VERRATEN WIE VERKAUFT
7 schlimme und häufige Manipulationen im Verkaufsgespräch unfairer Finanzberater
Wir sollten unseren Mitmenschen grundsätzlich vertrauen und das Beste unterstellen. Wenn Ihnen jedoch ein Finanzprodukteverkäufer (FPV) etwas verspricht, dann verspricht er auch gleichzeitig sich selbst etwas – nämlich von Ihnen.
In diesem Fall eines Interessenkonfliktes ist das mit dem Vertrauen so eine Sache. Im klassischen provisionsgetriebenen Finanzvertrieb (fälschlich als „Finanzberatung“ bezeichnet) müssen Sie verstärkt aufpassen, dass das Eigeninteresse Ihres Gegenübers Ihren eigenen Zielen nicht allzu stark widerspricht.
Die meiner Meinung nach sieben schlimmsten und häufigsten Manipulationen im Verkaufsgespräch von Finanzvertrieben enttarne ich nachstehend für Sie:
(1) „Darf´s ein bisschen mehr sein?“
Was an der Frischfleisch- oder Käsetheke noch harmlos anmutet, führt bei Finanzdienstleistungen häufig zu starker Überversorgung des Privatanlegers. Aussteiger von Finanzdienstleistungsvertrieben berichten regelmäßig, dass sie Produkte bei gutgläubigen Kunden um den Faktor zwei bis drei im Volumen zu hoch verkauften, einfach um den Vertriebsvorgaben zu entsprechen bzw. mehr Provision zu erwirtschaften.
(2) „Ich habe da etwas ganz Neues für Sie!“
Die meisten Menschen setzen „Neu“ mit „Gut“ gleich, was jedoch eine kühne und oft unzutreffende Annahme ist. Außerdem sind viele Finanzinnovationen nur Scheininnovationen, d. h. alter Wein in neuen Schläuchen. Und wenn es sich wirklich mal um eine echte Finanzinnovation handelt, dann hat sie oftmals noch „Kinderkrankheiten“ und versteckte Risiken. Beispiel gefällig? Als die Anlagezertifikate von Lehmann Brothers unzählige Anleger verarmen ließen, war diese Innovation gerade mal ein paar Jahre am Markt. Wenn Sie die falsche Gier nach Neuem (auch Neomania genannt) vertieft kennen lernen wollen, dann lesen Sie bitte das Kapitel B 3 „Die Lindy-Regel“ in meinem Buch „Einfach genial entscheiden in Geld- und Finanzfragen“.
(3) „Vom Gewinne-Mitnehmen ist noch keiner arm geworden!“
Das ist der ganz typische Spruch, um Sie dazu zu bringen, Ihr Geld von einer Anlage in eine andere Anlage umzuschichten. Die Tatsache, dass eine Anlage sich gut entwickelt hat, ist jedoch für sich genommen überhaupt kein Grund, diese zu verkaufen. Und zwar vor allem nicht, wenn Sie das Geld nicht anderweitig benötigen, sondern wieder anlegen wolllen/müssen. Denken Sie an das Motto „Hin und her – Taschen leer.“ und vergessen Sie nicht, dass Ihr FPV mehr an Ihnen verdient, wenn Sie umschichten und eben weniger, wenn Sie „die Füße still“ halten. Also lassen Sie sich bitte keinen Aktivitätsdruck einreden.
(4) „Neues Spiel – neues Glück!“
Hier haben Sie exakt die gegenteilige Situation zum letzten Punkt. Interessanter Weise jedoch mit der identischen Empfehlung durch den FPV. Auch hier sollen Sie verkaufen und das Geld neu anlegen. Auch hier verdient Ihr FPV durch Ihre Aktivität. Natürlich kann es im Einzelfall richtig sein, trotz erlittener Verluste sein Investment zu beenden. Aber – genau wie im Fall der erzielten Gewinne – ist der Blick in die Vergangenheit nicht hilfreich. Vielmehr nützt nur eine zukunftsorientierte Analyse. In welche Richtung Ihr FPV Sie hier ziehen wird, ist Ihnen zwischenzeitlich klar. Also lassen Sie sich auch in diesem Fall bitte keinen Aktivitätsdruck einreden.
(5) „Bei dieser Anlageform ist Ihr Geld ganz sicher!“
Mit diesem Satz trifft der FPV direkt ins Herz des durchschnittlichen Privatanlegers. Denn Sicherheit steht – zumindest bei den Deutschen – nach wie vor ganz oben auf der Liste der Anlegeziele. Bitte hinterfragen Sie, was unter „Sicherheit“ zu verstehen ist. Sicherer Kapitalerhalt? Und wenn ja, vor oder nach Inflation, d. h. nominal oder real? Und dies vor Steuern oder nach Steuern? Und vor Kosten oder nach Kosten? In einem prägnanten Blogbeitrag können nicht alle Details beschrieben und erläutert werden. Doch ein Punkt ist völlig klar. In den weitaus meisten Fällen wird Ihnen ein nomineller Kapitalerhalt vor Steuern und vor Kosten garantiert. Und das bedeutet, dass Sie nach Inflation, nach KESt und nach den Kosten für die Anlage kräftig ins Minus rutschen können. So spart man sich ganz sicher arm!
(6) „Mit dieser Anlage können Sie …
… unbegrenzt hohe Gewinne erzielen
… sehr attraktive Renditen erzielen
… Ihr Geld verdoppeln.“
Die obige Formulierung zählt zu schlimmsten Manipulationsmustern, die ich kenne. Denn: der Satz ist zwar nicht unwahr, nur eben unwahrscheinlich. Und er setzt beim Empfänger ein Feuerwerk von positiven Emotionen und Hoffnungen frei. Sie können auch 125 Jahre alt werden, im Lotto gewinnen oder in Ihrem Vorgarten einen Goldklumpen ausgraben. Dieser Trick ist so primitiv und billig. Aber auch so effektiv und wirksam. Es sein denn, man kennt ihn.
(7) „Mit dieser Anlage können Sie …
… Steuern sparen
… attraktive steuerliche Vorteile erzielen
… dem Fiskus ein Schnäppchen schlagen.“
Auch wenn der Hinweis uncharmant ist: Beim Steuersparen hört meist das rationale Denken vieler Privatanleger auf. Um einen Euro Steuern zu sparen, wirft der Durchschnittsanleger schon mal zwei oder drei Euro zum Fenster hinaus. Oder wie es der ehemalige Bundesfinanzminister Peer Steinbrück einmal sagte: „Das wichtigste Gen des Deutschen ist das Steuerspar-Gen“. Jedoch: Steuerliche Vorteile gibt es regelmäßig nicht umsonst und die steuerliche Vorteilhaftigkeit ist nur ein Kriterium von den sieben (siehe unten), die Sie bei jeder Geldanlage überprüfen sollten.
Was bedeutet dies konkret für Sie?
- Was gut klingt, lässt noch lange nicht Ihre Kasse klingeln. Wenn Sie eine oder sogar mehrere der oben genannten Sätze – wörtlich oder sinngemäß hören, sollten bei Ihnen die Alarmglocken schrillen.
- Nun sind Sie gewarnt, aber noch nicht gerettet. Denn nun müssen Sie noch dem Erwartungsdruck Ihres Gegenübers entkommen und wirklich gehen – ohne zu unterschreiben.
- Das fällt vielen Mitmenschen ausgesprochen schwer – doch hierzu erhalten Sie Hilfestellungen in einem der nächsten Blogbeiträge.
- Um sich nicht auf ein Kriterium einengen zu lassen, verinnerlichen Sie das einfach geniale Siebeneck aus den HARTMUT WALZ ARBEITSHILFEN. Fragen Sie im Gespräch mit dem FPV stets alle sieben Kriterien ab.
Wenn Sie noch ein besonders manipulatives Versprechen Ihres FPVs im Ohr haben, dann schreiben Sie mir einen Kommentar oder eine Email.
Herzliche Grüße
Hartmut Walz
Sei kein LeO!
Erschienen am 23. Juni 2017.
Ich habe noch einen Klassiker: Der Finanzverkäufer stellt zum Abschluss der Beratung dem Kunde die Frage
– „Wollen Sie jetzt Zertifikat A oder Zertifikat B zeichnen?“ oder
– „Wollen Sie von Zertifikat 5.000 Euro oder 10.000 Euro zeichnen?“
Der Verkäufer nimmt dem Kunden also die Wahl ab, ob er überhaupt was kaufen will sondern er frägt ihn was er kaufen will bzw. wieviel davon und gibt gleichzeitig Auswahlmöglichkeiten vor. Eine effiziente Taktik, da der Kunde nach wie vor eine Wahl hat 😉
Viele Grüße
Dominik
Sie haben vollkommen recht, lieber Dominik. Die Trainer in Verhandlungs-, Verkaufs- und Manipulationsseminaren nennen dies die „absichtsvolle Reduktion des Antwort-Spielraums“. Wissenschaftliche Untersuchungen haben erwiesen, dass die Antwort/Entscheidung meist innerhalb der gesetzten Grenzen liegt.
Das SeO überlegt daher vor der Antwort kurz, ob es nicht lieber die Frage hinterfragt (also die gesetzten Alternativen).
Herzliche Grüße Hartmut Walz – Sei kein LeO!