GASTBEITRAG VOLKER BRITT, HonorarKonzept
Wechseln oder weitermachen?
Gibt man diese Schlagwörter bei Google ein, erhält der Suchende auf der ersten Seite zahlreiche Hinweise und Empfehlungen zu dem Themenbereich „Studium oder Ausbildung wechseln“. Für die Protagonistin dieses Beitrages stellt sich diese Frage aber nicht.
Martina M. hat ihr Studium bereits erfolgreich beendet. Mit dem Abschluss als Master of Science hat sie vor einem Jahr ihren ersten Job angetreten. Nachdem sie bereits eine Haftpflicht- und eine Berufsunfähigkeitsversicherung zur Absicherung ihrer wesentlichen Risiken abgeschlossen hat, möchte sie nun mit der privaten Altersvorsorge beginnen.
In diesem Zusammenhang will die 26-jährige Frau prüfen, wie gut der abgeschlossene fondsgebundene Rentenversicherungsvertrag ist, den ihr Vater im 2004er „Schlussverkauf“ vor Wegfall der Steuerfreiheit für Lebensversicherungen auf ihren Namen abgeschlossen hatte.
Immerhin hat diese Police noch eine Restlaufzeit von 38 Jahren. Eine aktuelle Wertmitteilung zu dieser Versicherung hat Frau M. vor kurzem erhalten.
„Das Bessere ist der Feind des Guten“
So lautet ein altes Sprichwort. Übertragen auf unseren Fall stellt sich die Frage, ob es für Martina M. besser ist, den bestehenden Vertrag weiterzuführen oder für die restliche Vertragslaufzeit in eine alternative Anlage zu wechseln.
Seit 2004 hat es zahlreiche Innovationen bei Finanzprodukten gegeben: kostengünstige ETF haben sich in Europa etabliert, kosteneffiziente Nettoversicherungen sind verfügbar und zunehmend mehr Makler bieten ihre Dienstlungen auch auf Honorarbasis an.
Auf der anderen Seite heißt es oft „hinten wird die Gans fett“ und bedeutet, dass die Kosten im Versicherungsvertrag in den ersten Jahren entstehen und danach die Verzinsung richtig greift. Danach dürfte Martina M. einen länger bestehenden Vertrag nicht so einfach kündigen.
„Was nichts kostet, ist nichts wert. Was viel kostet vielleicht auch.“
Dieses Zitat des Schweizer Theologen und Journalisten Walter Ludin beschreibt anschaulich, dass man beim Thema Kosten genau hinschauen sollte.
Da Frau M. wenig Zeit und nicht das erforderliche Know-how besitzt, hat Frau M. sich entschieden, den Rat eines Maklers zu suchen, der auch Finanzprodukte auf Honorarbasis vermittelt.
In der ganzheitlichen Beratung wird hierbei ein finanzmathematischer Vergleich angestellt, der die bestehende Rentenversicherung mit einer Nettopolice und einem reinen Depot als Alternativen gegenüberstellt.
Für das Depot, das bei einer Direktbank geführt werden kann, fallen keine Depotgebühren an. In der Depotlösung werden 1,5% Orderentgelte im Durchschnitt der nächsten 38 Jahre angesetzt. Zudem würden 500 Euro als Honorar für die Beratung und Vermittlung der passenden Alternative anfallen.
Bei der Nettopolice entstehen Versicherungskosten, dafür entfallen Kauf- und Verkaufskosten für die ETF-Anteile.
Auf Fondsebene wird sowohl bei der Nettoversicherung als auch beim Depot ein ETF-Portfolio (60% Aktien und 40% Renten) entsprechend der Chancen- / Risikoeinstellung von Martina M. ausgewählt.
Ein solches Portfolio verursacht laufende Fondskosten von 0,3% p.a. (inkl. Transaktionskosten innerhalb der ETF). Das sind 2,4 Prozentpunkte weniger, als die laufenden Kosten des Dachfonds p.a. in der bestehenden Rentenversicherung.
Darüber hinaus soll die jeweilige Portfoliogewichtung während der Laufzeit durch ein jährliches Rebalancing gleich gehalten werden. Dem sich veränderten Chance- und Risikoverhältnis durch eine unterschiedliche Einzelfondsentwicklung soll so entgegengewirkt werden. Eine Umschichtungsquote von 5% p.a. wird im Durchschnitt für die Laufzeit angenommen.
In diesem Zusammenhang entstehen hierfür bei einer Nettopolice keine Kosten. Eine Abgeltungsteuer fällt ebenfalls nicht an.
In der Depotlösung erwachsen Kauf- und Verkaufskosten für die ETF-Anteile. Des Weiteren werden die Veräußerungserlöse besteuert.
Da der Makler für die Betreuung der Nettopolice oder des Depots einschließlich des jährlichen Rebalancings keine Vergütung aus dem jeweiligen Finanzprodukt erhält, wird ferner ein jährliches Honorar von 60 Euro berücksichtigt.
Besteuerung am Ende der Laufzeit
Einen weiteren Unterschied gibt’s beim Thema Besteuerung am Ende der Laufzeit. Beachtet werden muss hierbei die Steuerfreiheit bei der Alternative „Weiterführung des bestehenden Vertrages“.
Bei der Depotlösung fällt bei Kapitalauszahlung Abgeltungsteuer an.
Bei der Nettorentenversicherungslösung greift das Halbertragsverfahren, wobei angenommen wird, dass Frau M. bei Vertragsablauf im Rahmen der möglichen Kapitalauszahlung einen Grenzsteuersatz von 42% besitzt.
Und noch ein Hinweis zur Option „Fortführung des bestehenden Vertrages”
Auch hier könnte gegebenenfalls die Idee aufkommen, den teuren, aktiven Dachfonds einfach durch ein ETF-Portfolio zu ersetzen.
In der Praxis zeigt sich aber immer wieder, dass ein entsprechender Fondswechsel bei älteren bestehenden Versicherungen meistens nicht möglich ist. Das heißt, es muss ein neuer Vertrag abgeschlossen werden.
Deshalb wird diese Option hier nicht weiterverfolgt.
Entscheidungen richtig treffen, auf der Basis von Fakten
In allen drei Optionen ist der Kapitaleinsatz mit 23.357 Euro identisch. Die Nase vorn hat bei der Ablaufleistung nach Steuern die Nettopolice. Mit leichtem Abstand folgt die Depotalternative.
An dieser Stelle machen sich u.a. die Steuerprivilegien der Versicherung bemerkbar. Das jährliche Rebalancing verursacht in einer Fondspolice keine Steuern.
In der Depotlösung sind die daraus resultierenden Veräußerungserlöse zu versteuern.
Je höher die jährliche Umschichtungsquote angenommen wird, umso größer wird der Vorsprung der Versicherungslösung.
Abgeschlagen ist die Option „Fortführung des bestehenden Vertrages“. Und dabei ist diese Alternative noch mit einer steuerfreien Kapitalauszahlung „versüßt“ worden.
Fazit
Auf Basis dieser Fakten ist Frau M. zu empfehlen, den bestehenden Vertrag zu kündigen und eine Neuanlage in einer Nettopolice zu starten.
Und wie Frau M. wird es sicherlich vielen Besitzern älterer Policen gehen. Ein finanzmathematischer Vergleich unter Berücksichtigung aller Kosten ist lohnenswert.
Und die eigenen Vorsorgeziele können gegebenenfalls mit innovativen und kostengünstigen Nettovorsorgelösungen wesentlich besser erreicht werden.
Erschienen am 22. November 2019.
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Hallo Herr Britt,
vielen Dank für den interessanten Beitrag!
Bzgl. der fondsgebundenen Rentenversicherung ist mir in den letzten Tagen zufällig eine Konstruktion „begegnet“, die ich bislang noch nicht kannte. Ein Berater stellt im Vergleich der div. Altersvorsorgemöglichkeiten die fondsgebundene Rentenversicherung als effizienteste Alternative dar. Ich war sehr skeptisch und habe mir die Berechnung mal genauer angesehen.
Der Berater kalkuliert eine fondsgebundene Rentenversicherung ohne Garantie und einen Renteneintritt mit 85 Jahren. Mit 67 Jahren stellt er den Vertrag beitragsfrei und lässt sich regelmäßig Teilbeträge (keine Rente) bis zum 85. Lebensjahr auszahlen.
Zwar bin ich bei der Verprobung auf etwas andere Werte gekommen, aber dennoch war die Variante fondsgebundene Rentenversicherung tatsächlich leicht vorteilhafter als Depotsparplan, sofern man nicht das Gesamtkapital zum tatsächlichen Rentenbeginn (67 Jahre) auszahlt (dann wäre der Depotsparplan vorteilhafter).
Ist Ihnen ein solches Konstrukt in der Praxis schon begegnet bzw. ist dies auch aus Ihrer Sicht eine sinnvolle Alternative für Verbraucher?
P.S. Für die Auszahlung der Teilbeträge habe ich unterstellt, dass das Halbeinkünfteverfahren inkl. 15% Teilfreistellung analog zur kompletten Kapitalauszahlung gilt. Wenn Sie möchten, kann ich Ihnen die Kalkulation per E-Mail zukommen lassen.