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Fortdauernde Niedrigzinsen – Was tun? Drei schlechte Empfehlungen…

FORTDAUERNDE NIEDRIGZINSEN – WAS TUN?
Drei schlechte Empfehlungen der Tagespresse, denen Sie nicht folgen sollten

Aktuell lesen Sie überall die Anzeigen eines bekannten Fondsanbieters mit dem markigen Spruch: „Raus aus dem Tagesgeld: Ihr Geld sollte beim Ausgeben weniger werden und nicht beim Sparen.“

 

Dass Ihr Geld nicht beim Sparen weniger werden sollte – dem kann ich nur uneingeschränkt zustimmen. Keineswegs jedoch den Schlussfolgerungen und Empfehlungen.

Es darf nicht passieren, dass Sie bei der Suche nach Alternativen zu den niedrigen Zinsen Ihr Geld durch unkalkulierbare Risiken oder überhöhte Kosten der „Problemlösungen“ verlieren

Aber der Reihe nach….

 

Kurze Situationsanalyse – die Fakten

In der Tat befinden wir uns Mitte 2018 unverändert in einer extremen Niedrigzinsphase. Die den Bloglesern/innen bekannten Phänomene Negativzinsen, Nullzinspolitik und Finanzielle Repression bestehen fort.

Sowohl kurzlaufende Bundesanleihen als auch die Umlaufrendite im Bereich von 1-2 Jahren liegen bei ca. minus 0,5 %. Die Nulllinie wird bei der Umlaufrendite erst ab ca. fünf Jahre Restlaufzeit erreicht. Bei Bundesanleihen lassen sich erst ab ca. sieben Jahren positive Zinsen erreichen. Und selbst wer sich im Juni 2018 für 10 Jahre festlegt, erhält bei Bundesanleihen gerade mal magere 0,4 %.

Alles deutet darauf hin, dass dies noch länger so bleiben wird: Niedrige Zinssätze bei gewissen Schwankungen und eine recht flache Zinsstrukturkurve.

All diese Fakten führen bei Sparern und Anlegern, die in Festverzinsliche (= Rentenwerte, Anleihen, Schuldverschreibungen, Obligationen, Bonds…) investieren zu Verdruss. Und dem verständlichen Wunsch nach Auswegen.

 

Bewertung der Situation – Bewertung der Fakten:
Zwar unerfreulich, aber keineswegs neu

Wer ein wenig tiefer in die Thematik einsteigt, wird sofort folgendes erkennen: Die Fakten an der „Zinsfront“ sind zwar in der Tat unerfreulich. Jedoch sind sie keineswegs neu. Auch schon vor ein paar Jahren war mit Spar- oder Termineinlagen (z. B. Tagesgeld) bzw. Festgeldern kein realer Gewinn zu machen.

Hier hilft die Unterscheidung zwischen Nominalzins und Realzins.

Zwar waren vor ein paar Jahren die Nominalzinsen noch höher, so dass das Geld auf dem Konto optisch mehr wurde. Jedoch war auch die Inflationsrate (zum Teil sogar beträchtlich) höher, so dass nur ein kleiner positiver oder sogar ein negativer Realzins übrig blieb. Vor allem, wenn man dies korrekt nach Kapitalertragsteuer berechnet.

Denn je höher der Nominalzins, desto höher auch die Steuerlast.

Augenzwinkernd kann man sagen, dass der deutsche Sparer derzeit durch die Nullzinspolitik Steuern spart. Drei Prozent zu versteuernder Zins bei vier Prozent Inflation sind nach Steuern nämlich erheblich unvorteilhafter als Null Prozent Zins bei ein Prozent Inflation.

Der negative Realzins von minus einem Prozent im zweiten Fall liegt auf der Hand. Im ersten Fall ergibt sich jedoch ein realer Verlust von 1,84 Prozent, der sich wie folgt errechnet:

 

Doch die Mehrzahl der Anleger hat den Kaufkraftverlust nach Steuern nicht realisiert, da sie in nominellen Größen denkt und somit der Geldillusion unterliegt.

Drei schlechte Handlungsempfehlungen –
So bitte nicht!

Erst die nominellen Null- oder Niedrigzinsen der vergangenen Jahre schreckten die Masse der Sparer auf. Und bieten eigennützigen Finanzdienstleistern bis hin zu Scharlatanen die Möglichkeit, hier Produkte anzubieten, die aus ihrer Sicht recht ertragreich sind. Wohlgemerkt, ertragreich nur aus Sicht der Finanzdienstleister! Denn dumm nur, dass die Erträge dieser Anbieter aus Sicht des Anlegers Kosten darstellen…

 

Die drei abzulehnenden Handlungsempfehlungen im Einzelnen

     1.     Schlechte Idee: Laufzeit verlängern, um Laufzeitprämien zu erhalten

Das ist eine ganz schlechte Idee. Denn die Laufzeitprämien sind so niedrig wie seit Jahrzehnten nicht. Mit anderen Worten. Wenn Sie Ihr Geld heute in langfristige Rentenwerte anlegen, dann erhalten Sie lediglich ein paar Zehntel – im besten Falle vielleicht einen Prozentpunkt mehr Zinsen. Dafür kaufen Sie sich jedoch ein hohes Kursrisiko ein.

Denn je länger die Laufzeit, desto höher der Kursverlust im Fall, dass die Kapitalmarktzinsen ansteigen. Ausführlich siehe Kapitel A 2 „Unter Null“ in meinem Buch „Einfach genial entscheiden in Geld- und Finanzfragen“ sowie meinen Blogbeitrag über Hundertjährige Anleihen.

     2.     Schlechte Idee: Erwerb von Festverzinslichen schlechterer Bonität

Die nächste schlechte Idee besteht darin, aus purer Verzweiflung festverzinsliche Papiere von Schuldnern schlechterer Bonität zu erwerben, z. B. Staatsanleihen von Argentinien.

Schuldner mit eingeschränkter Kreditwürdigkeit müssen auf den risikolosen Zins (z. B. den Zins der laufzeitgleichen deutschen Bundesanleihe) einen Aufschlag bezahlen. Dieser Risikoaufschlag wird als Bonitätsprämie bezeichnet.

Bonitätsprämien sind jedoch nicht mit Zinsen zu verwechseln, sondern eher als Versicherungsgebühr für das Ausfallrisiko zu sehen. Ausführlich siehe Kapitel A 4 „In der Ruhe liegt die Kraft“ in meinem Buch „Einfach genial entscheiden in Geld- und Finanzfragen“. Sie als Anleger bekommen also eine kleine Vergütung dafür, dass Sie das erhöhte Ausfallrisiko eines schlechten Schuldners, z. B. Argentinien tragen.

Jedoch sind diese Risikoprämien aktuell meist recht gering. Woran liegt das? An der hohen Nachfrage für risikobehaftete Anleihen. Offenbar sind viele frustrierte Anleger händeringend auf der Suche nach zumindest ein wenig Rendite. Und dabei unterscheiden viele nicht zwischen Bonitätsprämien und Zinsen.

Von einer Direktanlage in bonitätsschwache Festverzinsliche rate ich also ganz klar ab. Ausgewiesene Fachleute (z. B. Manager von Rentenfonds) ebenso wie Anleihe-ETFs können ggfs. mit Hilfe von Bonitätsprämien einen überschaubaren Mehrwert generieren. Auch wird durch die Diversifikation (Anlage in viele Anleihen unterschiedlicher Schuldner) das Klumpenrisiko vermieden. Ob jedoch die Bonitätsprämien, die erlittenen Ausfälle und die Kosten des Vehikels bzw. die Kosten der aktiven Manager übersteigen, erscheint mir sehr fraglich.

     3.     Schlechte Idee: Umschichtung in aktive Investmentfonds

Mit der dritten und letzten schlechten Idee komme ich auf die Empfehlung der obigen Werbung zurück. Hier wird Ihnen letztlich geraten, die geringverzinslichen Einlagen in aktive Investmentfonds umzuschichten. Mit den dramatischen Worten „Ihr Geld schmilzt“ und einer medienwirksamen Eis-Skulptur hat eine andere Fondsgesellschaft bereits im Sommer 2016 exakt den gleichen eigennützigen Rat gegeben.

Dabei werden jedoch Äpfel mit Birnen verglichen, denn Ihre Anlage geht nun vom Geldvermögen ins Sachvermögen (bei Mischfonds zum Teil auch in Anleihen), wodurch zwangsläufig Kursrisiken entstehen. Gleichzeitig werden bei Nutzung dieser Angebote ein „netter“ Ausgabeaufschlag sowie jährlich wiederkehrende Kosten fällig. Auch das will erst einmal wieder verdient werden. Es besteht die Gefahr, dass der Teufel mit dem Belzebub ausgetrieben wird.

Zwei Situationen lassen sich unterscheiden. Die erste, vermutlich häufigere: Der Entscheider hat in der Ausgangssituation tatsächlich einen zu hohen Anteil an Geldvermögen, d. h. neben kapitalbildenden Lebens- und Rentenversicherungen etc. relativ zu viel auf den Tagesgeld- oder Festgeldkonten. Dann wäre die richtige Entscheidung, einen Teil dieses Geldvermögens in einen breit diversifizierenden Assetklassenfonds oder entsprechende ETFs (beides auf Aktien) zu investieren.

Die zweite, vermutlich seltenere: Der Anteil des Geldvermögens war in Hinblick auf die Bedürfnisse des Anlegers korrekt. Dann wird dieser durch den aktiven Fonds nun zu einem für seine Risikoneigung zu hohen Aktienanteil verführt.

 

Richtige Vorgehensweise

Mit Speck fängt man bekanntlich Mäuse und die wichtigste Kostenart aktiver Fonds sind nicht Analyseaufwand, sondern Werbung und Marketing.

Der kluge Anleger lässt sich von markigen Werbesprüchen und schmelzenden Eisskulpturen nicht in die Irre leiten. Sondern trifft zunächst einmal eine Entscheidung, welche Aufteilung seiner Reserven in risikobehaftetes, aber hochrentables Sachvermögen (z. B. Aktien) und in risiko- und renditearmes Geldvermögen (z. B. Tagesgeldkonto) für ihn angemessen ist. Anleihen kommen in diesem Kalkül nicht vor, da der kluge Anleger weder in die Zinsfalle tappen noch unüberschaubare Bonitätsrisiken tragen möchte.

 

 

Und was bedeutet das nun konkret für Sie?

Es ist eine objektiv nachweisbare Tatsache, dass der deutsche Durchschnittshaushalt im Verhältnis zu seinem Gesamtvermögen zu viel Geldvermögen besitzt. Das zeigen die Mitteilungen der Deutschen Bundesbank, zuletzt die Pressemittelung von April 2018 zur Geldvermögensbildung 2017.

  • Aus Expertensicht kritikwürdig sind jedoch vor allem die hohen Anteile von Geldvermögen in schlecht verzinslichen kapitalbildenden Lebens- und Rentenversicherungen (auch Riester und Rürup) und zumeist auch Bausparverträgen.
  • Die Liquiditätshaltung auf Tagesgeld- und Festgeldkonten (mit abnehmender Tendenz auch Sparkonten) erscheint zwar ebenfalls hoch, kann jedoch zum Teil mit Reserven für Unvorhergesehenes, Notgroschen und eben Liquiditätsreserve für den Fall einer Finanzkrise oder eines Börsencrashs erklärt werden.
  • Durchschnitte besagen überhaupt nichts. Vielmehr ist jeder Haushalt – also auch Sie – jeweils persönlich gefordert, zu prüfen, ob Ihre Liquiditätshaltung zu Ihren Lebensbedürfnissen, Ihren Zielen und Ihrer Risikoneigung und -tragfähigkeit passt.
  • Stand Mitte 2018 empfehle ich Ihnen, als Privatanleger keine festverzinslichen Anleihen in Euro. Da die Verzinsung bei niedrigen Laufzeiten negativ oder null ist. Und bei höheren Laufzeiten viel zu gering, um das Kursrisiko im Falle eines – wenn auch nur überschaubaren – Zinsanstiegs zu kompensieren.
  • Ebenso bitte Hände weg von Festverzinslichen von Schuldnern mittelmäßiger oder schlechter Bonität. Motto: Bonitätsprämien sind kein Zins, sondern – zurzeit meist unzureichende – Vergütungen für das Risiko eines Zahlungsausfalls.
  • Nutzen Sie vielmehr für Ihre Liquiditätsreserve (zähneknirschend, aber selbstbewusst) solche Festgeld- oder Geldmarktangebote, die der europäischen Einlagensicherung (Einlegerschutz) unterliegen. Für die Wohlhabenderen unter Ihnen: Beachten Sie die Schutzgrenze von 100.000 Euro pro Anleger und Institut, d. h. splitten Sie notfalls.
  • Und nehmen Sie die negative Realverzinsung für Ihre Liquiditätsreserve stoisch hin. Betrachten Sie diese als „Versicherungsgebühr“ für Krisensituationen und als notwendiges Gegengewicht zu den rentablen, aber kursempfindlichen Sachanlageanteilen (z. B. Aktien) Ihres Portfolios. Dort kommt die Rendite her! Ihre Liquiditätsreserve bewahrt Ihnen demgegenüber Ihre finanzielle Handlungsfähigkeit, Unabhängigkeit und Sicherheit und Ihren gesunden Nachtschlaf.
  • Vergegenwärtigen Sie sich dazu nochmals das Bild von der Wippe: Wenn Sie auf beiden Seiten der Wippe engagiert sind, dann sind Sie insgesamt stabiler. Bei einem Kursrückgang von Aktien oder anderen Sachanlagen passiert nämlich eines: Ihre Liquidität wird wertvoller!

 

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine gute Balance und das kluge Selbstbewusstsein, den Sirenengesängen der Fondswerbeindustrie zu widerstehen.

Als Akt der Stärke können Sie ja schon einmal diesen Blogbeitrag weiter empfehlen 😉

Herzliche Grüße
Hartmut Walz
Sei kein LeO!

 

Erschienen am 22. Juni 2018.

Der Hartmut Walz Finanzblog ist unabhängig, kosten- und werbefrei. Ich erhalte für Links und Empfehlungen keinerlei Honorar, Kick-back, Beteiligung o. ä.

2 Gedanken zu „Fortdauernde Niedrigzinsen – Was tun? Drei schlechte Empfehlungen…“

  1. Hallo Herr Prof. Walz,
    leider kann ich Ihren jüngsten Beitrag nur bestätigen.
    Meinen Kundenberater wollte mich geradezu nötigen, einen fünfstelligen Betrag, den ich „im Trockenen“ halten möchte, in aktiv gemanagte Mischfonds umzuschichten. Dabei muss ich das Geld zur Finanzierung einer großen Reparatur meiner Immobilie in ein bis zwei Jahren verfügbar halten.
    Und selbst wenn die Mischfonds ordentlich laufen, würd ich in dieser Zeit kaum die beträchtlichen Einmalkosten wieder reinholen können. Unglaublich, dass angeblich seriöse Banken so auf die Uninformiertheit ihrer Kunden setzen. Ich kann alle redlichen Mitmenschen vor so etwas nur warnen.
    Viele Grüße aus Nürtingen

    Antworten
    • Liebe/r Nürtingerin, dann warnen wir beide! Wirklich unglaublich, aber leider immer wieder wahr.
      Herzliche Grüße, Hartmut Walz – Sei kein LeO!

      Antworten
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Prof. Dr. Hartmut Walz
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