GASTBEITRAG PROF. DR. JAMIN, HS LUDWIGSHAFEN A. RH.
Selbstgenutzte Wohnimmobilien – eine steuerfreie Kapitalanlage
Wohnimmobilien zählen zu den wichtigsten Anlageklassen privater Sparer und sind in den letzten Jahren auf Grund der anhaltenden Niedrigzinsphase erheblich im Wert gestiegen. Gleichzeitig gehört mehr als die Hälfte der deutschen Bevölkerung nicht zu den Immobilieneigentümern und…
… profitiert somit nicht von steigenden Immobilienwerten. Vor diesem Hintergrund soll in diesem Beitrag eine aus Sicht von Immobilieneigentümern erfreuliche Eigenschaft von selbstgenutztem privatem Wohneigentum beleuchtet werden, nämlich dessen Steuerfreiheit.
Für die Entscheidung, ob eine Investition in Wohnimmobilien getätigt werden sollte, spielen viele Faktoren eine Rolle, wobei die folgende Aufzählung keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt: Wie ist die absehbare Wertentwicklung im lokalen Markt? Passt eine Immobilie in mein Anlageportfolio oder bildet sich ein nicht vertretbares Klumpenrisiko? Gibt es andere Anlageklassen, die mit weniger oder dem gleichen Risiko eine höhere Rendite erwarten lassen? Wenn die Immobilie selbst genutzt werden soll, wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit für in naher Zukunft erforderliche Umzüge? Wie ist die steuerliche Behandlung der Immobilieninvestition im Vergleich zu anderen Kapitalanlagen?
Die steuerliche Behandlung von Wohnimmobilien
Dieser Beitrag soll keine abschließende Antwort darauf liefern, für wen sich eine Investition in eine private Wohnimmobilie lohnt. Er soll lediglich einen ausgewählten Aspekt beleuchten, nämlich die steuerliche Behandlung von Wohnimmobilien und die Unterschiede in der steuerlichen Behandlung von selbst- und fremdgenutztem Eigentum herausarbeiten. Mein Kollege Hartmut Walz hat in seinem Buch „Einfach genial entscheiden in Geld- und Finanzfragen“ völlig richtig herausgearbeitet, dass eine Entscheidung für eine Kapitalanlage niemals nur auf Grund von deren steuerlicher Behandlung getroffen werden sollte. Gleichzeitig ist der mit der Selbstnutzung von Wohnimmobilien verbundene Steuervorteil so erheblich, dass er bei der Entscheidung über die Geldanlage eines Haushalts nicht ignoriert werden kann.
Ersparte Miete muss nicht versteuert werden
Der Ertrag einer selbstgenutzten Wohnimmobilie besteht in der ersparten Miete, und diese muss nicht versteuert werden. Sämtliche anderen Einkünfte aus Anlagen unterliegen der Besteuerung, in Form der Abgeltungssteuer bei Geld- und Wertpapieranlagen oder in Form der persönlichen Einkommensteuer bei Einnahmen aus vermieteten Immobilien.
Aufwendungen sind aber auch nicht steuermindernd
Gleichzeitig hat die Selbstnutzung der Immobilie den Nachteil, dass mit der Bewirtschaftung verbundene Aufwendungen wie Finanzierungs- und Instandhaltungskosten oder Abschreibungen nicht steuermindernd geltend gemacht werden können, was allerdings bei vermieteten Immobilien möglich ist. Dieser letzte Aspekt wird häufig von Finanzberatern betont: „Kaufen Sie sich doch eine Wohnung und vermieten diese, dann können Sie Steuern sparen.“
Gerade am Anfang einer Immobilieninvestition kann es vorkommen, dass die Aufwendungen für die Immobilie die Erträge übersteigen und es daher vorteilhaft wäre, den Verlust steuermindernd geltend zu machen, was im Falle der Vermietung möglich ist. Dies ändert sich aber im Zeitverlauf auf Grund von Darlehenstilgungen und damit rückläufigen Finanzierungskosten und im Zeitverlauf steigenden (ersparten) Mieten. Über die gesamte Nutzungsdauer einer Immobilie wird der Ertrag in Form (ersparter) Mieten die Aufwendungen übersteigen. In diesem Fall ergibt sich ein deutlicher Vorteil für die Selbstnutzung, weil der die Aufwendungen übersteigende Teil des Ertrags nicht versteuert werden muss.
Die Beispielrechnung in der voranstehenden Abbildung zeigt, dass sich am Ende des Betrachtungszeitraums von 30 Jahren ein nennenswerter Vermögensunterschied ergibt, je nachdem ob man die Immobilie selbst nutzt oder vermietet. Nochmals wiederholt werden soll an dieser Stelle, dass dies keine allgemeine Empfehlung für den Erwerb von Wohnimmobilien darstellt. Wenn allerdings der Erwerb einer Wohnimmobilie ins Anlageportfolio passt, sollte diese möglichst selbst bewohnt werden, um von der Steuerfreiheit der ersparten Miete profitieren zu können.
Interessante politische Implikationen
Aus diesem Befund ergeben sich interessante politische Implikationen, was mit einer einfachen Überschlagsrechnung verdeutlicht werden soll. Wenn man annimmt, dass es in Deutschland ca. 20 Millionen Haushalte mit selbstgenutztem Immobilieneigentum gibt und dieses im Durchschnitt einen Nettowert von 150 TEUR hat, dann hat der gesamte selbstgenutzte Immobilienbestand einen Wert von ca. 3 Billionen EUR. Wenn man von einer durchschnittlichen Netto-Mietrendite von 2% ausgeht, erwirtschaften die Eigentümer dieser Immobilien einen Ertrag in Form ersparter Miete von 60 Mrd. EUR pro Jahr.
Wenn man von einem durchschnittlichen Grenzsteuersatz der Immobilieneigentümer von 40% ausgeht entgehen dem Staat Steuereinnahmen in Höhe von 24 Mrd. EUR pro Jahr die anfallen würden, wenn alle Deutschen zur Miete wohnen würden. Der in der öffentlichen Diskussion um Verteilungsgerechtigkeit wenig beachtete Befund ist allerdings, dass diese steuerliche Vorzugsbehandlung vor allem dem wohlhabenderen Teil der Bevölkerung zugutekommt, weil vor allem aus diesem Teil die Eigentümer selbstgenutzter Immobilien stammen.
Man könnte daraus die Forderung ableiten, den fiktiven Mietertrag selbstgenutzten Immobilieneigentums zu besteuern, wie es z.B. die Schweiz tut. Eine andere Forderung, der sich der Autor dieses Beitrags eher anschließen würde, zielt darauf ab einem größeren Teil der Bevölkerung den Erwerb von Immobilieneigentum zu ermöglichen, z.B. durch Abschaffung oder Senkung der Grunderwerbssteuer.
Selbstgenutztes Wohneigentum
Jeder der (noch) nicht über selbstgenutztes Wohneigentum verfügt, sollte vor diesem Hintergrund prüfen ob eine Immobilie in sein Anlageportfolio passt. Zwar wird seit Jahren über die demographische Entwicklung diskutiert, die langfristig zu einem Rückgang des Immobilienbedarfs und damit zu einem Rückgang der Immobilienpreise führen sollte. Allerdings sind die natürlichen und wirtschaftlichen Lebensbedingungen in Mitteleuropa weiterhin so attraktiv, dass auf absehbare Zeit nicht von einem flächendeckenden Rückgang des Siedlungsdrucks – von strukturschwachen Regionen abgesehen – auszugehen ist.
Eine aktuelle Studie von Prof. Moritz Schularick von der Universität Bonn zeigt zudem, dass die Anlageklasse Immobilien über einen sehr langen Zeitraum von über 100 Jahren besser abgeschnitten hat als alle anderen untersuchen Anlageklassen.
Ein weiterer Vorteil der Anlage in eine selbstgenutzte Immobilie besteht darin, dass keine Provisionen an Finanzdienstleister zu zahlen sind, abgesehen von einer ggf. erforderlichen Darlehensfinanzierung. Der Markt für Baudarlehen ist allerdings so transparent und wettbewerbsintensiv, dass es möglich sein sollte eine attraktive Kondition zu finden.
Erschienen am 08. September 2017.
Lieber Gösta!
Janine hat gerade Deinen gelungenen und sehr spannenden Artikel entdeckt. Den Aspekt der steuerfrei eingesparten Miete habe ich bisher noch nicht bedacht, vielen Dank für diesen Blickwinkel. Spontan stellt sich mir die Frage, ob die steuerliche Anlage der eingesparten Miete (und natürlich auch die Erträge berücksichtigt worden sind oder noch berücksichtigt werden müssten, entsprechende Spardisziplin vorausgesetzt).
Viele Grüße aus Hamburg
Stefan & Janine 🙂
Liebe Janine, lieber Stefan,
ja, in unserem Modell haben wir Liquiditätsüberschüsse, die sich aus der ersparten Miete ergeben, wiederangelegt und dabei natürlich auch berücksichtigt, dass diese Kapitalerträge dann wiederum der Abgeltungssteuer unterliegen. Diese Überschüsse fallen aber eher gegen Ende des Zeitraums von 30 Jahren an, da ja zunächst das Baudarlehen zu tilgen ist.
Beste Grüße
Gösta