GASTBEITRAG MARIN MARINOV, KARLSRUHE
Mit diesen zwei Vorüberlegungen sind Sie den meisten Anlegern überlegen
Folgende WhatsApp-Nachricht erreichte mich vor ein paar Tagen: „Hallo Marin, meine Mutter möchte gerne 200.000 Euro anlegen. Sie ist konservativ. Hast du eine Idee?“
So oder ähnlich lauten häufig die Anliegen der Kunden, die meinen Rat erbitten. Nur: Hinter dem Begriff konservativ, verbergen sich erfahrungsgemäß in 9 von 10 Fällen Ängste und Sorgen.
Ich meine damit Fehler, die in der Vergangenheit gemacht wurden. Sei es, sich mit Aktien verspekuliert zu haben oder sich mit Schiffsbeteiligungen oder anderen vermeintlichen Steuersparmodellen eine blutige Nase geholt zu haben.
Entsprechend hoch ist die Erwartung beim Anleger: „Dieses Mal mache ich es besser. Ich werde kein zu hohes Risiko eingehen. Lieber auf Nummer sicher gehen.“
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Leider bedenken die meisten Anleger einige wichtige Aspekte nicht.
Zwei davon möchte ich heute näher beschreiben.
1. Inflation beachten
Die am meisten unterschätzte Vorüberlegung möchte ich Ihnen am folgenden Zahlenbeispiel demonstrieren. Wir gehen davon aus, dass die Mutter meines Freundes die 200.000 Euro auf dem Girokonto liegen hat.
Jetzt kommt ein nicht sichtbarer Renditekiller ins Spiel. Sein Name lautet Inflation. Der Wertverlust nach 20 Jahren beträgt 40 %. Oder in absoluten Zahlen gesprochen 80.000 Euro.
Mit einer konservativen Anlage hat das jetzt nichts mehr zu tun.
Die „Assetklasse Sicherheit“ ist sehr teuer. Nur vermögende Menschen können sich diese leisten.
Jeder, der Rendite benötigt, sei es für die Absicherung des eigenen Ruhestands oder einem frühzeitigen Ausstieg aus dem Berufsleben, sollte sich der Gefahr der Inflation bewusst werden.
Nur unter Berücksichtigung der Inflation können Sie strategisch kluge Vorentscheidungen treffen.
Was ich meine: Wenn Sie sich doch schon damit abgefunden haben, dass sie durch Inflation 40 % Ihrer Ersparnisse verlieren, dann können Sie diese 40 % doch auch gleich in die rentabelste Assetklasse, nämlich Aktien investieren.
Schon haben Sie also eine 40 % Aktienquote im Depot. Haben Sie einen langfristigen Horizont von 10 oder besser 20 Jahren, können Sie diese natürlich auf 100 % erhöhen. Eine allgemeingültige Empfehlung für die richtige Aktienquote gibt es jedoch nicht.
„Aber Herr Marinov“, höre ich Sie sagen, „dass Sie die Aktienquote mit der Inflation koppeln, habe ich verstanden. Aber ich habe keine 20 Jahre mehr Zeit.“
Das kann sein. Daher ist es auch wichtig, sich die beiden Schlüsselfragen zu stellen: Wofür ist das Geld und wann wird es benötigt?
Manchmal kommt dann noch ein weiterer Denkfehler hinzu. Hier kommt also mein zweiter Ratschlag für Sie.
2. Bringen Sie Ihre Anlagestrategie mit Ihren (wichtigsten) Zielen überein
Auf die Frage, warum jemand sein Geld anlegen möchte, höre ich oft die einfache Aussage, um das Vermögen zu mehren. Natürlich können daraus der Anlagehorizont und das optimale Risiko-Rendite-Verhältnis ermittelt werden. Es geht aber auch konkreter und mit einem Blick über den Tellerrand, wie das folgende kurze Beispiel zeigen soll:
Das Herzensziel eines Kunden von mir ist es, seinen Kindern 1,2 Mio. Euro zu vererben. Auf die Frage nach dem Alter der Kinder, bekam ich die Antwort, sie seien zwischen 27 und 32 Jahre alt.
„Wenn Sie versterben, wie lange können Ihre Kinder dann noch theoretisch das Geld liegen lassen, sollten die Aktienmärkte gerade nicht rosig laufen?“
Mein Kunde, der auf die 70 Jahre zusteuert, schaute mich verdutzt an, verstand aber sofort, worauf ich hinauswollte. Schließlich nickte er mir zu und bestätigte mir seinen Anlagehorizont, der jetzt weit über dem seiner Lebenserwartung liegt.
Denn die Kinder haben Zeit, um mögliche Verluste aussitzen zu können, bis der geplante und gewünschte Vermögenszuwachs erreicht ist.
Fazit
Da jeder Fall individuell ist, ist es ratsam, den persönlichen Anlagehorizont mit den eigenen wichtigsten kurz-, mittel- und langfristigen Zielen in Einklang zu bringen, um so die passende Anlagestrategie entwerfen zu können.
Diese gründet auf dem Zusammenspiel zwischen Rendite, Sicherheit und Verfügbarkeit der investierten Gelder. Bei der Ermittlung der Rendite sollte dringend ein Augenmerk auf Kosten, Steuern und Inflation liegen.
Denn nur so entsteht im Endergebnis eine smarte Vorausschau, damit kluge finanzielle Entscheidungen getroffen werden können.
Erschienen am 30. August 2019.
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Verstehe ich das richtig: Bei einer Kapitalanlage – etwa zusätzlich zur Rente – in der Entsparphase den voraussichtlichen Infaltionsverlust in Prozent ausgleichen durch einen prozentual entsprechendden Aktienanteil? Dies entspräche dann in etwa auch den Berechnugnen des Vanguard Retirement Nest Egg Calculator: 200.000 Anlage, 20 Jahre entsparen, 30% ETF und 70 Prozent Tagesgeld bei einer jährlichen Entnahme von 3,5%.
Guten Tag Herr Dr. Kanthak,
vielen Dank für Ihre Anfrage.
Ihre Aussage trifft es genau auf den Punkt: „(…) den voraussichtlichen Inflationsverlust in Prozent ausgleichen durch einen prozentual entsprechenden Aktienanteil…“
Meine risikoscheuen Anleger, die vorher nie daran gedacht hätten, in die Assetklasse Aktien zu investieren, verstehen dieses Prinzip und es nimmt ihnen die Angst.
Viele Grüße,
Marin Marinov