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SCHLÜSSEL ZUM GLÜCK? Immobilien als Anlageklasse, Teil 2

SCHLÜSSEL ZUM GLÜCK?
Immobilien als Anlageklasse, Teil 2

Im ersten Teil dieses Blogbeitrages wurden die „harten Fakten“, oder besser: die „cash-relevanten“ Fakten rund um Immobilieninvestments erläutert. Im heutigen 2. Teil lenke ich Ihren Blick auf neun „weiche“…

 

Überlegungen rund um das Immobilieninvestment, die für Ihre Entscheidung pro oder contra mindestens ebenso relevant sind, wie die Welt der unmittelbar sichtbaren Zahlen. Ein Überblick:

Zu den Überlegungen im Einzelnen:

   1.)   Zwang zum eigenen Glück?

Einige Untersuchungen und unzählige Einzelbeobachtungen scheinen zu beweisen, dass ältere Menschen, die sich für eine Immobilie entschieden hatten (meist, aber nicht zwangsläufig selbst genutzt) beim Eintritt in den Ruhestand erheblich mehr Vermögen aufgebaut haben, als diejenigen, die in alternativen Sparformen (z.B. Lebensversicherungen, Sparverträgen u.ä.) ihren Vermögensaufbau versuchten.

Die Verhaltensökonomen interpretieren diese Beobachtung in recht eindeutiger Weise: Menschen, die eine Immobilie erwarben und diese mit einem Kredit finanzierten, sind einfach disziplinierter als reine Sparer.

„Zwangssparen“ der Darlehenstilgung bringt nützliche Disziplin

Jede Schuldentilgung, jede Ratenzahlung, jeder Abbau von Verbindlichkeiten macht ja den Zahlenden reicher und kann einem Ansparprozess gleichgesetzt werden, da dieser ja auf der „Aktivseite“ bereits mit der Immobilie einen langfristigen Vermögenswert sein eigen nennt.

Und es ist offenbar psycho-logisch viel einfacher, bei anstehenden Konsumwünschen (neues Auto, schöner Urlaub) einen – eigentlich fest vorgenommenen – Ansparprozess zu unterbrechen oder ganz zu beenden, als eine laufende Darlehensverpflichtung zu verletzen.

Der psychologische Druck, laufende Kreditverträge trotz Widrigkeiten und Versuchungen zu erfüllen, übt offenbar eine heilsame und disziplinierende Wirkung auf die Erwerber von Immobilien aus. Und macht sie letztendlich wohlhabender. Im Ergebnis werden sie durch Ihre Selbstverpflichtung zu ihrem Glück gezwungen….

 

   2.)   Unterschätzte Wirkung des Verschuldungshebels

Würden Sie mit 50.000 Euro Eigenkapital Aktien (oder ETFs) für 350.000 Euro erwerben, indem Sie die fehlenden 300.000 Euro „auf Pump“ besorgen? Wahrscheinlich nicht. Aber beim Immobilienkauf ist das absolut üblich. Ein Verschuldungshebel (in meinem Beispiel 300.000 Euro zu 50.000 Euro, also 6 zu 1) wird als völlig „normal“ betrachtet und ist eher die Regel als die Ausnahme.

Gerade durch die aktuelle Niedrigzinspolitik der EZP steigt die Anzahl von hochgradig fremdfinanzierten Immobilieninvestments. Wenn der Investor ansonsten ein hohes unbelastetes Vermögen – sprich Netto-Eigenkapital – hat, mag das in Ordnung und sogar gewünscht sein.

Ob sich jedoch jedes junge (Ehe)Paar, welches sich zu einer 80-90%-Finanzierung der „Traumimmobilie“ entscheidet, des Verschuldungshebels bewusst ist?

Zum Teil enormer Verschuldungshebel (= Leverage) gewollt und nicht gewollt

Denn der Hebel wirkt stets in beide Richtungen. Während bei einem Leverage von 2:1 erst ein Immobilienpreisrückgang von 33 % das eingesetzte Eigenkapital vernichtet, genügt bei der 90%-Finanzierung bereits ein rund zehnprozentiger Wertverlust der Immobilie, um beim Immobilieneigentümer einen Totalverlust seines Eigenkapitals zu bewirken.

 

   3.)   Was ich nicht weiß…

Stellen Sie sich vor, dass Sie die täglichen Wertveränderungen Ihrer Immobilie ebenso zeitnah im Handelsblatt lesen könnten, wie die Preisschwankungen Ihrer Aktien. Viele Immobilienbesitzer würde das sehr schlecht schlafen lassen.

Aber glücklicherweise sind Immobilien recht illiquide und ihre kurzfristige Preisentwicklung ist unbekannt, da der Markt stark aufgesplittet und damit intransparent ist. Im Ergebnis überschätzt daher der „Normalbürger“ das Risiko von Anlagen, die wie Aktien oder ETFs eine täglich wahrnehmbare Preisveränderung zeigen, gegenüber illiquiden Anlagen wie Immobilien, bei denen eine scheinbare Konstanz in der Preisentwicklung zu bestehen scheint.

Illiquidität von Immobilien verhindert Wahrnehmung von Preisschwankungen

Ebenso wie sich eine Aktie oder ein Index nach zwei, drei oder X Jahren im Preis wieder erholt hat, ist dies oftmals auch bei Immobilien der Fall. Der Unterschied ist nur, dass der Eigentümer die „Preisdelle“ bzw. den Preiseinbruch erst gar nicht realisiert hat – Intransparenz bzw. Illiquidität sei Dank. Und das schont seine Nerven – ändert jedoch nichts daran, dass das Preisänderungsrisiko der Immobilie durchaus bestand.

Und viele Verkäufer von ländlichen Immobilien realisieren Stand 2017, dass die in der Presse häufig beschriebenen Preisblasen von Grundeigentum just in ihrer Region offenbar nicht stattgefunden haben. Vielmehr werden dort die Immobilien zu unerwartet niedrigen Preisen, oft mit Verlusten veräußert. Tja – Immobilien sind eben immobil.

 

   4.)   Klumpenrisiko von Immobilien

Das Zitat von Markowitz, man solle nicht alle Eier in einem Korb transportieren, hat sich zwischenzeitlich gut herumgesprochen. Bei Aktien, Anleihen und vielen anderen Anlagen beherzigen wir diese Erkenntnis und diversifizieren unsere Risiken.

Klumpenrisiko von Immobilien wird unterschätzt

Bei Immobilien geht das auch – aber eben nur, wenn man so reich wie Trump ist. Der „Normalanleger“ wird hingegen meist nur eine oder maximal zwei, drei Immobilien sein eigen nennen. Und konzentriert damit seine Risiken, anstatt sie zu diversifizieren.

 

   5.)   und   6.)   Ignorierte Opportunitätskosten von Eigenkapital / Mühe / Arbeit

Während wir auszahlungswirksame Kosten (z.B. tatsächlich bezahlte Zinsen oder zu bezahlende Handwerkerrechnungen) bewusst wahrnehmen, neigen wir dazu, nicht zahlungswirksame Kosten zu übersehen – oder zumindest zu unterschätzen.

Opportunitätskosten des gebundenen Eigenkapitals werden übersehen oder unterschätzt

Wer sein gespartes Eigenkapital in der Immobilie bindet, dem entgeht eine alternative Anlage. So hätte in der Zeitspannte zwischen dem 2. Weltkrieg und heute ein Privatanleger, welcher statt der Finanzierung seiner Immobilie kontinuierlich in Aktien oder ETFs angespart hätte, eine Durchschnittsrendite von mindestens 6% p.a., bestenfalls über 10% p.a. erzielt (dies allerdings vor Steuern). Man sollte also nicht so denken, als ob das eingesparte Eigenkapital „kostenlos“ sei.

(Opportunitäts-)Kosten des Immobilienhandlings werden unterschätzt

Und wer in der vermieteten Immobilie Reparaturen durchführt oder den Wohnungsverwalter spielt, dem entgeht entweder wertvolle Freizeit oder ein Einkommen, das er ansonsten bei vergleichbarer Tätigkeit erzielen könnte.

Kurzum: Ignorierte Opportunitätskosten führen stets zu einer zu positiven Bewertung von Immobilieninvestments.

 

   7.)   und   8.)   Emotionale Rendite und emotionale Bürde

Emotionale Rendite kommt meist bei selbstgenutzten Immobilien vor, da bei Fremdnutzung die gefühlsbezogene Bindung regelmäßig weniger stark ausgeprägt ist.

Emotionale Rendite der selbstgenutzten Immobilie

Sie besteht z.B. in Besitzfreude, dem sicheren Gefühl, nie gegen eigenen Willen „Grund und Boden“ verlassen zu müssen sowie vielfältigen Handwerker- und Gestaltungsfreuden. Das Kümmern und die Pflege des Eigenheims schweißen viele Paare oder Eheleute zusammen, führen zu einem gemeinsamen Hobby und stiften wahrgenommenen Sinn. Die Menschen schlagen bildlich gesprochen, durch Eigentum tiefere Wurzeln – ein in Studien immer wieder nachgewiesener „Wohlfühlfaktor“.

Emotionale Rendite stellt somit einen „weichen“ Faktor dar, den man nicht unterschätzen sollte.

Emotionale Bürde der selbstgenutzten Immobilie

Jedoch kann sich aus der emotionalen Rendite schnell eine emotionale Last oder Bürde entwickeln. Dies ist dann der Fall, wenn die Lebensumstände „eigentlich“ gegen eine weitere Nutzung der Immobilie sprechen (z.B. nach Auszug der Kinder aus einem dann zu großen Haus).

Oder schlimmer, nach dem Tod eines Partners, wenn der verbleibende dann alleine in einer – völlig überdimensionierten – und den aktuellen Wohnbedürfnissen nicht mehr entsprechenden Immobilie zurückbleibt. Unzählige – meist weibliche – Überlebende in viel zu großen Immobilien, die zudem regelmäßig einen Renovierungsstau aufweisen, sind Zeitzeugen dieser emotionalen Last.

Ohne diese fiele ein Verkauf und Umzug in eine der Lebenssituation entsprechende Immobilie erheblich leichter.

 

   9.)   Gesellschaftliche Aspekte des direkten Wohneigentums 

Dieser letzte Aspekt hängt eng mit der emotionalen Rendite bzw. Last von Immobilien zusammen und beschreibt deren gesamtgesellschaftliche Folgen. Per Saldo und über die Vielzahl der Einzelnen gemittelt, wirkt der emotionale Effekt offenbar positiv auf die Gesellschaft und den Staat.

Gesellschaftliche Komponente des direkten Wohneigentums 

Ein paar Schlaglichter der vorliegenden Erkenntnisse: Je höher die Wohneigentumsquote, desto zufriedener sind im Schnitt die Bürger. Erheblich mehr Menschen, die zu Miete wohnen, wünschen sich Eigentum, als umgekehrt Eigentümer sich wünschen, zur Miete zu wohnen. Eigentümer kümmern sich stärker um die Immobilie und pflegen und verschönern auch das Umfeld.

Wo viele Menschen Eigentum besitzen, kommt es zu positiven Ausstrahlungseffekten. Nicht zuletzt aus diesem Grund gilt die Mieterprivatisierung als ein Mittel zur Aufwertung von Wohnquartieren.

 

Liebe LeserInnen, Sie sehen: Auch das Nachdenken über „weiche“ Faktoren kann manchmal ganz schön hart sein. Vor allem, wenn man sich der ein oder anderen Emotion in Bezug auf seine Immobilie bewusst wird.

Der positive Effekt: Man weiß sodann um diese Emotionen. Und eine Entscheidung „trotz“ oder „gerade wegen“ dieser Emotionen ist dann qualitativ mehr wert.

Wenn für Sie dieser Beitrag wertvoll war, empfehlen Sie ihn bitte weiter.

Herzliche Grüße
Hartmut Walz
Sei kein LeO!

 

 

Erschienen am 15. Dezember 2017.

6 Gedanken zu „SCHLÜSSEL ZUM GLÜCK? Immobilien als Anlageklasse, Teil 2“

  1. Sehr geehrter Herr Prof. Walz,

    Sie haben eine wirklich tolle Art, unterschiedlichste Überlegungen und Argumente verständlich auf den Punkt zu bringen.
    Als ehrlicher Immobilienmakler werde ich Ihre Ausführungen – mit allen kritischen Überlegungen – meinen Kunden zur Verfügung stellen.
    Und die graphischen Darstellungen – z. B. neun wichtige Argumente als Haus – drucke ich mir in Fotoqualität aus, um sie an die Wand zu hängen.

    Machen Sie bitte weiter so und schreiben Sie auch 2018 wieder über Immobilien als Anlageklasse.

    Herzliche Grüße und alles Gute für das Neue Jahr

    Jan N.

    Antworten
  2. Sehr geehrter Herr Professor Walz,
    super Bogen gespannt mit den weichen Faktoren,
    welche in vielen Überlegungen und Berechnungen überhaupt nicht stattfinden (oder andererseits – oft unbewußt – überbewertet werden), allerdings wirklich wichtig sind, denn der „Wohlfühlfaktor“ sollte – und zwar vorher – sehr wohl auch bedacht und durchdacht sein!

    Ein kleiner Gedanke zu Punkt 2 bezüglich des „Verschuldungs-Hebels“ soll aber trotzdem erlaubt sein.
    Meines Erachtens ist es hier wichtig zu unterscheiden, ob es sich um eine vermietete oder eigengenutzte Immobilie handelt.
    Denn bei einer eigengenutzten Immobilie ist der Hebel schon vom Start an deutlich geringer, da die ersparte Miete zur Tilgung zur Verfügung steht und mit zunehmender Laufzeit – und somit abnehmendem Kreditvolumen – den Hebel bei ungefähr dem hälftigen Kreditvolumen, gegen Null laufen läßt. (genau genommen also ab dem Tilgungszeitpunkt, an welchem die „ersparte“ Kalt-Miete, mit der Kreditbelastung identisch ist)
    Das bedeutet dann, dass sich die „weichen“ Faktoren, mit zunehmender Tilgung und somit abnehmender Verschuldung, in „harte“ Faktoren wandeln. Was nicht bedeuten muss, dass die „weichen“ trotzdem, also zusätzlich erhalten bleiben.
    Nochmal aber ein Kompliment für den wirklich gelungen gespannten Bogen dieser beiden Teile
    F.Sadeki

    Antworten
    • Liebe/r F. Sadeki, herzlichen Dank für Ihre anerkennenden Worte und auch Ihre Anmerkung.
      Inhaltlich kann ich die Anmerkung jedoch so nicht bestätigen. Ich sehe keinerlei Grund, das Risiko eines hohen Verschuldungshebels bei der selbstgenutzten Immobilie als geringer zu bewerten. Der Verschuldungshebel (Fachausdruck auch: „Leverage-Effekt“ genannt und kurz berechnet als: Fremdkapital zu Eigenkapital) ist zunächst einmal eine ganz objektiv nachvollziehbare Größe. Ob das Risiko dieses Hebels bei Eigennutzung als geringer zu bewerten ist, erscheint mir mehr als hinterfragenswert. Denn wenn z. B. die eigengenutzte Immobilie zu groß gewählt wurde (selbst in der Immobilie wohnen ist nach wie vor eine konsumtive Nutzung), dann ist zwar die ersparte Miete sehr hoch. Jedoch kann sich der Käufer diese Wohnung in Hinblick auf die zu bezahlenden Zinsen sowie sonstigen Kosten und ebenso die Zins- und Preisänderungsrisiken ggfs. einfach nicht leisten. Kurzum: Ich empfehle Ihnen höflich, Ihre Schlussfolgerungen nochmals einer kritischen Prüfung zu unterziehen, um nicht etwa mit einer beschönigenden Interpretation zu falschen Schlussfolgerungen zu kommen. Was meinen Sie?
      Herzliche Grüße und viele guten Wünsche, Hartmut Walz – Sei kein LeO!

      Antworten
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