KONSTRUKTIVE CRASH-GEDANKEN, TEIL 1
Der Crash kommt – bloß wann?
Auf dem Grabstein des ein oder anderen Crash-Propheten könnte später stehen: „Hier liegt er richtig.“ Denn in Bezug auf die Börse, da lag er meistens falsch.
Das ist zugegeben zynisch: Aber die Angst, ihr „sauer verdientes Geld“ wieder zu verlieren, ist für die meisten Deutschen eine ständige und zentrale Sorge. Und diese Angst wird von Crash-Propheten in den Medien intensiv geschürt und ausgenutzt.
Aktiencrash, Börsencrash, schlimmer Absturz, massiver Kursrutsch, Crash des gesamten Finanzsystems… Viele meiner Blogleser/innen möchten nach meinem Blogbeitrag vom Februar wissen, wie ich mittlerweile darüber denke und wie ich selbst handle.
Schlechte Nachrichten gibt es zuhauf…
In der Tat gibt es viele schlechte Nachrichten, die
- auf ein nahendes Ende des nun rund zehnjährigen Aufschwungs hinzudeuten scheinen oder
- sogar einen Zusammenbruch der Eurozone oder des weltweiten Finanzsystems in den Bereich des Möglichen rücken.
Und die Übergänge zwischen a) und b) sind fließend.
Pessimisten weisen auf eine Reihe von Fakten und Entwicklungen hin, die in der Tat höchst unerfreulich sind, z. B.:
- immer stärkere Zunahme der Verschuldung der meisten Staaten
- wachsende Ungleichgewichte in der Einkommens- und Vermögensverteilung
- Fortsetzung der Null- oder Niedrigzinspolitik in wichtigen Wirtschaftsräumen mit enormen Nebenwirkungen (Kollateralschäden) für Private und Institutionen
- Zinsfalle und finanzielle Repression
- Bondblase, „ungesunde“ Finanzierung schlechter Risiken
- teilweise Abkoppelung der Vermögenspreise (z. B. Aktien, Immobilien) von fundamentalen Bewertungsgrundlagen, Phänomen der Asset-Inflation.
Totgesagte leben länger!
Und trotzdem rate ich Ihnen: Bleiben Sie hellwach, aber agieren Sie nicht aus unmittelbarer Furcht. Sondern gehen Sie klug, humorvoll und möglichst emotionslos mit diesem Entwicklungen um (konkrete Empfehlungen finden Sie unten).
Bedenken Sie die Kosten und Verzichte, die für Sie entstehen, wenn Sie über Jahre hinweg Ihre Anlagen ausschließlich im Krisenmodus halten würden.
Und ganz wichtig: Gehen Sie nicht den Unkenrufen selbsternannter Crash-Propheten auf den Leim. Erkennen sie das Eigeninteresse dieser Untergangsprediger, die daran verdienen, Ihnen Angst zu machen.
Seriöse und unseriöse Crashpropheten
Es gibt ein paar seriöse Wirtschaftsexperten, die sich uneigennützig und unaufgeregt mit den Gefahren von Börsen- oder Finanzcrashs beschäftigen.
Beispielhaft möchte ich hier nur den US-amerikanischen Wirtschaftsnobelpreisträger Robert J. Shiller nennen, der sowohl das Platzen der Dot-Com-Blase zur Jahrtausendwende als auch der Immobilienblase 2007/2008 (Subprime-Krise) vorhersah und bereits vor deren Eintritt sehr fundiert in Publikationen darauf hinwies.
Ebenso ziehe ich im deutschsprachigen Raum vor Daniel Stelter den Hut. Sein Buch „Eiszeit in der Weltwirtschaft“ erschien im Frühjahr 2016. Darin erstellte er eine brillante Analyse von Gefahren eines weltweiten Crashs. Und zeigte auf, wie begrenzt mögliche Gegenstrategien sind.
Sicher gibt es noch mehr seriöse Experten, die sich objektiv und sachlich mit Crash-Gefahren auseinander setzen.
Ihnen gemein ist, dass sie erstens ehrlich zugeben, dass zwar das Risiko eines Crash gegeben ist, sein Zeitpunkt jedoch nicht vorhergesagt werden kann. Mit anderen Worten: Da Totgesagte oft noch überraschend lange weiterleben, ist jede Aussage: „der Crash kommt bald“ oder „der Crash kommt in zwei Jahren“ unseriös.
Zweitens nutzen seriöse Experten ihre Kassandra-Rufe nicht für eigene Geschäfte. Wie etwa den Vertrieb von angeblich crash-sicheren Anlagen (Rotwein, Whiskey, Markenuhren, etc.). Oder der Gründung eigener Investmentfonds (z. B. angeblich crash-sichere Sachwertefonds).
Das Lager unseriöser Crashpropheten ist jedoch ungleich größer. Man kann mit Michael Ritzau („Die große Fondslüge“) durchaus von einem regelrechten Geschäftsmodell der Crash-Propheten sprechen.
Das Geschäftsmodell unseriöser Crash-Propheten
Unseriöse Crash-Propheten nutzen den Umstand: Wenn man einen Crash nur lange genug und immer wieder voraussagt, wird man früher oder später Recht bekommen.
Ganz nach dem Motto: Alles was kaputt gehen kann, wird irgendwann auch kaputt gehen. Oder dem bekannten Zitat von John Maynard Keynes: „Langfristig sind wir alle tot.“
Und wenn solche Crash-Propheten später in ihren Reden oder Veröffentlichungen prahlerisch darauf hinweisen, dass sie bereits zwei oder drei Crashs korrekt vorhersagten, dann muss ich der Vollständigkeit halber ergänzen, dass sie darüber hinaus auch ein Dutzend weiterer Crashs prognostizierten, die jedoch niemals eingetreten sind.
Zum Geschäftsmodell der Crash-Propheten gehört es zum Beispiel,
- entweder durch das Schüren von Ängsten und Sorgen ihre Vorträge und Bücher zu veräußern (direkte Methode) oder
- „Rettungen“ und „Lösungen“ anzubieten, an deren Konstruktion oder Vertrieb sie selbst beteiligt sind (indirekte Methode).
Mit beiden Methoden bereichern sich Crash-Propheten selbst, schaden jedoch den Anlegern, die sich durch sie verunsichern oder sogar in teure, riskante und ineffiziente Anlagen hineinberaten lassen.
Die Bezeichnung eines kostenintensiven Investmentfonds als „Sachwertefonds“ (Hintergrund ist die Absicherung gegen Inflationsgefahren) ist noch eine der harmloseren Täuschungen. Denn: Jeder Aktienfonds (aktiv oder passiv) ist in Sachwerten investiert.
Erst recht bedenklich ist es, wenn die geschürte Crash-Angst der Informationskunden dazu genutzt wird, ihnen exotische Anlagen zu verkaufen, die sich neben hohen Kosten und Risiken auch noch durch schlechte Liquidierbarkeit auszeichnen.
Oder meinen Sie wirklich, dass Sie in einer schlimmen Krise gerade Ihre gut polierten Oldtimer leicht verkaufen können? Einleuchtender finde ich da schon die Geldanlage in Wein und Whisky – wobei es als Vorsorge für den Krisenfall dann auch die preiswerteren aus dem Supermarkt tun, oder? 😉
Erinnern Sie sich an das optimale Portfolio für Untergangsgläubige aus meinem Blogbeitrag vom Februar? 😉
Ich denke, dieses „Portfolio“ sagt mehr als tausend Worte und zeigt den Preis der einseitig pessimistischen Sichtweise eindrucksvoll auf.
Wer konsequent pessimistisch denkt und sich auf den Crash fokussiert, muss enorme „Opportunitätskosten der Crash-Vorsorge“ in Kauf nehmen. Er erleidet erhebliche Mindererträge und entgangene Gewinne einer unausgewogenen, angstgetriebenen Geldanlage.
Und wenn der Crash dann…
– doch nicht kommt
– oder erst später kommt
– oder nicht so schlimm kommt,
…dann hat der Übervorsichtige das Nachsehen.
An dieser Stelle hilft es vielleicht auch, wenn wir uns vergegenwärtigen, wie viele Weltuntergänge wir bereits überstanden haben 😉
Vorbereitung auf völlig gegensätzliche Szenarien
An den Finanzmärkten gilt der Grundsatz: „Alles kann passieren, auch das Gegenteil“
Daher sollten wir uns auf das mögliche Eintreten völlig gegensätzlicher Szenarien vorbereiten und unsere Anlagen so strukturieren, dass wir mit unterschiedlichsten Entwicklungen gut leben und ruhig schlafen können.
Also gilt es für die grundsätzliche Gefahr eines Crashs verantwortungsvoll vorzusorgen -jedoch ohne auf die Chancen der Finanzmärkte ganz zu verzichten.
Und das geht überraschend einfach. Durch die Anwendung von ein paar konstruktiven Regeln, die Sie kommende Woche in Teil 2 lesen können.
Herzliche Grüße
Hartmut Walz
Sei kein LeO!
Erschienen am 25. Mai 2018. Link zum Teil 2 ergänzt am 16. Sept. 2019.
Der Hartmut Walz Finanzblog ist unabhängig, kosten- und werbefrei. Ich erhalte für Links und Empfehlungen keinerlei Honorar, Kick-back, Beteiligung o. ä.
Humorvoll und doch sehr, sehr sinnig und sinnvoll. Mal wieder ein echter Walz 😉
Danke einmal mal, sagt
der Maik
Lieber Maik, danke 😉
Herzliche Grüße, Hartmut Walz – Sei kein LeO!
Vielen Dank für diese differenzierten Gedanken zum Thema „Crash“. Ich bin sehr gespannt, wann der nächste Crash kommt, welche Ursache er haben wird und welche Ausmaße er annimmt. Ich persönlich habe die Sparraten für meine ETF-Sparpläne reduziert und baue dafür zusätzlich Cash auf, um im Falle eines Crashs / Rückschlages vermehrt günstige Anteile erwerben zu können. Meine bestehenden ETF Anteile behalte ich, da ich ein Anhänger der langfristigen „buy and hold“ Strategie bin.
Gerade junge Menschen, die noch nicht so viel Vermögen aufgebaut haben, können aus meiner Sicht relativ entspannt bleiben und sollten ihre (hoffentlich vorhandenen) Sparpläne in Aktien-ETF weiterlaufen lassen. Und für ältere Anleger sollte es ohnehin eine Selbstverständlichkeit sein, den Aktienanteil mit zunehmenden Alter sukzessive zu reduzieren, um von den (vorübergehenden) Rückschlägen nicht zu sehr beeinträchtigt zu werden.
Lieber Andreas, vielen Dank für das Statement – da stimme ich Ihnen zu!
Herzliche Grüße, Hartmut Walz – Sei kein LeO!
Hartmut Walz ist und bleibt ein ökonomischer Aufklärer für den Kleinanleger im besten Sinne. Angst ist ein schlechter Ratgeber, wenn es um Anlageentscheidungen geht, trotzdem fallen viele (mich eingeschlossen) dann doch immer wieder auf die diversen Meldungen von „Experten“ herein. Es ist bemerkenswert positiv hervorzuheben, dass es auch Stimmen gibt, die diese Art von Geschäftsmodellen schonungslos entlarven und dem Anleger hilfreiche Darbietungen und Erklärungsansätze für ihr Handeln anbieten. Hartmut Walz‘ neu erschienene zweite Auflage ist ein solches Unterfangen. Ich wünsche daher dieser Auflage mindestens den gleichen Erfolg wie der Erstauflage, denn im deutschsprachigen Büchermarkt sind seriöse Ratgeber in diesem Genre ansonsten sehr rar gesät. Gegen die Angst helfen zwar auch Psychopharmaka, aber die Lektüre von Hartmut Walz ist nebenwirkungsfrei und zudem noch günstiger. Ich selbst verdiene zwar keinen Cent an dieser Empfehlung, habe aber bereits aufgrund der beherzigten Tipps Verluste vermeiden können. Wenn das keine Kaufempfehlung begründet …!
Lieber Nicht-LEO D. Schade! 😉
Besten Dank für diesen herzlichen Kommentar und die Wertschätzung. Ein Glück, dass die Leser/innen mich gerade nicht sehen können – sitze ganz verlegen mit einem roten Kopf vorm Computer 😉
Herzliche Grüße, Hartmut Walz – Sei kein LeO! … auch weiterhin