MIMIKRY – ZUM VERWECHSELN ÄHNLICHE INVESTMENTFONDS
…mit höchst unterschiedlichen Kosten
Eben erreicht mich ein atemloses Mail eines Buchlesers. Da es nun den „Hartmut Walz Finanzblog“ gibt und seine Frage viele von Ihnen interessieren dürfte, habe ich den Leser nach der direkten Antwort an ihn um die Erlaubnis gebeten, seine Frage in anonymisierter Form zu veröffentlichen. Hier die Situation:
Der Leser fragt an, ob es sein könne, dass zwei zum Verwechseln ähnliche Investmentfonds doch höchst unterschiedliche Kosten haben könnten. Im konkreten Fall hatte er aus einer bekannten und auflagenstarken Anlegerzeitschrift, die ihren Namen hier nicht lesen möchte, eine Anlageempfehlung für einen angeblich leistungsstarken aktiven Investmentfonds erhalten.
Exakt den wollte er kaufen. Seine Internetrecherche ergab jedoch, dass der Fonds mit genau diesem Namen nur für institutionelle Anleger zugelassen ist. Als – scheinbar nahezu identische – Alternative erhielt er einen „Treffer“ für einen Publikumsfonds der gleichen Gesellschaft mit sehr ähnlichem Namen. Bei näherem Hinsehen erwiesen sich die „laufenden Kosten“ (auch noch unter der früher gebräuchlichen Bezeichnung TER = Total Expense Ratio bzw. „Gesamtkostenquote“ bekannt) um ein Mehrfaches höher – mithin das gesamte Produktpaket als überteuert und vom Preis-Leistungs-Verhältnis als wenig attraktiv.
Die Frage des Lesers war, ob und wie das sein könne und wie (bzw. auf welchem Wege) er das preisgünstige Produkt erhalten könne.
Meine klare – wenn auch unerfreuliche – Antwort:
Er kann den preisgünstigen Fonds ohne sehr komplizierte und letztlich nicht empfehlenswerte Umwege nicht erwerben, da dies nur institutionellen Kunden vorbehalten ist. Ich halte es für irreführend und „legalen Betrug“ dass in einer Zeitschrift, die sich an private Anleger richtet, ein Produkt für institutionelle Anleger – scheinbar neutral – analysiert und beworben und damit die Verwechslung mit dem teuren Produkt für Privatanleger geradezu provoziert wird.
Die weitgehende Namensgleichheit mit einem ähnlich aussehenden (aber völlig überteuerten) Produkt für Privatanleger ist sicher ein reiner Zufall (denn die Erde ist ja auch eine Scheibe).
Und dass die Kapitalanlagegesellschaft, deren Produkt im redaktionellen Teil so wohlwollend analysiert wurde, in der vorausgehenden Ausgabe eine teure Anzeige schaltete, ist natürlich auch reiner Zufall (ein Schalk, wer Böses dabei denkt).
Im Netz werden solch manipulativen und journalistisch mehr als fragwürdigen Berichte auch mit dem Wort „Finanzpornographie“ belegt – ein hässlicher Ausdruck, der jedoch trotzdem den kritikwürdigen Zustand von manchen redaktionellen Beiträgen aufzeigt. Die Unterbringung von Werbeaussagen in scheinbar neutralen Beiträgen (Advertorial) ist aus meiner Sicht heikler als klar erkennbare Produktwerbung.
Und was bedeutet das nun für Sie?
Meine Empfehlungen aus wissenschaftlicher und neutraler Sicht:
- Prüfen Sie nicht nur bei Quellen im Internet, sondern auch bei Empfehlungen aus „Fachzeitschriften“ stets die Vertrauenswürdigkeit.
- Eine Produktempfehlung sollte stets die eindeutige Identifikation des Produktes enthalten – das wird im Regelfall die ISIN (= International Securities Identification Number = Internationale Wertpapier-Kenn-Nummer) sein.
- Wenn die Identifikation nicht unmittelbar möglich ist, sollten Sie alarmiert sein und die Angaben sorgfältig gegenprüfen.
- Im Zweifel gegen den Angeklagten – d. h. wenn Sie die Unsicherheiten nicht vollständig ausräumen können, dann unterlassen Sie bitte einen Kauf und widerstehen der Versuchung auf die „großartige oder einmalige Anlagechance“
- Prüfen Sie, ob die im redaktionellen Teil der Zeitschrift gewürdigten Produkte oder die dahinter stehenden Gesellschaften auch mit Anzeigen werben. Als berufsbedingt fleißiger Leser fällt mir das natürlich extrem häufig auf und die Anzeigen sind oftmals in der Ausgabe vor oder nach der redaktionellen Empfehlung. Aber ich bin beeindruckt, in welch schamloser Weise die Anzeigen auch häufig in der identischen Ausgabe stehen – und zwar oftmals nur eine oder wenige Seiten vor oder nach dem redaktionellen Beitrag. Man muss also nicht mal Sherlock Holmes sein… Und Sie wissen ja schon: „Schelm, Erde = Scheibe und so…
Bitte seien Sie nicht traurig oder entsetzt und denken Sie nicht, ich hätte ein schlechtes Menschenbild. Diese Form des bewussten Ausnutzens von „Verwechslungen“ sind im Tierreich seit Millionen von Jahren beobachtbar – z. B. Mimikry und Mimese.
Bei der Schlange oben rechts handelt es sich um eine dramatisch-schöne, aber völlig langweilig-ungiftige Königsnatter. Sie imitiert lediglich die wirklich dramatisch-giftige Korallenotter.
Und es war schon immer so, dass die Dummen auf die Tricks hereingefallen sind, während sich die Intelligenten schützen konnten.
Also seien Sie helle.
Und lesen Sie lieber seriöse Bücher oder eben meinen Blog als dass Sie Ihre Zeit mit „Finanzpornographie“ verschwenden.
Alles Gute, viel Erfolg bei Ihren „einfach genialen Entscheidungen“.
Ihr
Hartmut Walz
Sei kein LeO!
Erschienen am 02. Juni 2017.
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