Suchen Sie nicht die Nadel im Heuhafen
Dankbarer Nachruf auf John C. Bogle
John Bogle gilt als der geistige Vater des Indexfonds und damit des Vorläufers des heutigen ETF (Exchange Traded Fund), was ja nichts anderes als „börsengehandelter Indexfonds“ bedeutet. Kluge Anleger auf der ganzen Welt danken ihm…
…für diese „Erfindung des Rades in der Geldanlage“, sollten aber auch die Warnungen des „alten Bogle“ hören.
Am 16. Januar 2019 verstarb John Bogle im gesegneten Alter von fast 90 Jahren. Noch vor wenigen Wochen hatte ich sein in 2018 erstmals in deutscher Sprache erschienenes „Kleines Handbuch des vernünftigen Investierens“ erneut auf dem Schreibtisch.
Ich habe es gründlich und mit Vergnügen gelesen. Und überlegte, ob ich es in meine Büchertipps mit aufnehme. Letztlich entschied ich mich dagegen. Insbesondere da das Buch – trotz toller allgemeingültiger Kapitel – in den Empfehlungen zu stark auf den amerikanischen Anleger abzielt.
Also setzte ich Bogles Buch auf meine Wiedervorlage für 2019 und hoffte auf eine dann für deutsche LeserInnen angepasste Auflage. Das war wohl ein klarer Fall von „schlechtem Timing“ meinerseits.
Bogles Lebenswerk in Kürze
Bogles Lebensweg entsprach dem von typischen Qualitätsaktien. Nicht ohne Rückschläge, aber tendenziell aufwärtsgerichtet.
Er stammte aus armen Verhältnissen. Nach wirtschaftswissenschaftlichem Studium (finanziert mit Nebenjobs und Stipendium) und Tätigkeit als Fondsmanager, wurde er 1966 von einer Investmentgesellschaft wegen einer folgenschweren Fehlentscheidung gefeuert.
Doch nur acht Jahre später gründete er, nach einigen Zwischenstationen, die Vanguard Gruppe, die er bis zur Jahrtausendwende leitete bzw. begleitete.
Da Vanguard unter seiner Ägide den ersten Indexfonds für Private anbot, wird Bogle bis heute als „Erfinder des Index-Investing“ – mit anderen Worten, des regelgebundenen und prognosefreien Investierens bezeichnet.
Diese Indexfonds waren jedoch noch nicht börsenfähig und erlaubten im Gegensatz zu heutigen ETFs kein kurzzyklisches „Traden“.
Bogle war ein klarer Anhänger des langfristig orientierten und breit diversifizierten Investierens. Sowohl renditearmes Sparen im Geldvermögen als auch Spekulieren lehnte er entschieden ab.
Aus diesem Grund sah Bogle auch die Weiterentwicklung der simplen Indexfonds (die nicht börsengehandelt waren) zu börsenfähigen Indexfonds sehr kritisch. Wenn Zocker heute ETFs im Millisekunden-Bereich kaufen und wieder verkaufen, dann steht das in krassem Widerspruch zu Bogles Ansatz und seinen Werten.
Denn Bogle wollte kein Instrument für kurzfristige Spekulation schaffen, sondern dem „kleinen Mann“ den Weg ebnen, um langfristig, maximal diversifiziert und somit verantwortungsvoll an den Kapitalmarktrenditen teil zu haben.
Man kann mit ETFs spekulieren – man muss es nicht!
Den Unmut Bogles darüber, dass „seine Investmentidee für den kleinen Mann“ später in der Weiterentwicklung zu ETFs häufig als Spekulationsinstrument genutzt wurde, sollten wir ernst nehmen.
Jedoch ändert dies nichts an der grundsätzlichen Eignung von ETFs als perfektes Vehikel zum kostengünstigen und langfristigen, stark streuenden Aufbau von Sachvermögen.
Mit anderen Worten: Mit einem scharfen Küchenmesser können Sie nicht nur Gemüse putzen, sondern auch den Nachbarn umbringen. Deswegen ist jedoch das Küchenmesser nicht böse und sollte auch nicht verboten werden…
Drei zentrale Empfehlungen und Tipps von John Bogle
Das oben genannte „kleine Handbuch“ von Bogle hat entgegen des Titels doch stolze 288 Seiten, so dass jegliche Verdichtung zwangsläufig enormen Informationsverlust bedeuten muss. Trotzdem nachstehend mein persönlicher Versuch, die drei zentralen Tipps zusammenzufassen.
1. Um Anlageerfolg zu haben, muss man investiert sein.
Dies ist ein Weckruf an die Deutschen, die im Jahre 2018 rund 2,4 Billionen Euro unverzinst oder zu Mickerzinsen auf Spar-, Giro-, oder Geldmarktkonten liegen lassen und rund 2,3 weitere Billionen in Vehikeln binden, die meist nicht einmal die Inflationsrate kompensieren.
In sachwertorientierten Aktien und sonstigen Anteilsrechten steckten gleichzeitig gerade einmal 0,63 Billionen, d.h. magere 13% der Summe unrentabler und zudem inflationsgefährdeter Anlagen.
Mit Zögern und Zaudern und der Betrachtung des Spiels von der Seitenlinie funktioniert kein langfristiger Vermögensaufbau.
Denn nicht die (temporären) Risiken, sondern die mangelnde Profitabilität von Anlagen sind der schlimmste Feind des langfristigen Anlageerfolgs. Übertreibungen an den Finanzmärkten haben kurze Beine und gleichen sich früher oder später wieder aus (Rückkehr zum Mittelwert). (Blogbeitrag: Die Rückkehr zum Mittelwert bei der Geldanlage)
Der langfristige durchschnittliche Wertzuwachs ist von den kurzfristigen Schwankungen jedoch nicht betroffen.
2. Die Kosten der Geldanlage sind essentiell
Da zwischen (gegebener) Marktrendite und individuell vereinnahmter Anlagerendite die Kosten der Anlage stehen, sind kostenarme Anlagevehikel segensreich und der ständige Blick auf die Kosten unverzichtbar.
Jeder Prozentpunkt Kosten wirkt wie ein Prozentpunkt weniger Rendite. Die schädliche Auswirkung überhöhter Kosten wird von Privatanlegern gerne unterschätzt.
Bogle hat dies nicht nur in der Theorie erkannt. Sein Verdienst ist vielmehr, dass er in seiner praktischen Arbeit dazu beitrug, kostengünstigere Anlagevehikel zu schaffen und am Markt zu verbreiten. Zunächst in den USA, später letztlich weltweit, also auch in Europa.
Die von ihm gegründete Investmentgesellschaft bietet auch heute die günstigsten ETFs. Der Betriebswirt nennt so etwas Kostenführerschaft 🙂
3. Aktive Anlagestrategien sind langfristig unterlegen
Die grundsätzliche Überlegenheit passiven bzw. regelgebundenen Investierens wurde sicher nicht von John Bogle alleine erkannt. Viele Wirtschaftswissenschaftler, darunter auch einige Nobelpreisträger, haben hierzu wertvolle Beiträge erbracht. (Blogbeitrag: Was Privatanleger von Wirtschafts-Nobelpreisträgern für die Geldanlage lernen können)
Jedoch hat Bogle stark zur praktischen Verbreitung passiver Investmentansätze beigetragen. Der nachfolgende Bogle-Satz, der berühmt wurde, überzeugte weltweit Millionen von Anlegern (und auch mich):
Dem ist wenig hinzuzufügen. Insbesondere wenn die Suche nach der Nadel im Heuhaufen mit hohen Kosten verbunden ist. Und man oft erst hinterher weiß, welches die richtige Nadel war.
Und: es ist Bogles Verdienst, dass der Erwerb von Heuhaufen weniger Transaktionskosten erfordert und Kleinverdiener auch Mini-Heuhaufen erwerben können. Man nennt das heute ETF-Sparpläne… J
Und was bedeutet das nun konkret für Sie?
Mit anderen Worten: Was würde Bogle uns gerade in der aktuellen Situation raten?
Beim nochmaligen Durchblättern des oben genannten Bogle-Werkes „Das kleine Handbuch des vernünftigen Investierens“, fallen mir noch drei folgende Tipps auf, die aber gerade in der Situation Anfang 2019 gelten und Orientierung vermitteln.
Beachten Sie die KISS-Regel:
Keep it simple, stupid – Einfachheit gewinnt
Erfolgreiche Geldanlage kann sehr einfach sein. Und sie ist es in der Regel auch.
Wie z.B. die Anlage in Indexfonds oder kostengünstigen, indexnahen Assetklassenfonds. Und wer Ihnen (z.T. völlig unverständliche) Komplexität verkaufen will, meint es häufig nicht wirklich gut mit Ihnen.
Eine langfristig gute Anlagestrategie
ist auch in der Krise eine gute Strategie
Rücksetzer gibt es immer. Und Anleger verdienen Risikoprämien nur, weil es eben Risiken gibt. Wären diese berechen- und vermeidbar, würde der Markt keine Risikoprämien bezahlen.
Werden Sie also nach einem negativen Anlagejahr 2018 nicht nervös und weichen Sie nicht vom Pfad der Tugend ab.
Der kluge Anleger rechnet künftig
mit etwas geringeren Erträgen
Dies ist die Schlussfolgerung von Bogles rein auf Fakten beruhender Analyse*. Und sie gilt sowohl für Aktien, als auch für Renten.
Die Überlegungen hinsichtlich der Rentenmärkte können hier übergangen werden, da den BlogleserInnen wachscheinlich wahrscheinlich bekannt. (Blogbeitrag Anleihen zur Portfoliostabilisierung meiden – Warum Festverzinsliche heutzutage in Ihrem Portfolio nichts mehr zu suchen haben)
Hinsichtlich der Aktien zeigt Bogle, dass im weltweiten Durchschnitt der Märkte die Bewertungen etwas stärker gestiegen sind, als das Gewinnwachstum der entsprechenden Unternehmen. Nichts Dramatisches, keine Blase und vor allem kein Grund, Aktien zu meiden.
Jedoch ein Anlass, die Gewinnerwartungen für die kommenden Jahrzehnte etwas zu reduzieren. Insgesamt: lieber kleinere Brötchen backen als gar keine. Das heißt, lieber zukünftig geringere Aktiengewinne erzielen, als mit Anleihen und sonstigen renditearmen Anlagevehikeln herumdümpeln.
Abschließend dürfen wir einfach sagen
Danke, lieber John C. Bogle, Sie haben eine Menge Gutes für zig Millionen Anleger auf der ganzen Welt getan. Auch wenn viele das gar nicht wissen.
Und Sie haben auch für den „kleinen Mann“ vielleicht mehr getan, als so manches bestenfalls gut gemeintes aber schlecht gemachtes Sozialgesetz wie z.B. Sparförderung, Riesterrente oder bAV.
Wir würdigen die Lebensleistung von John C. Bogle und sind sicher: Im Himmel wird das Sparen ab sofort viel effizienter und kostenärmer werden.
Und dass wilde Spekulation ohnehin des Teufels ist, das wussten wir ja sowieso schon.
In diesem Sinnne, alles Gute.
Herzliche Grüße
Hartmut Walz
Sei kein LeO!
* Kapitel 9, S. 115-132 des Buches
Erschienen am 25. Januar 2019.
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