LESENSWERT
mein subjektiver BücherRückBlick 2018
Zum Jahresausklang kommen viele Menschen wieder mehr zum Lesen, als in den fleißigen Wochen davor. Welche Bücher kann ich empfehlen?
Wie im vergangenen Jahr möchte ich auch zu diesen Festtagen mit meinen BlogleserInnen teilen, welche Bücher mir besonders wichtig und wertvoll erscheinen.
Nachstehend einige wenige Hinweise auf Bücher, die ich 2018 (wieder) zur Hand nahm und die meine eigenen Gedanken geprägt haben. Und zwar weit über den schnöden Mammon hinaus.
Links lege ich direkt zu den Verlagen. Kick backs oder andere „Provisionen“ bekomme ich nicht. Wo Sie dann ggfs. die Bücher kaufen, ist mir also egal – solange es bei Ihrem Buchhändler um die Ecke ist 🙂
Hier ein Blick in mein Bücherregal:
1. Skin in the Game (Nassim N. Taleb)
Das Risiko und sein Preis
2. Risikoprofiling mit Anlegern (Oliver Everling/Monika Müller, Hrsg.)
Kundenprofile treffend analysieren und in der Beratung nutzen
3. Job & Money für jüngere Arbeitnehmer (Martin Kinkel)
2018/2019
4. Das Märchen vom reichen Land (Daniel Stelter)
Wie die Politik uns ruiniert
5. Zehn Gründe, warum du deine Social Media Accounts sofort löschen musst
(Jaron Lanier)
6. Befreiung vom Überfluss (Niko Paech)
Auf dem Weg in die Postwachstumsökonomie
Die Reihenfolge ist übrigens ganz wahllos.
Hier noch ein paar Sätze zu den einzelnen Büchern:
1. Skin in the Game (Nassim N. Taleb)
Bereits vor mehreren Jahrhunderten konnte die Qualität neu erstellter Brücken erheblich durch eine einfache Regel gesteigert werden: Architekt und oberster Bauleiter mussten bei der Eröffnung unter der Brücke stehen.
Mit diesem Beispiel wird ein Leitgedanke von „Skin in the Game“ bereits deutlich: Grundsätzlich sollten immer diejenigen die Risiken tragen, die diese in die Welt setzen und daran verdienen. „Skin in the Game“ bedeutet nichts anderes, als selbst etwas zu verlieren zu haben und für die Folgen des eigenen Tuns gerade zu stehen.
Wer mich kennt, weiß, dass ich Nassim N. Taleb für einen der klügsten Köpfe unserer Zeit halte. Anfang 2018 kam nun sein neuestes Werk „Skin in the Game“ heraus, welches dann gerade noch rechtzeitig zur Urlaubszeit in der deutschen Fassung „Das Risiko und sein Preis“ erhältlich war. Mit 381 Seiten kein schnell wegzulesendes Buch.
Und nicht für denjenigen geeignet, der kochbuchartige Anlagerezepte sucht. Sondern – ganz im üblichen Taleb-Stil – mit viel Hintergrundwissen, und (häufig geschichtlichen) Beispielen. Für die an „Tiefgang“ interessierten LeserInnen bietet das Buch eine Fülle an – oftmals überraschenden – Erkenntnissen, und zwar weit über finanzielle Themen hinaus. Und Orientierungspunkte, die Ruhe und Besonnenheit inmitten des heutigen digitalen Medienrauschens vermitteln.
Ich selbst habe nun beispielsweise verstanden, warum die ausufernde und immer komplexere Regulierung der Finanzdienstleistungsindustrie dem Privatanleger nicht hilft, sondern eher schadet. Nicht zuletzt, wenn schlecht bezahlte Regulierer nach ein paar Jahren zu gut bezahlten Lobbyisten und Sachverständigen der Finanzdienstleister werden…
2. Risikoprofiling mit Anlegern (Oliver Everling/Monika Müller, Hrsg.)
Risiken sind das A und O aller Geldanlageentscheidungen. Ihrer korrekten und vollständigen Erfassung, Analyse und Bewertung kommt daher größte Bedeutung zu.
Der von Monika Müller und Oliver Everling 2018 in der zweiten Auflage herausgegebene Sammelband „Risikoprofiling mit Anlegern“ beleuchtet in sechs übersichtlich abgegrenzten Themenfeldern viele Facetten dieses spannenden Themengebietes. Finanzielle Risikobereitschaft, Risikotragfähigkeit und Risikobedarf werden ebenso thematisiert wie regulatorische Vorgaben, Interessenkonflikte im Beratungsprozess und psychographische Aspekte. Neben einer Vielzahl wertvoller Gesichtspunkte rund um den Prozess der Risikoprofilierung überzeugen die im hinteren Teil des Buches angeführten Praxis- und Umsetzungsbeispiele aus unterschiedlichen Anwendungsbereichen.
Die Ausführungen sind durchgängig in einer sehr gut verständlichen und klaren Sprache gehalten. So ist das Buch ein „Muss“ für Beratende und ein „Kann“ für Privatkunden, die sich näher mit Fragestellungen des Anlagerisikos beschäftigen wollen. Und dabei auch ihre eigene Einstellung zum Risiko – und damit auch letztlich sich selbst besser kennen lernen wollen.
3. Job & Money für jüngere Arbeitnehmer (Martin Kinkel)
Berufseinsteiger bzw. Arbeitende in den ersten Beschäftigungsjahren werden von den Finanzdienstleistungsvertrieben als lukrative Zielgruppe und ideale LeOs betrachtet. Und entsprechend mit einer Vielzahl von Gratisangeboten vom „Bewerbertraining“ bis zum „Erfolgsseminar“ oder „Karrierestrategie-Workshop“ bedacht. Im Ergebnis geht es dabei stets um Kontaktaufbau und den Vertrieb von – in der Regel wenig vorteilhaften, dafür aber überteuerten und intransparenten – Finanzdienstleistungen.
Das Buch von Martin Kinkel kann als gute „Vorsorgeimpfung“ dieser Zielgruppe dienen.
Kinkel hat mit seinem neutralen Ratgeberwerk eine wertvolle und bemerkenswert vollständige Orientierungs- und Nachschlagehilfe für Berufseinsteiger bzw. Arbeitende in den ersten Beschäftigungsjahren geschaffen. Das Buch hat keine Angabe zur Auflage, erscheint aber offenbar bereits seit 2004 in jeweils aktualisierten Versionen. Und das lohnt sich für die LeserInnen, denn, ganz im Gegensatz zu vielen anderen Werken, sind die Hinweise tatsächlich top-aktuell und auch jüngste Veränderungen sorgfältig eingearbeitet.
Das Kapitel „Job“ macht nur etwa ein Fünftel der knapp 400 Seiten aus und erörtert das Wichtigste rund um Arbeitsverträge, Kündigung, Aufhebung und Zeugnis. Der ausführlichere Teil „Money“ informiert über Steuern, Sozialversicherung und private Versicherungs- und Vorsorgeverträge sowie alle relevanten Formen der Geld- und Vermögensanlage.
Ja, einige dieser Themen mögen jungen Menschen „trocken“ bzw. „spaßfrei“ erscheinen. Dafür sind sie aber umso wichtiger und machen jüngere ArbeitnehmerInnen zu mündigen, schwer erreichbaren Opfern.
Ich empfehle das Buch daher ohne jeglichen Vorbehalt und werde es einigen jungen Menschen in meinem Bekanntenkreis unter den Christbaum legen, die dafür hoffentlich in ein paar Jahrzehnten dann meine Pension finanzieren 🙂
4. Das Märchen vom reichen Land (Daniel Stelter)
Gegen Zukunftspessimisten bin ich grundsätzlich sehr misstrauisch und lebe konsequent gemäß dem Motto „Optimismus ist Pflicht“. Und gegen Crash-Propheten habe ich etwas – insbesondere wenn sie neben Ihren Büchern und Publikationen gleich noch „Problemlösungen“ verkaufen, an denen sie selbst gut verdienen.
Daniel Stelter ist gleich in mehrfacher Hinsicht vor solchem Verdacht gefeit und sein Buch verdient es, gelesen und sehr ernst genommen zu werden.
Bereits sein 2016 erschienenes Buch „Eiszeit in der Weltwirtschaft“ habe ich mit Interesse und großem Gewinn gelesen. Stelter attackiert völlig ideologiefrei – einfach auf Basis unwiderlegbarer Fakten – einige Vorurteile und in den Medien gebetsmühlenartig wiederholte Fehlinterpretationen hinsichtlich von Reichtum und Belastbarkeit des deutschen Durchschnittsbürgers.
Der Buchtitel: „Das Märchen vom reichen Land“ wird schon auf den ersten Seiten durch eine leicht verständliche Abgrenzung zwischen Einkommen (=Stromgröße) und Vermögen (=Bestandsgröße) erläutert. In den nachfolgenden Kapiteln wird deutlich, wie zerbrechlich der deutsche Wohlstand ist. Und wie schlecht bzw. verletzbar nicht nur die Reserven der meisten Bürger, sondern auch die des deutschen Staates angelegt sind.
Zentrale Aussagen der Kapitel 4 und 5 – „Die Milliarden, die wir nicht wiederbekommen…“ sowie „Deutschland als Kreditgeber der Eurozone“ sollten – unabhängig von Parteibuch oder politischer Orientierung – zum Grundwissen jedes mündigen Bürgers gehören.
Dass die von Stelter aufgezeigten Defizite und Missstände deutscher Politik keineswegs „alternativlos“ sind, zeigt der Blick auf das bessere Vorsorgemanagement anderer europäischer Staaten.
Kurzum: Gönnen Sie sich die wenigen Euro zum Erwerb dieses Buches – und vor allem die paar Stunden zum Lesen und der Reflektion über die zentralen Botschaften. Auch wenn Sie nicht mit allen Details übereinstimmen – es soll doch in ein paar Jahren niemand sagen, wir hätten das alles nicht gewusst… 🙂
5. Zehn Gründe, warum du deine Social Media Accounts sofort löschen musst (Jaron Lanier)
Lesen Sie dieses Buch. Nein, Spaß macht es nicht. Aber lesen Sie dieses Buch trotzdem!
Jaron Lanier, Jahrgang 1960, ist Internetpionier der ersten Stunde und ein absoluter Kenner der Materie. Auf ihn gehen Begriffe und Erfindungen wie Virtual Reality, Avatar und Datenhandschuh zurück. Laut Encyclopaedia Britannica gehört er zu den 300 wichtigsten Erfinder der Menschheit. Hier spricht also jemand, der wirklich weiß, wovon er redet.
Wir sollten ihm zuhören. Lanier warnt vor dem Missbrauch unserer Daten.
Dieser findet statt – und zwar in einem Ausmaß, dass es einem die Sprache verschlägt. Überwachung, Verhaltensmanipulation, Verdummung, und das perfide Ausnutzen der Bequemlichkeit, des Gruppendrucks und der Alles-Umsonst-Mentalität von Nutzern. Das sind nur einige der zutiefst beunruhigenden Fakten.
Lanier bezeichnet Social Media als eine schlimme Fehlkonstruktion, die unsere Gesellschaft zerstört. Er selbst ist ohne Social-Media-Accounts in den Medien präsent und mahnt zur Verantwortung eines jeden einzelnen zu Freiheit und Unabhängigkeit.
Sein Buch gibt uns die Möglichkeit, uns zu informieren, uns die Vorgänge und Hintergründe bewusst zu machen, wie wir ferngesteuert werden – und dann zu entscheiden, ob wir wirklich so weiter machen wollen.
Jaron Lanier erhielt 2014 den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels.
6. Befreiung vom Überfluss (Niko Paech)
Dieses kleine Büchlein habe ich just zum vergangenen Weihnachtsfest geschenkt bekommen… wie passend 😉 Geschrieben hat es Niko Paech, Volkswirtschaftler, Nachhaltigkeitsforscher und ein bekannter deutscher Wachstumskritiker. Man muss nicht all seinen Gedanken zustimmen. Aber sich vielleicht auf einige seiner Überlegungen einlassen und zumindest darüber nachdenken.
Bereits in seiner 2012 erschienen 1. Auflage schrieb Paech, die geschundene Ökosphäre brauche dringend eine Verschnaufpause, die sie jedoch solange nicht bekomme, solange die Wirtschaft weiter wächst. Die Wachstumsabhängigkeit des derzeitigen Wohlstandsmodells zerstöre unsere Umwelt. Das Bruttoinlandsprodukt müsse als Maß für ökologische Zerstörung gelten.
Bestürzt hat mich die Antwort auf die Frage: „Wie lassen sich zwecks Absatzsteigerung innerhalb eines menschlichen Lebens zusätzliche Konsumaktivitäten unterbringen?“. Zum Bespiel durch Beschleunigung, Multi Tasking oder den schnelleren Verschleiß von Produkten. All das geht dabei nicht nur zu Lasten der Umwelt. Sondern meist auch zu Lasten der eigenen Lebensqualität.
Berührt hat mich die Überlegung, dass viele Menschen in modernen Konsumgesellschaften in einem „Hamsterrad der materiellen Selbstverwirklichung“ rennen. Sie haben enorm hohe Konsum- und Mobilitätsansprüche – nur zu befriedigen durch immer mehr Geld und mehr Energie.
Paech plädiert dafür, den Wohlstandsballast abzuwerfen und einen nachhaltigen Lebensstil zu führen. Durch Reduktion. Indem wir weniger Dinge nutzen – diese dafür aber intensiver. Und bestimmte Konsumoptionen einfach auch einmal souverän ignorieren. Weniger kann mehr sein. Dankbare Bescheidenheit und kreatives Unterlassen können wertvolle Entschleunigung, Reizminderung und entkommerzialisiertes Glück bedeuten.
Na, wenn das keine weihnachtsfrohe Verheißung ist… Geben Sie dem Büchlein eine Chance – und das knappste Gut, das Sie haben: Ihre Zeit.
Frohe Weihnachten!
Damit wünsche ich allen meinen LeserInnen gelungene Weihnachtstage – und neben Essen, Genuss und Beisammensein auch ein gutes Maß an Bewegung und Muße.
Hat Sie ein Buch besonders beschäftigt oder inspiriert? Dann schreiben Sie gerne einen Kommentar.
Eine gute Zeit und herzliche Grüße,
Hartmut Walz
Sei kein LeO!
Erschienen am 21. Dezember 2018.
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Ich kann für Fußball- bzw. Sportinteressierte das Buch „Football Leaks“ empfehlen. Es wirft einen kritischen Blick hinter das Sportbusiness und liest sich wie ein Krimi. Aus meiner Sicht ein „strong buy“.
Lieber Herr Heberling, vielen Dank für den Tipp. Ich schätze mal, das Buch geht über die Erklärung der Abseitsregel weit hinaus 😉
Ein gutes neues Jahr! Herzliche Grüße, Hartmut Walz – Sei kein LeO!