprodukte“ für Frauen zu entwickeln oder zu fordern, denn letztlich sind alle Anlagen den Gesetzen des Kapitalmarktes unterworfen und bedürfen dem Verständnis und der Beschäftigung mit diesen Themen.

Verbesserungsbedarf gibt es jedoch bei Angeboten, die die Hemmschwelle für Frauen zum Eintritt in den Finanzmarkt senken könnten.

Ein Blick auf die gängige Praxis der Finanzberatung zeigt hier deutlichen Aufholbedarf: So werden männliche Kunden beispielsweise mehr als doppelt so oft von Finanzberatern kontaktiert wie weibliche Kunden. Zudem werden weiblichen Kunden häufiger teurere Produkte empfohlen und sie bekommen seltener Preisnachlässe.[5]

 

Wir brauchen also keine „rosa Aktie“!

 

Wir benötigen mehr Aufklärung und Vermittlung von Finanzmarktkenntnissen an Frauen.

Und ein stärkeres Selbstvertrauen der Frauen, in Sachen Geldanlage ihren eigenen Weg zu verfolgen und sich selbstständig um ihre finanzielle Vorsorge zu kümmern.

Der „Mann als Altersvorsorge“ hat nicht nur im gesellschaftlichen Verständnis ausgedient – wie oben berichtet, sind Männer auch nicht besser darin, den Finanzmarkt für sich zu nutzen. Sie gehen das Thema allerdings mit deutlich mehr Aktionismus an.

 

Die Aufgabe ist also vielmehr, Frauen zu mehr Beteiligung am Finanzmarkt zu motivieren.

 

Der Aufruf geht an die Finanzbranche, sich diese spezielle Zielgruppe aktiv zu erschließen. Spezielle Produkte brauchen wir dazu nicht – wohl aber eine Öffnung der Branche für eine Zielgruppen-gerechte Ansprache.

Als hilfreich und besonders effektiv haben sich hierbei zum Beispiel Finanzberatungsworkshops speziell für Frauen erwiesen.[6] Gleichermaßen mag auch ein größerer Anteil von Frauen als direkte Ansprechpartner in Finanzberufen vorteilhaft sein.

Vor allem jedoch müssen Frauen sich vor Augen führen, dass sie sich durch die Beschäftigung mit dem Thema Geldanlage finanzielle Unabhängigkeit verschaffen, und beruhigter auf die Lebensphase nach Eintritt in den Ruhestand schauen können.

 

[1] Niessen-Ruenzi und Schneider (2019)

[2] Destatis, Barkow Consulting

[3] DAX Rendite-Dreieck des Deutschen Aktieninstituts, Stand: 31. Dezember 2017

[4] Barber und Odean (1998)

[5] Bucher-Koenen, Hackethal, Koenen, Laudenbach (2015); Paradi  und Filion (2015)

[6] Lusardi, Keller, und Keller (2008)

 

Profil Prof. Dr. Alexandra Niessen-Ruenzi

Erschienen am 25. Oktober 2019.

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6 Gedanken zu „Geschlechtsspezifische Unterschiede an Finanzmärkten: Brauchen wir eine rosa Aktie?“

  1. Sehr geehrter Frau Prof. NIESSEN-RUENZI

    Sie schreiben, dass Frauen weniger erben als Männer. Das verstehe ich nicht. Laut Gesetz gibt es keinen geschlechtsspezifischen Unterschied im Deutschen Erbrecht. Außerdem haben Frauen eine um einige Jahre höhere Lebenserwartung, dürften also im Durchschnitt ihre Ehepartner überleben und somit eher die Männer beerben, als umgekehrt. Was habe ich übersehen?

    Vielen Dank für Ihren tollen Blog!

    Viele Grüße Chris

    Antworten
    • Ich halte es für sehr wahrscheinlich, dass Frauen weniger erben als Männer, zumindest wenn es um den Betrag geht.

      Beründung:
      An wen werden denn die ganzen kleinen und mittelständischen Betriebe vererbt, bzw. wer wird den Betrieb nach einem Erbfall eher weiterführen?
      Das dürften in der Mehrzahl die Söhne sein, während die Töchter eher eine Art Abfindung erhalten, welche logischerweise einen viel geringeren Wert haben dürfte, als der verbleibende Betrieb.

      Da die so „abgefundenen“ Töchter dann aber wahrscheinlich eher Barvermögen erhalten, ist eine Aufklärung über die Finanzmärkte gerade bei diesen Damen besonders notwendig. Somit vielen Dank für diesen Blog!

      Antworten
  2. Sehr geehrte Frau Prof. Dr. Niessen-Ruenzi, die rosa Aktie als Synonym für eine Frauen-Geldanlage ist klasse. Und zeigt, was wir Frauen wirklich nicht brauchen! Der Kapitalmarkt ist für alle da. Danke für Ihr Engagement. Und an alle Mädels: Ran an das eigene Finanzmanagement!
    sagt die Doris

    Antworten
  3. Hallo!
    Ich wollte einen kurzen Kommentar hinterlassen:
    Ich sehe selbst, dass die meisten Frauen sich kaum für das Thema Geld(anlage), Altersvorsorge und Absicherung interessieren.
    Ich selbst regle bei uns zu 90% die Finanzen. Mich hat das Thema bis zu unserem Hauskauf nicht interessiert. Ab dann wurde mir ziemlich Angst und Bange bei so einer „enormen“ Verschuldung. Ich wollte das alles absichern, auch im Falle einer Erkrankung/ Todesfall/ Ausfall Gehalt (Kind). Des Weiteren wollte ich Vermögen aufbauen bzw. eine Anlagestrategie haben für die Zukunft. Dank meines Vaters und unseres sehr seriösen Versicherungsmakler / Finanzberater konnte ich mein bisheriges „Nicht-Interesse“ wecken. Und es hat sich gelohnt, so glaube ich. Eine kleine Motivation an die Frauen hier: Verlasst Euch nicht (nur) auf die Männer! Das Thema ist interessanter als ihr denkt 😉 und es ist immer besser auch in die Finanzen Einblicke zu haben.

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  4. Sehr geehrte Frau Prof. Niesen-Ruenzi, danke für den interessanten Artikel. Ich möchte noch hinzufügen, dass es im ersten Schritt nicht wichtig ist, ob eine Frau oder ein Mann berät, sondern ob es sich um eine unabhängige Beratung (Honorarberatung) handelt. Eine solche Beratung ist nur gewährleistet, wenn die Beraterin oder Berater keinen Interessenkonflikten (wie bei Provisionen) unterliegt. Bei uns sind mittlerweile ca. 50 % der Beratungsanfragen von Frauen. Viele Grüße Lothar Eller

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