12. Finanzgespräche mit Markus Duscha
Nachhaltige Geldanlagen zwischen Anspruch und Wirklichkeit
Bei den 12. Finanzgesprächen am 04. November 2021 hatte ich diesmal Markus Duscha zu Gast. Er ist Gründer und Leiter des Fair Finance Institutes in Heidelberg und u.a. Mitgründer und Mitglied von Bürgerbewegung Finanzwende.
Hier geht es zum Videomitschnitt dieses Abends.
(beim Klick: Start auf dem Hartmut Walz YouTube-Kanal)
Nachhaltigkeit in der Geldanlage – das ist definitiv leichter gesagt als getan. Die mediale Aufmerksamkeit für nachhaltiges Investieren ist enorm und hat in jüngster Vergangenheit einen regelrechten Hype ausgelöst.
Gleichzeitig muss man derzeit sehr aufpassen, ob hinter den Versprechungen auch wirklich das vom Anleger gewünscht Nachhaltige steckt.
Das fängt bereits damit an, was nachhaltig bedeutet
Für den einen ist die Abholzung des Regenwaldes unerträglich. Für den anderen der Kohleabbau vor der eigenen Haustür. Die nächste setzt sich für Bienen ein. Andere warnen insgesamt vor dem Artensterben. Viele essen keine Tierprodukte. Für die meisten sind zumindest menschenverachtende und unwürdige Arbeitsbedingungen inakzeptabel. Was das im Einzelnen bedeutet, auch darüber gehen die Meinungen auseinander.
Weit verbreitet ist das Missverständnis, Nachhaltigkeit mit Umweltschutz oder sogar Klimaschutz gleichzusetzen.
Für die Nachhaltigkeit in der Geldanlage gibt es nach wie vor leider keine allgemein verbindlichen Maßstäbe. Auch deshalb ist nachhaltiges Investieren so schwierig.
Auf der Bühne in Limburgerhof gingen wir sowohl auf das Nachhaltigkeitsstreben auf globalen Märkten als auch auf aktuelle politische Entwicklungen rund um nachhaltige Geldanlagen ein.
Wir sprachen über „Nachhaltigkeitsfallen“ wie Greenwashing, unangemessene Kosten und versteckte Risikoerhöhung, zum Beispiel durch Branchenspekulationen.
10 Abschlussthesen rund um nachhaltige Kapitalanlagen
- Geburtenkontrolle hat den zentralen Hebel für Nachhaltigkeit schlechthin
- Ersatz fossiler Energieträger und anderer Umgang mit Energie ist dazu wichtigste Ergänzung
- Nachhaltiges Konsumieren hat stärkeren Hebel/Impact als nachhaltiges Investieren
- Noch stärker ist der Hebel in der (richtigen) Kombination 😊
- Effiziente unregulierte Kapitalmärkte arbitrieren Nachhaltigkeitsbemühungen stets weg
- Regulierung macht sich auf den Weg, hier Grenzen zu setzen, Ziel aber noch nicht erreicht
- Selbst wenn nachhaltiges Investieren auf der Sachebene nichts/wenig bringt,
kann es wegen der eintretenden Bewusstseinsänderung sinnvoll sein - „Das“ nachhaltige Investieren gibt es nicht: Differenzierungen nötig, z.B. Unterschied „nichts Böses tun“ und „positiven Effekt erreichen“
- Kostengünstige Nachhaltigkeitsprodukte (z. B. ETFs)
ohne Branchenspekulation und ohne hohe Vehikelrisiken sind vertretbar - Generell lohnt es sich, wie in allen anderen Lebensbereichen, genau hinzuschauen, was ich tue. Das gilt auch für den Umgang mit Geld. Die Politik versucht hier bei Nachhaltigkeit mehr Hilfestellung zu geben.
Zum Gastredner: Markus Duscha
Markus Duscha engagiert sich seit mehr als 30 Jahren in der politisch strategischen Beratungs- und Forschungsarbeit für Nachhaltigkeit. So war er u.a. in leitenden Funktionen im ifeu – Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg tätig. Seit 2014 beschäftigt er sich schwerpunktmäßig mit dem nötigen Umbau des Finanzsystems. So ist Markus Duscha Mitgründer und Mitglied von Bürgerbewegung Finanzwende.
Video zu den 12. Finanzgesprächen
Hier geht es zum Videomitschnitt dieses Abends.
(beim Klick: Start auf dem Hartmut Walz YouTube-Kanal)
Die nächsten Finanzgespräche
Die nächsten Finanzgespräche werden sich im Frühjahr 2022 dem Thema börsenfähiger Investmentfonds (ETF) widmen: ETF 2.0 – Die Zukunft prognosefreien Investierens: ETFs zwischen Anlegereffizienz und unerwünschten Nebenwirkungen des anonymen Kapitals. Ein Termin wird rechtzeitig bekannt gegeben.
Und wie immer gilt: Bitte weitersagen und teilen!
Herzliche Grüße
Hartmut Walz
Sei kein LeO!
Erschienen am 03. Dezember 2021.
Der Hartmut Walz Finanzblog ist unabhängig, kosten- und werbefrei. Ich erhalte für Links und Empfehlungen keinerlei Honorar, Kick-back, Beteiligung o. ä.
Sehr geehrter Herr Walz,
vielen Dank für den Vortrag. Ein Frage, die sich mir stellt, bezieht sich auf die Refinanzierungskosten. Bei Firmen die NICHT nachhaltig werden (Krauss-Maffei/andere Rüstungsfirmen) würden ja die Kosten der Darlehen/Anleihen steigen die diese Firmen emittieren. Die größten Nachfrager der Güter dieser Unternehmen sind aber bekanntlich Staaten. Folglich steigen ggf. die Kosten für den Steuerzahler da hier Steuereinnahmen für den Kauf genutzt werden. Diese steigenden Kosten lassen sich auf auf andere Bereiche übertragen. Wäre das dann ein Preis der zu zahlen wäre? Verteuerung von Gütern von nicht nachhaltigen Unternehmen?
VG
Christopher Tremmel
Lieber Christopher Tremmel, haben Sie besten Dank für Ihren wertvollen Kommentar und Ihre Überlegungen, denen ich absolut folge.
Letztlich müssten sich die Finanzierungskosten für die nicht nachhaltigen Unternehmen verteuern. Ob sich das aber auf die gesamten Produktionskosten in relevanter Weise niederschlägt, steht in Frage.
Und falls es wirklich zu einer Verteuerung kommt und in Form von höheren Preisen auf den Kunden abgewälzt wird, ist der Lenkungseffekt ebenfalls nicht gegeben.
Bei Tabakprodukten ist der Effekt wahrscheinlich nicht messbar und für potentielle Kunden im Vergleich zur Tabaksteuer völlig irrelevant.
Bei ihrem Beispiel von Waffen, die von Regierungen erworben werden, ist die mögliche Überwälzung von Kosten auf den Steuerzahler sehr wahrscheinlich.
Und bei wirklich relevanten Waffenherstellern erwerben die Staaten einfach Beteiligungen und lassen sich das Heft nicht von den Kapitalmärkten aus der Hand nehmen. Eine weitere Ausweichmöglichkeit besteht auch darin, einfach nicht nachhaltige Teile aus dem Gesamtportfolio herauszunehmen und in Gesellschaften auszugliedern, die nicht börsennotiert sind. Und schon greifen Nachhaltigkeitsbestrebungen über die Finanzmärkte ins Leere.
Dies alles sind Hintergründe, weshalb ich ja im Video sowie meinen Blogbeiträgen die These vertrete, dass nachhaltiges Wählen und nachhaltiges Einkaufen (Konsumieren) wirkungsvoller sind als nachhaltiges Investieren.
Herzliche Grüße, Hartmut Walz – Sei kein LeO!
Hallo Herr Dr. Walz,
vielen Dank für ihre ausführliche Antwort. Ihrer Ausführung kann ich absolut folgen. Auch die Aussage über nachhaltige Wahlen und nachhaltiges Einkaufen (Konsum) halte ich für deutlich wirkungsvoller.
Diese Themen werden aber leider immer ausgeblendet. Leider hinterfragt auch niemand tatsächlich den hinterlegten Filter der Fonds, etc. Wie kann ein Unternehmen wie Amazon, als einer der größten Steuervermeider + Hauptgeschäftsgebiet Konsum, überhaupt als „nachhaltig“ definiert werden? Eine Frage die ich auch bei meinem AG (großer roter Vermögensverwalter, der roten, örtlichen, Banken) gestellt habe. Hier bin ich gespannt was die Aufsicht tun wird.
VG aus Lu nach Lu.
Christopher Tremmel
Lieber Christopher Tremmel, Sie können dann ja mal mitteilen, was Ihr AG geantwortet hat 😉
Herzliche Grüße, Hartmut Walz – Sei kein LeO!
Hallo,
wirklich eine sehr schöne und interessante Präsentation. 🙂 Ich habe wie immer viel gelernt.
Weiter so! 👍🏻
Ich wünsche Ihnen eine schöne Weihnachtszeit
Viele liebe Grüße!
Liebe Eva W., herzlichen Dank für Ihre anerkennenden Worte. Natürlich tut das Kompliment nach all der Arbeit – die ich aber sehr gerne leiste – gut. Aber konstruktive Kritik nehme ich ebenso… 😊
Herzliche Grüße, Hartmut Walz – Sei kein LeO!
Guten Tag lieber Herr Professor Walz.
Die Finanzgespräche waren für mich wirklich sehr aufschlussreich, humorvoll haben mir jede Menge Spaß gemacht.
Vielen herzlichen Dank nochmals!
Herzliche Grüße
Liebe Laura l., vielen Dank für den schönen Kommentar.
Herzliche Grüße, Hartmut Walz – Sei kein LeO!