GASTBEITRAG DANI PARTHUM, HAMBURG
Lieber SEO als LEO! Wie Sie zu einem Schwer Erreichbaren Opfer von Finanzproduktverkäufern werden – zum SEO.
Wer will schon gern Opfer sein. Und trägt einen Schaden davon. Gerade beim eigenen Geld! Ich nicht. Und Sie bestimmt auch nicht.
Und doch behaupte ich mal forsch:
Sie sind längst Opfer geworden. So wie ich.
Da genügt es schon, eine fondsgebundene Kapitallebensversicherung zu haben. Hatte ich. Sie auch?
Ich hatte sie unterschrieben, weil ich dem netten jungen Berater einfach glaubte. Ich habe ihn nicht gefragt, wo die Risiken dieser Konstruktion liegen. Habe mir nicht vorrechnen lassen in Heller und Pfennig, was mich das kostet bis zur Auszahlung und danach. Und hätte er mir dann noch erzählt, was er als „Lohn“ für seine kurze „Beratung“ aus meinen Sparbeiträgen erhält, nämlich einige tausend Euro, hätte ich mir das womöglich überlegt.
Habe ich aber nicht. Und wenn wir ehrlich sind, war es auch nicht mein fehlendes Nachfragen, was mich diese teure, riskante und völlig intransparente Geldanlage hat abschließen lassen, aus der mir ein Schaden von etlichen Tausend Euro entstanden ist.
Die wahren Gründe liegen woanders.
Also: Was brauchen Sie, um ein SEO zu werden, ein schwer erreichbares Opfer bei Gelddingen? Am besten freilich gar kein Opfer.
Spannenderweise brauchen Sie dafür erst einmal kein Finanz- oder Spezialwissen. Der wichtigste Hebel liegt nicht im Wissen. Er liegt in Ihnen, Ihrer Haltung und Lebenseinstellung.
Mit diesen 7 Verhaltensweisen können Sie der Opferrolle entkommen ohne Finanzexpertin oder Finanzexperte zu sein:
1. Nehmen Sie Geld ernst und damit wichtig –
wie Ihre Familie, Ihre Freundschaften, Ihre Gesundheit und auch Ihre Haare meinetwegen. Erkennen Sie an, dass Geld eine wichtige Ressource unserer Zeit ist. Wenn Sie zu denen gehören, die denken: „Ach Geld! Ist doch nicht wichtig!“, dann fordere ich Sie auf, mir Ihr ganzes Geld zu schenken. Jetzt. Sofort. Alles. Ist ja nicht wichtig für Sie. Für mich schon.
Was, Sie brauchen das Geld doch? Ist also doch wichtig? Klar ist es das, denn nur über das Tauschmittel Geld können Sie heutzutage die meisten Ihrer Bedürfnisse befriedigen und ein selbstbestimmtes Leben führen.
Deshalb: Nehmen Sie Geld ernst. Denn nur was wir ernst und wichtig nehmen, um das kümmern wir uns auch.
Ganz eng damit verbunden ist Verhaltensweise zwei.
2. Entwickeln Sie eine positive Beziehung zum Geld.
Sie meinen, Sie haben gar keine Beziehung zum Geld? Doch, haben Sie. Jeder Mensch, der mit dem Tauschmittel Geld aufgewachsen ist, hat eine persönliche Beziehung dazu entwickelt. Nicht bewusst, sondern durch Vorbilder in der Kindheit, durch Eltern und Bekannte, wie die mit Geld umgegangen sind, durch das gesellschaftliche und wirtschaftliche Umfeld und durch Geschlechterrollen.
Schließen Sie die Augen, lächeln Sie und fragen Sie sich: Was bedeutet mir Geld? Was empfinden Sie, wenn Sie an Geld denken, und warum? Fragen Sie sich auch: Bin ich es wert, viel Geld zu verdienen? Antworten Sie ehrlich. Ergründen Sie so Ihre Geldbeziehung.
Denn: Lehnen Sie Geld ab, kommt Geld nicht zu Ihnen und bleibt auch nicht.
Was uns schnurstracks zu Verhaltensweise drei führt.
3. Übernehmen Sie Verantwortung für sich und Ihr Geld.
Es ist Ihr Leben! Und da entscheiden Sie. Oder würden Sie jemals Entscheidungen, die Ihre Kinder betreffen, anderen überlassen? Eben.
Anlagefehler entstehen oft auch deshalb, weil wir lieber andere entscheiden lassen wollen in Gelddingen. Das liegt aber nur zum Teil daran, dass Geld zu oft nicht wichtig genommen wird. Noch wesentlicher erscheint mir, dass wir keine Fehler machen möchten. Verhaltensökonomen nennen das: Verlustaversion.
Stehen Sie dazu, beim Geld auch Fehler zu machen. Alle machen das. Es gibt keine Sicherheit bei der Geldanlage. Das Entscheidende ist aber: Aus Fehlern zu lernen. Auch aus den Fehlern anderer.
4. Räumen Sie Ihre Finanzen auf.
Was das genau heißt? Gehen Sie durch Ihre Finanzen wie durch eine Wohnung mit drei Zimmern. Die Zimmer sind dabei Ihre Ausgaben-Blöcke. Gewöhnlich sind das drei: 1) Regelmäßige und nicht aufschiebbare Ausgaben wie Miete, Nebenkosten, Versicherungen, Mobilität. 2) Spar- und Anlagebeträge. 3) Unregelmäßige und beeinflussbare Ausgaben wie Essen, Kleidung, Urlaub, Spielzeug, Restaurant, Unterhaltung, Medien.
Wenn Sie in diesen drei Ausgaben-Blöcken eine Bestandsaufnahme gemacht haben, sehen Sie, für was Sie Ihr Geld wirklich ausgeben. Und können klären: Ist mir diese Ausgabe wichtig? Wenn nicht, ändern Sie Ihr Ausgabeverhalten. Räumen Sie also auf. Nach und nach. Bis Sie nur noch die Ausgaben tätigen, die Sie für wichtig erachten und Ihnen Freude bereiten. Und die Sie sich auch leisten können.
Frappierender Nebeneffekt: Wer seine Finanzen so aufräumt, geht automatisch bewusster mit Geld um, entwickelt ein besseres Gefühl dafür und ist deshalb nicht mehr so anfällig für Konsum-Manipulationen jeder Art.
5. Haben Sie ein finanzielles Ziel.
Mit einem Ziel vor Augen lassen Sie sich weniger leicht ablenken und beeinflussen von Angst- und Panikmachern und schlechten Nachrichten. Und: Sie laufen überhaupt erst los! Ohne Ziel kein Weg. Sie wollen eine Finanzreserve aufbauen, für Notfälle? Sie wollen ein Haus kaufen, einen Garten anlegen, sich für das Alter ein Aktienvermögen ansparen? Prima. Fokussieren Sie sich darauf und arbeiten Sie darauf hin. Machen Sie sich einen Plan. Und los geht es.
6. Eignen Sie sich Finanzwissen an und investieren Sie in Ihre Bildung.
Gehen Sie Schritt für Schritt vor. Sie müssen nicht alles auf einmal wissen. Bücher und Finanzblogs wie dieser sind der perfekte Einstieg und der günstigste Weg, sich finanziell zu bilden. Suchen Sie sich eines Ihrer Geldprobleme heraus und informieren Sie sich darüber. Buchen Sie Webinare (viele gibt es gratis) Seminar oder Workshops und lesen Sie Bücher oder Schriften von neutralen, d. h. unabhängigen Verfassern, z. B. der Stiftung Warentest, Verbraucherzentralen u.ä. Stellen Sie sich dieser Herausforderung. Dann gehen Sie zur nächsten. So sammeln Sie über Monate und Jahre Wissen an und verstehen Ihre Finanzen besser. Bildung stärkt außerdem das Selbstbewusstsein und den Selbstwert. Beides Tugenden, die sich auszahlen im Umgang mit Geld.
7. Verinnerlichen Sie, dass Bank- und Finanzberater keine Berater wie Steuerberater sind. Sondern Finanzprodukt-Verkäufer.
Bank- und Finanzberater wollen nicht Ihr Bestes, sondern das Beste für sich oder die Bank. Auch wenn Sie Ihnen freundlich Kaffee und Kekse anbieten. Fragen Sie immer nach, was die Berater an dem empfohlenen Geschäft verdienen und an Provisionen erhalten. Und zwar so lange, bis Sie das Gefühl haben, eine ehrliche Antwort und vor allem auch konkrete Zahlen erhalten zu haben.
Und noch eines schützt Sie davor, ein leicht erreichbares Opfer zu sein: Reden Sie mit anderen über Geld. Mit Arbeitskolleg’innen, Freund’innen, in der Familie. Das hilft, seine eigene Haltung zu reflektieren, zu überdenken. Manchmal stoßen wir erst auf den Kern der Sache, wenn wir darüber reden, vor anderen unsere Sicht erklären müssen. Seien Sie offen für Argumente.
Ehrlicherweise sind Sie aber selbst dann nicht vor Tätern gefeit, wenn Sie die 7 Verhaltensweisen leben und anwenden. Das liegt in der Natur unseres Menschseins. Wir sind Emotionswesen, keine Ratiowesen, was geschulte und manipulative Händler, Berater und Verkäufer ausnutzen. Deren Chancen, uns über’s Ohr zu hauen, sinken aber enorm, wenn Sie Ihr Geld als wichtige Ressource anerkennen, Ihre Haltung zum Geld eine positive ist, Sie einen Lebensplan haben und Ziele, wenn Sie sich bilden und selbst um Ihre Finanzen kümmern.
Erschienen am 14. 12. 2018.
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Das ist ein sehr interessanter Artikel. Ich habe vor ca 10 Jahren auch genau so ein Kundenberatergespräch mit einer Unterschrift beendet – über die ich mich im Nachhinein geärgert habe. Und das hat aber dann dazu geführt, dass ich mich mit dem Thema “ unabhängiger Finanzberater“ beschäftigt habe – so arbeite ich zwar immer noch mit jemandem anders zusammen – aber eben so, dass ich mir sicher bin dass es um das Beste zu meinem Geld geht….
Liebe Frau Parthum,
…Daumen hoch; ein toller Beitrag mit vielen guten Hinweisen – so machen Sie es den FPV’s („Finanzproduktverkäufern“) wirklich schwer!
Am besten und irgendwie einfachsten anzuwenden ist Ihre Aussage „Fragen Sie immer nach, was die Berater an dem empfohlenen Geschäft verdienen und an Provisionen erhalten. Und zwar so lange, bis Sie das Gefühl haben, eine ehrliche Antwort und vor allem auch konkrete Zahlen erhalten zu haben.“
Genau darum geht’s um ein SEO zu sein!
🙂
🙂 vielen Dank Herr Hildebrand.
Schau, schau. Die Geldfrau schreibt hier auch, wie schön. Servus aus München
Ein frohes „Servus“ zurück nach München! Herzlichst – die Geldfrau 🙂
Sehr geehrte Frau Parthum,
danke für Ihren interessanten Beitrag. Sie schreiben zwar, dass die Haltung noch wichtiger sei als das Wissen.
Aber ich fühle mich (trotz Mittlerer Reife) so richtig „blöd“, wenn ich mit meiner Kundenberaterin zusammen sitze und „von Fachfrau “ zu „Normalo-Frau“ beraten wird. Da gehen mir einfach die Argumente aus und nach einigen „Zuckungen“ gehe ich dann doch wieder mit exakt den Bankvorschlägen nach Hause.
Was nützt mir das eine andere Haltung und warum würde das mit einer anderen Haltung besser ablaufen.
Danke für einen zusätzlichen Tip. Irmgard
Liebe Irmgard,
vielen Dank für diese wirklich wichtige Nachfrage. Der Unterschied liegt darin, dass Sie, wenn Sie Ihr Geld wichtig nehmen und wissen, was Sie damit vorhaben, die Bankvorschläge nicht unterschreiben. Denn die „Kundenberaterin“ schafft es nicht, dass Sie die Produkte verstehen. Sie kommen sich „blöd“ vor. Aufgabe der „Beraterin“ wäre, DASS Sie es verstehen. Nehmen Sie Ihr Geld nicht wichtig, würden Sie sehr wahrscheinlich unterschreiben, um sich das „Problem“ vom Hals zu schaffen. Das ist der Hebel, den ich meinte: die eigene Haltung und Reflektiertheit schützt einen eher vor falschen Entscheidungen. Und damit vor schlechten Gefühlen wie „sich blöd vorkommen“. Mit Wissen im Gepäck gehen Ihnen im Gespräch dann vermutlich nicht die Argumente aus, aber Sie gehen vermutlich früher aus dem Gespräch 🙂 Im besten Fall gehen Haltung und Wissen eine Symbiose ein.
Herzliche Grüße – Dani Parthum
… noch diese Ergänzung zur Geldhaltung als Hebel: Wer sein Geld als wichtige Ressource begreift, wird nach so einem Gespräch verstehen, dass es bei der Geldanlage nicht ohne Wissen geht. Und es sich verschaffen, sich also finanziell bilden.
Liebe Frau Parthum, danke für Ihre Antwort. Und die damit verbundene Erläuterung. Ja, Haltung und Einstellung zum eigenen Geld, und die Einsicht, dass es nicht ohne Wissen(saneignung) geht. Ich denke, mit diesen Einsichten bin ich auf dem richtigen Weg. Alles Gute für Sie und Ihre Familie und ein frohes Fest. Irmgard